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SERIEN EIN WOCHENENDE IN ... • WEEKEND IN ...
Kloster Dionysiou (3) Kloster-Rangfolge 5, Mitte 14. Jahrundert
einem Ozeanliner kaum sein. Ruhe stellt sich ein. Alles ist warme Wasser herumgesprochen. Als Raoul in der Tür Klosters her, eine Katze humpelt durch den Garten. Die
ganz einfach, un mittelbar und unkompliziert. So kön n- steht, sieht er aus, als hätten wir ihm persönlich etwas Nacht fällt wie ein nasses Tuch über die Landschaft, es
te es bleiben. Raoul will es wissen. „Wie war es eigent- getan. Das warme Wasser sei aufgebraucht, er habe eis- wird empfindlich kalt.
lich bei Leh man?“, überfällt er den an die Wand ge - kalt duschen müssen. Dann wirft er sich aufs Bett.
lehnten James. Der lächelt süßsauer: „Quite interesting, Minuten später schnarcht Raoul wie ein Grizzly. Tag 4: Erkenntnisreicher Abschied
indeed.“ Doch Raoul lässt nicht locker. Ob er jetzt seine
Sünden wegwandern wolle? James, ein stämmiger Mitt - Tag 3: Geduldeter Gast in alten Gemäuern Der nächste Morgen empfängt mit einem Kater. Und ei -
sechziger, lächelt nicht mehr. Er nimmt eine Hand an die nem verspannten Rücken. Die Heimfahrt steht an. Alles
Stirn, gegen die Sonne, um Raoul genauer zu betrachten. Die letzte Etappe nach einer kurzen Nacht führt zum retour. Doch bevor wir das Schiff nach Dafni nehmen
Pauluskloster Agiou Pavlou. Die heilige Messe, eingehüllt und von dort die große Fähre nach Ouranoupoli, geht es
Tag 2: Klosterleben und Entbehrung in Kerzenschein und Weihrauch, wirkt archaisch. Die an die östlichste Spitze der Halbinsel. „The desert“,
Gläubigen herzen Ikonen, wir stehen schweigend dane- erklärt Georgios. „There are so many rocks from Mount
Die Glocke um vier haben wir glatt verpennt. Nur Geor - ben. Frühstück gibt es keines, wir teilen die Not ration: Athos and almost no water. But the monks are very nice.
gios hat sich in die Nacht geschlichen und kommt selt- Nüsse, Sesamgebäck und Power-Riegel. Als wir aufbre- You have to return.“ Obwohl die Touren allenfalls Spa -
sam durchgeistigt von der nächtlichen Messe zurück. chen wollen, steht Georgios mit Pilgern aus Bul garien zier gän ge waren, sind wir bester Laune, als ob wir etwas
Unmittelbar im Anschluss, gegen sieben, gibt es Früh - zusammen. Sofort hat er neue Freundschaften geschlos- ganz Großes geleistet hätten. Bob gibt auf der Fähre
stück. Brot, Bergtee, Marmelade, Oliven. Danach müssen sen. „They know some monks“, sagt er später. Mönche Toast aus. Dazu Espresso und eine Ge schichte: Un längst
wir das Zimmer räumen. Es geht zum Kloster Dionysiou zu kennen ist hier wichtiger als Geld und gute Schuhe. hätte ihn ein Manager in seiner Praxis aufgesucht und
(3), das Dionysios von Koryssos Mitte des 14. Jahr hun - Ohne Kontakte geht fast nichts. Mit Freunden hingegen um eine geleitete Meditation ge beten. Bob führte den
derts gründete. Der Pfad zieht steil nach oben und quert fast alles. Sogar eine Fahrt auf einem Jeep zwischen Leistungsethiker über Almwiesen auf den Gip fel ei nes
tief eingeschnittene Schluchten. Sattes Grün wechselt einem halben Dutzend Klöstern, wenn man will. Kloster Berges, wo ein Wesen mit übersinnlicher Kraft wohnen
mit steinigen Passa gen. Im Schatten eines großen Agiou Pavlou (4) steht an Nummer 14. Seine Ge schichte sollte. Dieses hätte eine Ant wort für den Ma na ger. Der
Brockens machen wir Rast. Georgios erklärt, dass Moní geht bis ins 10. Jahrhundert zurück. Nach Serpentinen Heilige sei tatsächlich er schienen. Kunst pause. Er hätte
Dionysíou in der Hierarchie der Athos-Klöster an fünfter und einem stickigen Wald aus Buschwerk und Find - nur die Zunge herausgestreckt. „Pffft“. Wir lachen be -
Stelle stehe und von etwa 50 Mönchen bewirtschaftet lingen empfängt uns dröhnender Lärm. Auf beiden freit. War es das? Die Lektion des Athos? Jeder soll gefäl-
werde. Ein letzter, steiler Abstieg, dann gurgelt das Flanken des breiten Tals, in dem sich das Kloster aus- ligst seinen eigenen Weg finden? Erleuchtung, abrasiert.
