Page 165 - AIT0718_E-Paper
P. 165
3
Skizze zum Konzept,
bevor digital weitergeplant
wird: „Beim Hotelprojekt Amts- Fragen an
pforte in Stadthagen habe ich
mit dem Bauherrn über die Larissa Kadner
Handskizze sehr gut über ver-
schiedene Konzeptvarianten Innenarchitektin bdia
diskutieren können.“ Bayern
Digitalisierung bedeutet auch
die Erweiterung von Realitä-
ten. Ist Ihre reality schon digi-
Häufig wird mir die Frage gestellt, ob ich denn schrank erfordert inzwischen die Einbindung tally augmented?
mit einem digitalen Stift arbeite. Die Antwort mindestens eines Fachplaners. „Smart“ be- Nein, überhaupt nicht. Aller-
lautet: Nein, ich benutze noch ganz klassisch deutet in der Regel einen Aufpreis, der mit dem dings fände ich manchmal eine
Bleistift und Papier. Es gibt keine bessere Art, Bauherrn ausführlich besprochen sein will. Überlagerung der geplanten
eine noch nicht ausgereifte Idee Form werden Beim Smart Home von morgen geht es nicht Wirklichkeit mit der Wirklichkeit
zu lassen. Dabei ist die Übersetzung durch die mehr nur um den Komfort, den jeder Einzelne im Bestand schon hilfreich. So-
Hand manchmal so intuitiv, dass ich selbst per Touchpad steuern kann, sondern um ein wohl für den Kunden, als auch
vom Ergebnis meiner Zeichnungen überrascht lernendes System, das sich an individuelle Be- für uns Planer.
bin. Die digitalen Zeichenprogramme sind eine dürfnisse und Abläufe anpasst. Allerdings ist
enorme Erleichterung. Sie sparen Zeit, erlauben für die kontinuierliche Auswertung der Nutzer- Künstliche Intelligenz – sollten
extreme Präzision und ermöglichen einen daten eine komplexe Sensorik und natürlich wir über ein neue Ethik disku-
schnellen Vergleich verschiedener Varianten. auch digitalaffine Lebensweise vonnöten. tieren?
Alle Installationen und Geschosse können über- Das System hat Zugriff auf den Terminkalen- Ich denke nicht. Zwar ergeben
lagert und so auf Unstimmigkeiten untersucht der, die Kontakte und sogar den Gesundheits- sich aus der Artificial Intelli-
werden. Das einzige Manko ist die Inkompati- zustand der Bewohner, um assistiertes gence neue Herausforderungen
bilität der unterschiedlichen Programme. Wohnen bei pflegebedürftigen Personen an- und Fragen, aber diese sollten
bieten zu können. Eine Entwicklung, die ange- meiner Meinung nach mit den
Titelgrafik: Hotel zur Amtspforte in Stadthagen von Larissa Kadner, LAKA LAB, München. Foto: Henning Hattendorf
Ein weiterer Aspekt aktuell vorhandener, aber sichts des demografischen Wandels un- gleichen humanen Prinzipien
noch nicht vollständig ausgereizter technischer vermeidbar zu sein scheint und außerdem ein beantwortet werden können,
Möglichkeiten ist das dreidimensionale Zeich- unabhängiges Leben in vertrauter Umgebung die unser Handeln jetzt schon
nen. Viele Zeichenprogramme unterstützen die auch für Hilfsbedürftige ermöglicht, aber leiten.
Erstellung von 3-D-Modellen und ermöglichen einen Grad an Transparenz erfordert, der im
somit auch das Generieren von Schnitten und Hinblick auf Datenschutz große Fragen auf- Was wünschen Sie sich ange-
Ansichten auf Knopfdruck. wirft. sichts des steigenden Komple-
Bis ins letzte Detail ausgearbeitete Hochglanz- xitätsgrads für die Zukunft
renderings sind jedoch mit Vorsicht zu verwen- Aber was bedeuten diese Entwicklungen kon- des Berufstands?
den. Denn wenn die virtuellen Blumen in der kret für die Innenarchitektur? Wie werden sol- Eine wachsende Komplexität
Vase bei einer Kundenpräsentation nicht gefal- che Projekte geplant? Werden zwei- kann man nur mit dem ent-
len, wirkt sich das als Minuspunkt für die ge- dimensionale Pläne irgendwann wirklich passé sprechenden Wissen beherr-
samte Planung aus. Ein Grund, warum ich sein? Wie werden die entsprechenden Techno- schen. Daher glaube ich, ist
inzwischen wieder bei den echten Handskizzen logien aussehen und wie lassen sich von An- sowohl das entsprechende Bil-
angekommen bin. Die „künstlerische“ Arbeit fang an alle möglichen, zukünftigen Kontroll-, dungs- bzw. Weiterbildungsan-
wird von Kunden honoriert, und sie verstehen Steuer- und Gerätekomponenten in die Pla- gebot grundlegend als auch
die Darstellung leichter als einen Entwurf, als nung einbeziehen? Welche Materialien werden eine engere und transparentere
Phase und Schritt eines Prozesses. Wir sollten hierfür zum Einsatz kommen? Verknüpfung mit den anderen
die Fantasie unserer Kunden anregen und das Vielleicht hat hier die Innenarchitektur eine Planern.
Erfahren der Haptik der eingesetzten Materia- ausgleichende Aufgabe: Je digitaler unser Le-
lien mit echten Materialmustern ermöglichen. bensumfeld wird, desto mehr müssen unsere
Der Prozess des Realwerdens einer Zeichnung eigenen vier Wände authentisch sein. Je mehr
ist außerdem viel spannender als die Feststel- unser Alltag virtuell und global stattfindet,
lung, dass die Realität nicht immer ganz der desto greifbarer und konzentrierter muss un-
virtuellen Welt entsprechen kann. sere Umgebung sein. Visuelle Ruhe und fühl-
bare Echtheit sind dann erst recht die
Die Digitalisierung der Umgebung, die wir ent- notwendigen Zutaten unserer Designkonzepte.
werfen, bringt wiederum ganz andere Heraus-
forderungen mit sich. Denn die Planung der Larissa Kadner, Innenarchitektin bdia, LAKA
Steuerung von Raumtemperatur, Belüftung, LAB, München
Beleuchtung, Alarmanlagen und Türverriege- Der Artikel erschien ungekürzt im bdia Hand-
lungen bis hin zum smarten Kühl- oder Wein- buch Innenarchitektur 2018/19.
AIT 7/8.2018 • 165