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Entwurf • Design Conen Sigl Architekt:Innen, CH-Zürich
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                                                                          Standort • Location Zukunftstraße 3-17, CH-Dübendorf
                                                                          Wohnfläche • Floor space 14.000 m 2
                                                                          Fotos • Photos Roman Keller, CH-Zürich
                                                                          Mehr Infos auf Seite • More infos on page 126





























             Auch der begrünte Innenhof schafft Raum für die Gemeinschaft. • The green inner courtyard also provides space.   Küche innerhalb der flexiblen Stützen-Platten-Struktur • Kitchen within the flexible column-slab structure




             ten müssen aktiv neue Rückzugsgebiete für Lebewesen erschlossen werden. Ziel ist es,   und tieferen Gebäudeteil des Hauptbaus sind größere Wohnungen angelegt. Im oberen,
             Räume zu schaffen, in denen Naturraum und gebauter Raum nebeneinander existieren   schmaleren Gebäudekörper befinden sich die kleineren Wohnungen. Im Flügelbau sind
             können. Die Diversifizierung von Außenräumen scheint uns wichtig, um einer Vielzahl   große Clusterwohnungen angeordnet, die von einer Stiftung gemietet werden, die die-
             von Pflanzen und Tieren Lebensorte zu bieten. Aktives Handeln ist bei der Förderung  sen Wohnraum Menschen mit Behinderungen zur Verfügung stellt. Im Kopfbau befinden
             von Biodiversität gefragt, insbesondere auch wegen der klimatischen Herausforderungen,   sich Einheiten, die sowohl zu gewerblichen Zwecken wie auch als Wohnräume nutzbar
             denen wir als Gesellschaft gegenüberstehen. Die Frage nach der Qualität des Lebens   sind. Das gesamte Projekt wurde als flexible Stützen-Platten-Struktur entwickelt. Die
             und den Wechselwirkungen zwischen lebenden und nicht-lebenden Dingen ist elemen-  Grundrisse wurden mit nicht-tragenden Wänden gestaltet, und im Erdgeschoss sind die
             tar, wenn wir über Raum sprechen. Wir sehen unsere Arbeit als Lebensraumgestaltung.   Räume mit großzügigen Raumhöhen entworfen, sodass sie sowohl als Gewerbe- als
             Architektur betrifft nicht nur den gebauten Raum. Es geht immer auch darum, einen   auch als Wohnräume genutzt werden können. Die Gebäudestruktur ermöglicht eine
             abstrakteren Raum zu verstehen und zu berücksichtigen – etwa den sozialen Raum. Der   langfristige Anpassbarkeit an die sich wandelnden Bedürfnisse.
             Austausch und die Verbindung vieler unterschiedlicher Ansichten und Lebensweisen ist
             wahrscheinlich die Grundlage für eine gerechtere und sozialere Welt. Sich darauf einzu-  Schwellenräume für Gartenbauaktivitäten und Veranstaltungen
             lassen, ist ein wichtiger Akt bei der Schaffung von Räumen. Inwieweit ist der gebaute
             Raum offen, um positive soziale Begegnungen zu schaffen? Wie kann gebauter Raum die   Ein weiterer essenzieller Teil sind die gemeinschaftlich genutzten Räume. Diese zielen
             Vielfalt fördern? Was sind die Schwellenräume zwischen öffentlich und privat – zwischen   darauf ab, eine Umgebung zu schaffen, in der die BewohnerInnen interagieren, zusam-
             innen und außen? Wie werden sie formuliert und gestaltet? Was bedeutet das Private   menarbeiten und ein Zugehörigkeitsgefühl entwickeln können. Wir betrachten diese
             und das Öffentliche für ein Gebäude und wie spiegelt es sich in einem Plan wider? Diese   Gemeinschaftsräume als Schwellenräume – Bereiche, die den Übergang von öffent-
             Fragen haben uns auch beim Projekt am Hochbord beschäftigt. Die räumliche Antwort   lich zu privat bilden und unterschiedliche Grade an Offenheit und Intimität bieten.
             wurde über viele Studien, Modelle und Gespräche erarbeitet.   Diese Schwellenräume sind Orte, an denen sich die BewohnerInnen einbringen und
                                                                          das Wohnumfeld mitgestalten können. Ein Hausverein, der sogenannte Hofrat, der
             Verglaste Gewächshausstrukturen und räumliche Diversität     für die Siedlung gegründet wurde, verwaltet und programmiert diese gemeinschaft-
                                                                          lichen Räume. Mit dem Konzept des „Non-Finito“ wurde versucht, gewisse Räume
             Drei Gebäudeformen umschließen einen gemeinschaftlichen Innenhof: ein vierstöcki-  im Planungsprozess nicht überzudefinieren, sondern Interpretationsspielraum in der
             ger, markanter Kopfbau, ein abgewinkelter dreistöckiger Flügelbau und ein neunstöcki-  Nutzung und Aneignung durch die Bewohnerschaft zuzulassen. Ein Beispiel dafür ist
             ges Hauptgebäude. Das Kopfgebäude ist leicht abgedreht, um einen klaren Zugang zum   die halböffentliche Dachterrasse des Flügelbaus, die über interne Treppenhäuser und
             Innenhof zu schaffen und die FußgängerInnen und RadfahrerInnen zu begrüßen, die   eine öffentliche Freitreppe vom Innenhof aus zugänglich ist. Auf dieser umlaufenden
             sich auf der Straße entlang der Bahnlinie bewegen. Der niedrigere und schmale Flügel-  Ebene können Nachbarschaftsveranstaltungen und gemeinsame Gartenbauaktivitäten
             bau begleitet die Bahngleise. Er schützt das Hauptgebäude vor dem Bahnlärm durch   stattfinden. Auf dieser Zwischenebene befinden sich auch Musikzimmer und zwei
             die auf dem Dach errichteten verglasten Gewächshausstrukturen. Diese bilden gleich-  sogenannte Flex-Zimmer, die von den BewohnerInnen zum Beispiel als Atelier oder
             zeitig den identitätsstiftenden Teil des Ortes, da sie an die Geschichte der Gärtnerei   Gästezimmer bespielt werden können. Diese Räume können individuell gebucht wer-
             erinnern. Ein wichtiger Bestandteil des Projekts sind die Wohnungen in diversen Lay-  den. Im Erdgeschoss sind jeweils die Stellen, an denen die FußgängerInnen ankom-
             outs und Größen. Die unterschiedlichen Typologien bieten ein vielfältiges Angebot an   men, mit öffentlichen und gemeinschaftlichen Nutzungen belegt. So wird der kleine
             Wohnformen und erlauben eine breite Durchmischung der Bewohnerschaft. Im unteren   Quartiersplatz im Süden von einer Gastronomie-Nutzung im Kopfbau und einer Werk-

                                                                                                                          AIT 7/8.2024  •  111
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