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SERIEN STUDENTENARBEIT • STUDENT WORK
der Kombination von fasrigen und porigen Materialanteilen ein leichter, potenziell zug-
Hochschule Frankfurt am Main wie druckfester und dämmender Strukturverbund. Wir haben dafür zunächst einen
passenden PU-Schaum genutzt, aber es wird ebenfalls an nachhaltigen Alternativen wie
www.frankfurt-university.de zum Beispiel der Kombination von Glasfasern und Glasschaum oder Zellulosefasern
1971 gegründet seit 2004 Frankfurt University of Applied Sciences und Holzschaum geforscht. Das Entwurfseminar hatte das Ziel, Abstandstextilien durch
13.500 Studierende in 4 Fachbereichen das Einbringen von selbst aushärtenden Schäumen als Verbundmaterial auf ihre kon-
struktiven und architektonischen Möglichkeiten zu untersuchen. Während der ersten
Semesterhälfte entstanden dazu 15 Pavillonkonzepte aus FabricFoam und schnell wurde
klar, dass der uns unbekannte Materialverbund andere Gestalteigenschaften hat als die
klassisch textile Membran-Architektur. Zum Entwurfs prozess gehörten Tests im Maßstab
1:1 im Umgang mit Schaum und Textilien, um die Materialeigenschaften genau zu
erforschen. Anhand dieser Charakteristika galt es, Gestaltungskonzepte zu entwickeln,
die nicht nur ästhetisch ansprechend, sondern zunächst einmal tragfähig und unter
unseren Versuchsbedingungen umsetzbar waren.
Tragwerks-Prinzip und Stabilität
Modellfoto • Photograph of model
Intensiver als bei konventionellen Baustoffen waren hier also experimentelle
Versuche auf der Maßstabsebene des Materials notwendig und wiederholt auf der
Entwurfsebene und im räumlichen Zusammenhang zu überprüfen. Es bildeten sich
schließlich drei Tragwerks-Prinzipien heraus. Gruppenweise und im Detail wurde das
Prinzip einer Faltung, einer Schalenstruktur und einer Kuppel bearbeitet, bevor die
Seminargruppe sich mehrheitlich zur Realisierung einer modularisierten Kuppel als
Prototyp und im Maßstab 1:1 entschied. Während der weiteren Test- und
Optimierungsphase wurden zahlreiche charakteristische Fügungsdetails für den bis-
lang unbekannten Material verbund entwickelt, immer unter Einbezug der zur
Realisierung später notwendigen Fertigungsschritte und Bauabläufe. Im großen Team
sind schließlich aus 30 Millimeter dicken Abstandstextilien zunächst offene, pyrami-
denförmige Module nach Schablone zugeschnitten, gefaltet, mittig zusammengenäht
Für die pyramidenförmigen Module wurden Schablonen geschnitten, ... • Templates were used to cut modules, ...
und umgestülpt worden. Ähnlich wie ein Hut erhalten sie so zusätzliche Stabilität. Die
Einzelteile wurden dann miteinander zusammengefügt, indem definierte Hohlräume
zwischen den Modulen im Abstandstextil ausgeschäumt wurden. Die Module des
Pavillons fügten sich schließlich beim Aufrichten aufgrund ihrer konisch zulaufenden
Form zu einem echten Gewölbe. Der Material verbund ist stabil, wärmedämmend,
schallabsorbierend und transluzent und lässt so einen Raum entstehen, der weich,
luftig und lichtdurchlässig ist. Aufgesetzt auf einen Sockel aus Holz, bildet sich ein
Raum mit Sitzgelegenheiten zum Treffen, Entspannen, Verweilen und Feiern. Der
Pavillon besticht nicht nur durch seine weichen Lichtspiele im Innenraum, sondern
dokumentiert auch im Maßstab 1:1, welche Möglichkeiten dem textilen Leichtbau mit
FabricFoam zukünftig offenstehen könnten. Das Frankfurter Forschungsinstitut (FFin)
arbeitet unter der Leitung von Professor Claudia Lüling an dem Ziel „Better than a
Tent“. Während Zelte klassisch aus Stangen und Planen bestehen und keinerlei kli-
matischen Komfort außer Schutz vor Regen und Wind bieten, versprechen die
Untersuchungen mit geschäumten Abstandstextilien Möglichkeiten für klimatisch
angepasste Notunterkünfte. Gedämmt und gleichzeitig über die integrierten
Schaumanteile stabilisiert, würde zudem ihr Aufbau vereinfacht und beschleunigt.
Experimentelle Loungemöbel
Im folgenden Semester haben wir die im Pavillonprojekt untersuchten alternativen
Tragprinzipien der Faltung und der Schale weiterentwickelt und zwei experimentelle
gefaltet, mittig zusammengenäht und umgestülpt. • ... which were then folded, and turned inside out.
Loungemöbel gebaut, die zusätzliche Anwendungsmöglichkeiten von FabricFoam
zeigen. Ein Loungemöbel wurde ähnlich einem Kokon nach dem Prinzip der Faltung
in Verbindung mit Abstandstextil und Schaum realisiert. Das zweite Loungemöbel
untersucht die Wirksamkeit des Verbundwerkstoffes als Schalentragwerk. Das ver-
wendete Abstandstextil wurde hier zum Schäumen vorkonfektioniert. So bilden rau-
tenförmig angeordnete Schaumkanäle eine bogenförmige Gitterschale, die einen
Lounge-Sitz für bis zu zwei Personen überspannt. Dem Prinzip der umgekehrten
Kettenlinie folgend, wurde das Textil hängend geschäumt und nach dem Aushärten
des Schaums beziehungsweise erreichter Tragfähigkeit der Bogenform umgedreht.
Aufgesetzt auf einen ergonomisch geformten Sitz, bietet die Schale die Möglichkeit
zum Rückzug in eine akustisch gedämpfte Atmosphäre und lädt zum Entspannen ein.
Das nächste Ziel der studentischen Forschungsgruppe ist es nun, mit dreidimensiona -
len geschäumten Textilien tragende und dämmende Leichtbauelemente für Wände
und Dächer zu entwickeln, die als Notunterkünfte dienen können.
066 • AIT 10.2016