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Premierenhaus. Daneben gibt es zahlreiche weitere Standorte – Berlin, Leipzig, Dresden,
             Lutherstadt  Wittenberg, Pforzheim. Demnächst kommen  Wien und Konstanz hinzu.
             Ich blicke gerne auf die vergangenen 20 Jahre in Leipzig zurück. Man hat sich ständig
             weiterentwickelt.  Das  ist  wirklich  schön.  Ich  habe  noch  viele  Themen,  die  ich  gerne
             umsetzen möchte. Im Panometer ist schon alles bis 2030 geplant.

             r Aktuell ist in Leipzig das Panorama „New York 9/11 – Krieg in Zeiten von Frieden“ zu
             sehen. Was erwartet die BesucherInnen dort?
             New  York 9/11  wird noch bis  zum Frühjahr 2024 in Leipzig  zu sehen sein. Auf das
             Thema kam ich unter anderem durch meine Mitarbeit am Architekturwettbewerb zum
             Wiederaufbau des World Trade Center, denn für Daniel Libeskinds Entwurf steuerte ich
             ein Panorama bei. Kurz nach den Anschlägen war ich in der Grube, wo zuvor die Twin
             Towers standen. Ich habe also eine persönliche Beziehung zu diesem Ort. Zehn Jahre
             später, es muss 2010 gewesen sein, wurde mir klar, was aus diesen Anschlägen geworden
             war. Unsere Antwort darauf war Gewalt in Form des sogenannten „Kriegs gegen den
             Terror“, der über eine Million Menschenleben forderte, ganze Landstriche verwüstete und                                  Foto: Tom Schulze; Copyright Asisi
             Hass für viele Generationen säte. Ich konnte nicht umhin, Fragen nach den Ursachen und
             Folgen dieser Gewalt zu stellen. Im Panorama kehren wir zum Ausgangspunkt zurück.
             Wenn wir an den 11. September denken, hat jeder sofort das Bild der Terroranschläge vor
             Augen. Aber genau das wollte ich nicht zeigen. Was wir sehen, ist ein Moment, der durch   Foto-Shooting mit Komparsen für das Völkerschlachtpanorama „Leipzig 1813“ (2012)
             seine Normalität fasziniert. Wir befinden uns in einer ganz banalen Straßenszene um 8.41
             Uhr am 11. September 2001 und sehen die noch heile Welt mit den Twin Towers. Im      Das Panometer Leipzig, das „Premierenhaus“ von Asisis Panoramen, feiert in diesem Jahr 20-jähriges Jubiläum.
             begleitenden Ausstellungsrundgang erzähle ich zuvor jedoch die Folgen der Anschläge, die
             Aufarbeitung des „Krieges gegen den Terror“ in Installationen, die hoffentlich ein Gefühl
             für diese Monstrosität schaffen. Alles zusammen ist mein persönliches Statement gegen
             die Kriege unserer Gegenwart und damit auch mein viertes Antikriegsprojekt.

             r Idee, Konzept, Technik, Poesie, Stimmung – so weit weg sind Ihre Panoramen gar
             nicht von der Architektur entfernt. Aber Sie scheinen viel freier zu sein ...
             Ja,  ich  kann  meine Themen  frei  wählen  und  bin  absolut  unabhängig  in  der  Art  der
             Umsetzung. Das können wahrscheinlich nicht viele Architekten von sich behaupten.  Aber
             ich habe einen Wunsch. Allerdings weiß ich nicht, ob ich ihn realisieren kann, denn er ist
             sehr, sehr komplex. Gern würde ich ein schon lange gehegtes architektonisches Thema
             umsetzen. Ich möchte eine Stadt in 200 Jahren zeigen. Aber nicht als die Dystopie, die heute
             so verbreitet ist, sondern als utopische Modellstadt, als absolut positives Zukunftsbild. Ich
             möchte eine Welt schaffen, in der man gern leben möchte, nicht als Traum oder Fantasterei,
             sondern auf der Basis unseres heutigen Wissens. Welche Entwicklung der Stadt als Ort des
             Zusammenlebens können wir uns vorstellen? Für diese positive Zukunftsvision kann ich
                                                                                                                                      Foto: Copyright Asisi
             mir auch gut vorstellen, wieder mit anderen Architekten zusammenzuarbeiten. Das wäre
             dann vielleicht mein Beitrag zur Zukunft der Architektur.
             M   r Asisi, you studied architecture at the TU Dresden in the 1970s and then painting   „New York 9/11 – Krieg in Zeiten von Frieden“: zu erleben im Panometer Leipzig bis Frühjahr 2024
                 at the HdK Berlin. When did you realize that you wanted to do something other
             than “classical building construction”?
             After my architecture studies I went to the USA relatively quickly and designed a townhouse
             on Riverside Drive and a country house in Connecticut for my cousin in New York. That
             was a good start for me as a young man, but not a lasting inspiration. I then ran the
             architectural firm Brand-Asisi-Böttcher with Andreas Brandt and Rudolf Böttcher. We had
             some successes, but even that wasn’t really meaningful to me. I have always been, let’s
             say, a “craft” person, wanted to draw and paint and had already taken part in exhibitions
             alongside my work as an architect. That I was fortunately able to make art my main
             profession was of course a longer process.

             r How did you finally discover “your subject”, the 360° panoramas?
             That was also a long path although, in retrospect, one has to say that it led almost inevitably
             to the panorama. This path began in my youth, when I always drew a lot. Even then I
             was concerned with illusionist aspects, with pantomime, conjuring and so on. Through
             baroque painting, illusionistic painting, I came across the first anamorphoses. I wanted to
             do that too! Distorting spaces that only develop their perspective effect from a very specific
             point. At that time, I already had a few exhibitions in Berlin and Frankfurt. Although I knew
                                            th
             that there were historical panoramas from the 19  century, I had not yet dealt with them. It                             Foto: Tom Schulze; Copyright Asisi
             was only when I took part in the exhibition Sehsucht at the Kunsthalle Bonn in 1993, which
             was devoted exclusively to the panorama, that it was clear to me that I wanted to work in

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