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WOHNEN • LIVING

































            APARTMENT 9

            IN BERLIN



            Entwurf • Design Bolles+Wilson, Münster; studio f1, Berlin


            In der Frobenstraße in Schöneberg entwarfen studio f1 das Interieur
            einer Wohnung, deren offener Grundriss sich über zwei Ebenen er-
            streckt. Sichtbeton trifft auf raumhohe Ahorn-Paneele und wehende
            Vorhänge. Askese wird hier mit Sinnlichkeit und viel Liebe zum Detail
            gepaart. Das Interieur entfacht ein Wechselspiel aus harten und wei-
            chen Elementen, aus mineralischer und pflanzlicher Materialität.



            von • by Norman Kietzmann, Berlin
            I n Berlin entstand ein Wohnhaus, das nicht nur mit seiner Farbigkeit – zur Straße dun-
              kelgrau, zur Hofseite rosa – aus der Reihe tanzt. Der Entwurf von Bolles+Wilson macht
            in seiner Fensteranordnung den inneren Aufbau lesbar. Drei Wohnungen offenbaren mit
            großen Studiofenstern, dass die standardisierte Deckenhöhe von 3,10 Metern mitunter
            angehoben wird. Auch Apartment Nummer 9 im vierten Obergeschoss ist als Maisonette
            angelegt. Deren Inneneinrichtung wurde von Jack Wilson und Chris Gieseke geplant, den
            Gründern von studio f1. In den Bauprozess waren die Berliner früh involviert. Schließlich
            stammt die Architektur von Jack Wilsons Eltern. Die 123 Quadratmeter Wohnfläche ver-
            teilen sich auf zwei Höhenebenen. Während die Decke auf einer Ebene durchläuft, ist
            der Boden im Wohnzimmer um 1,7 Meter abgesenkt, sodass eine lichte Raumhöhe von
            4,8 Metern entsteht. Beide Ebenen sind durch eine Betontreppe verbunden, die aus dem
            hellen Estrichboden herauszuwachsen scheint. Filigranes Metall setzt sich im Geländer
            als grafisches Zeichen ab. In die Brüstung der oberen Ebene sind Kastenmöbel mit Ahorn-
            furnier eingehängt, die – halb Schrank, halb Regal – zur Aufbewahrung und wirkungsvol-
            len Präsentation dienen. Bestückt werden die Möbel durch Schiebetüren an der Rück-
            seite. Dieselben Kästen sind auch in die Brüstung der L-förmigen Galerie eingelassen, die
            durch eine separate Treppe erschlossen wird. Fensterlaibungen aus Ahorn verleihen den
            Außenwänden Tiefe. Diese sind wie alle tragenden Wände aus Sichtbeton gearbeitet. In
            den offenen Grundriss sind zwei Einbauten aus hell pigmentierten Multiplex-Platten mit
            Ahornfurnier platziert. Der eine Korpus dient als Kinderzimmer, während eine markant
            abgerundete Ecke Stauraum verbirgt. In den raumhohen Durchgängen wirkt die Beton-
            decke beinahe wie eine Spiegelung des Bodens. Das zweite, freistehende Volumen
            nimmt Bad und WC auf. Rückseitig schließt sich die Küchenseite an. Die Materialität des
            Holzes setzt im Zusammenspiel mit raumhohen Leinenvorhänge ein sinnliches Korrektiv
            zur Schroffheit der Sichtbetondecke und des beheizten Estrichbodens, die die Wohn-
            räume wie eine Klammer einfassen. Es geht um die richtige Balance der Elemente.

            092 • AIT 7/8.2022
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