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BAR HOTEL RESTAURANT

































            RESTAURANT OKYU

            IN STUTTGART



            Entwurf • Design Studio Komo, Stuttgart


            Setchūyō ist ein eklektischer Architekturstil, der in Japan während
            der Muromachi-Zeit aus der Verschmelzung dreier vorhergehender
            Stile entstand. Was als alte Tradition gilt, hat Studio Komo nun wie-
            der aufgegriffen: Für das Stuttgarter Restaurant Ōkyū interpretierten
            sie klassische Elemente der Tempelarchitektur neu und passten sie
            den Bedürfnissen einer gehobenen Erlebnisgastronomie an.



            von • by Janina Poesch, Stuttgart
            F     ür Betreiber Phuc Nguyen Duc ist das Ōkyū das dritte japanische Restaurant in Stutt-
               gart. Als er von den Sanierungsplänen der Piëch Holding in der denkmalgeschützten
            Calwer Passage erfuhr, war er auf Anhieb begeistert: Die erstklassige Lage im Herzen der
            Stadt und die Architektur des zukunftsorientierten Gebäudes mit begrünter Fassade sowie
            nachhaltigem Konzept überzeugten ihn sofort. Es musste „nur“ noch ein Partner für die
            Gestaltung des „königlichen Palasts“ (Ōkyū) gefunden werden. Als Boutique-Agentur für
            Innenarchitektur war Studio Komo, das sich selbst als „leidenschaftliche Möglichmacher“
            bezeichnet, geradezu prädestiniert. Und so prägt ihre außerordentliche Liebe zum Detail
            nun in der Tat den gesamten Gastraum, der sich in verschiedene Bereiche gliedert: den
            Hof (Basho), den Garten (Kōen), den Brunnen (Funsui), die Küche (Kitchin) und das Ba-
            dehaus (Yokujō). Diese historischen Referenzen wurden an die heutige Zeit angepasst,
            sind aber durchaus spürbar. Ergänzt werden sie durch weitere Einflüsse der japanischen
            Kultur: Traditionelle japanische Leinenvorhänge (Noren) inszenieren die Decke, und Kurz-
            gedichte mit maximal 17 Silben (Haikus) zieren an unerwarteten Stellen die Wände. Um
            die tempelartigen Blickbeziehungen zu verstärken, ist der Grundriss axial ausgerichtet –
            wobei ein roter Punkt am Ende des Restaurants die Längsachse betont. Besonders prä-
            gnant für den teilweise fünf Meter hohen Raum sind die Formsteinwände: Mit einer roten
            Keramikglasur überzogen, bilden sie vor einer roten Spiegelfläche den perfekten Gegen-
            pol zu den grünen Keramikfliesen, dem dunkelgrünen Terrazzo an Wänden, Boden und
            Möbeln sowie zu dem hellgrünen Bouclé-Stoff der Sitznischen. Gefasst wird der span-
            nungsreiche Komplementärkontrast durch schwarze Decken und Bodenbeläge, eine
            schwarze Theke sowie schwarze Stühle, die an eigens angefertigten Tischen stehen: Ihre
            Oberfläche besteht aus Rattan, dessen Kapillaren mit roter Farbe gefüllt wurden und eine
            einzigartige Anmutung erzeugen, die wiederrum von einem roten Kreis durchbrochen
            wird: Er ist nicht nur eine grafische Anspielung auf die japanische Flagge, sondern mar-
            kiert selbstbewusst den Punkt, an dem das feine Essen am besten zur Geltung kommt.

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