Mittelmeer gegen eine sanfte Bucht. Baden verboten. breitet, werkeln Bauarbeiter mit schwerem Gerät an Raoul: „Krass, als Katholischer gedisst zu werden.“
Ums Eck liegt das Kloster auf einem Felssporn, der in neuen Straßen. Selbst der alte Pilgerweg wurde abge - Georgios: „Nice monks. I’m still looking for the
einen 80 Meter hohen Mauerring übergeht. Die Klos - rissen. Dieses Kloster probt den Aufbruch. Eine Dust road enlightened one.“
teranlage säumen Balkone und Galerien, die mehrstö - führt nun zum Klostereingang. Dort wartet eine geradezu Bob: „Quite fascinating, indeed.“
ckig über dem Abgrund hängen. Alles konzentriert sich heitere Anlage mit breiten Arkaden. Von weiter oben James: „Interesting, but next year I’ll visit monks in
auf das Katholikon, dessen prächtige Fresken von 1547 müsste man den Athos sehen, mutmaßt Bob. Nach viel- Italy, they have a real great cuisine there.“
Zorzi aus Kreta zugeschrieben werden. Hier lodern anti- leicht 40 Minuten werden wir empfangen. Es gibt Tee Seltsam. Die Mönche scheinen gar nicht mehr so weit
ke Philosophen im Höllen feuer, dort geht es mit Heer - und Lokum. Das Tablett ist sofort leer. An der Wand weg. Sie haben Handys und fahren Schnellboote. Auf
scharen von Engeln und Heiligen zur Erlösung. Das ist Fotos der Äbte, alte Männer von 40 Jahren mit strengem der Halbinsel Chalkidikí zu der der Athos gehört, gibt es
eine als Kloster getarnte Festung mit Bergfried und Wall - Blick. Abends werden wir von den Ortho doxen separiert. einen Spruch: „Wenn du eine Frau suchst, fahr nach
anlagen. Die eisenbeschlagenen Tore sollen Plün derer Als hätten wir Lepra. Eine interessante Erfahrung: Hier Kassandra. Wenn du eine Frau hast, fahr nach Sithonia.
auch von der Biblio thek mit ihren angeblich 804 Manu- sind wir nur Gäste zweiter Klasse, gerade geduldet. Im Und wenn deine Frau dich verlassen hat, fahr nach
s kripten fernhalten und ihren 4.000 gedruckten Zimmer entkorken wir dafür eine Fla sche Roten aus dem Athos.“ Je weiter wir uns entfernen, desto mehr schiebt
Büchern. Zu sehen bekommen wir sie nicht. Das Essen Klosterladen. Pappsüß. Dann reißen wir beide Fenster sich der heilige Berg in den Blick. Ein Koloss in blauem
ist karg, die Dusche temperiert. Schnell hat sich das auf. Ein Wildschwein macht sich über Essensreste des Dunst und versprengten Schneefeldern.
040 • AIT 10.2017