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WOHNEN  •  LIVING

































            AGRITURISMO LA DOLCE

            MELA IN CIAGO



            Entwurf • Design studio raro, IT-Trient


            Vor fünf Jahren modernisierten die Architekten Roberta Di Filippo und
            Roberto Salvischiani von studio raro ein kleines Agriturismo im nord-
            italienischen Valle dei Laghi. Nun entstanden auf dem Hof bei Trient
            zwei weitere Neubauten der Architekten – eine Erweiterung des Gäs -
            te betriebs sowie das neue Wohnhaus der Betreiberfamilie. Entstan-
            den ist ein stimmiges Ensemble, das dem langgestreckten Grundstück
            eine sinnvolle Struktur verleiht und eine feine Trennlinie zwischen
            dem Gästebereich und dem Lebensraum der Familie definiert.

            Five years ago, the architects Roberta Di Filippo and Roberto Salvi-
            schiani from studio raro modernized a small Agriturismo in Valle
            dei Laghi in northern Italy. On the farm located near Trento, two ad-
            ditional new buildings have now been designed by the architect –
            an extension to accommodate guests as well as the new home of
            the host family. The result is a harmonious ensemble which gives
            the elongated site a sensible structure and is also a subtle dividing
            line between the guest area and the living space of the family.



            von • by Dr. Uwe Bresan
            M    it Ferien auf dem Bauernhof hat das italienische Agriturismo-Konzept nur wenig
                 zu tun. Schon die Vorstellung, seinen wohlverdienten Urlaub in einem Landwirt-
            schaftsbetrieb zu verbringen und den Gastgebern quasi zur Entspannung bei Nutztier-
            pflege und Feldarbeit zur Hand zu gehen, muss auf Italiener sehr befremdlich bezie-
            hungsweise sehr deutsch wirken. Entsprechend meint Agriturismo, trotz seiner Herkunft
            von Agricoltura („Landwirtschaft“), eben etwas ganz anderes als deutscher Bauernhof-
            Aktivurlaub! Gleichwohl erfreut sich das italienische Gegenmodell seit den 1980er-Jahren
            auch und gerade unter deutschen Italienreisenden größter Beliebtheit. Damals begannen
            die Italiener – unterstützt von staatlichen Mitteln – ihre aufgelassenen  Bau ern höfe in
            kleine, familiär betriebene Herbergen zu verwandeln, inklusive authentischem Dolcefar-
            niente („süßes Nichtstun“). Dass Authentizität dabei nicht zwingend mit architektoni-
            scher Qualität einhergehen muss, weiß  allerdings jeder, der sich schon einmal als „Agri-
            tourist“ durch Italien bewegt hat. Nicht immer gelingt es dem herzlichen Charme der
            Gastgeber, der idyllischen Umgebung oder der Wirkung von Wein und Grappa, die ge-
            stalterischen Unbilden der jeweiligen Herberge vollends vergessen zu machen.  s

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