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WOHNEN • LIVING
JUNGGESELLEN-APARTMENT
IN MADRID
Entwurf • Design gon-architects, ES-Madrid + Ana Torres, ES-Madrid
Rebellisch, divers und kreativ sind die Attribute, die man gern mit
dem Stadtteil Malasaña im Norden Madrids verbindet. Die Atmo-
sphäre des Szeneviertels war der Ausgangspunkt für die Architekten
Gonzalo Pardo und Ana Torres, um in dichter Stadtlage einen far-
benfrohen Wohnungsumbau zu realisieren, der in seiner unkonven-
tionellen Art ganz auf die Person des Bauherrn zugeschnitten ist!
von • by Anna Katharina Göb
V on der Straße aus, mit ihrer kleinteiligen Blockrandbebauung, den alternierenden
Sandsteinfassaden und französischen Balkonen, lässt sich der Loft-Charakter der
neugestalteten 124 Quadratmeter großen Wohnung im dritten Obergeschoss kaum erah-
nen. Was man eigentlich hinter der typischen Madrider Fassade erwarten würde, ist eine
Vielzahl kleiner, oft nur über schmale und hohe Innenhöfe belichteter Räume, die sich
entlang eines dunklen und verwinkelten Flures erstrecken. Für Madrider Verhältnisse ist
das helle und offene Apartment, in dem alle Lebensbereiche – vom großen Wohnraum
über Ess- und Gästezimmer, Küche und Bad bis zum Schlaf- und Ankleidezimmer – naht-
los miteinander verbunden sind, also durchaus ungewöhnlich. Das war es auch, was
sich der Bauherr wünschte, als er die Architekten Gonzalo Pardo von gon-architects und
Ana Torres mit dem Umbau beauftragte. Der Bauherr ist Junggeselle und sichtbar nicht
an einer traditionellen Familienplanung interessiert. Was er stattdessen wollte, waren
helle und fließende Räu me mit Entfaltungsmöglichkeiten. Kein unkompliziertes Unter-
fangen! Das Architekten-Duo ließ die vorgefundene, kleinteilige Wohnung fast vollständig
entkernen. Tragende Wände wurden abgefangen und ehemals in den Wänden liegende
Holzstützen mit neuen Stahlstrukturen verstärkt. So öffneten Pardo und Torres die Woh-
nung bis in die Tiefe von 21 Metern. Das entstandene Kontinuum füllten sie anschließend
mit „Sequenzen und Szenographien des Lebens“, wie sie es selbst nennen – mit offenen
Bereichen zum Entspannen und Unterhalten, Arbeiten, Essen, Kochen und Schlafen. Raf-
finiert eingesetzte Farbfelder unterstreichen die einzelnen „Szenen“. Die Farbflächen sind
allerdings bewusst über Raumecken und -kanten geführt und überspielen damit – zu-
sammen Spiegelelementen und -flächen – die Grenzen zwischen den einzelnen Lebens-
bereichen. Selbst die konventionellste aller Trennlinien, die etwa einen „öffentlichen“
Flur vom „privaten“ Badezimmer trennt, wird durch halbtransparente Glaswände be-
wusst unterlaufen. Lediglich versteckte Schiebeelemente – etwa um das Gästezimmer ab-
zutrennen – gewähren bei Bedarf noch etwas Privatsphäre.
080 • AIT 7/8.2020