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BAR HOTEL RESTAURANT

































            TAGESLOKAL KYOTO WAND

            IN KYOTO



            Entwurf • Design Coil Kazuteru Matsumura, JP-Osaka


            Als Wand bezeichnet man im Japanischen eine ruhige Bucht, einen
            ruhigen Platz am Ufer, etwas abseits vom vorbeiziehenden Strom. Ein
            Sinnbild für einen Ort, an den Menschen ankommen, verweilen und
            ihn nach einer stärkenden Pause wieder verlassen. Für den Architek-
            ten Kazuteru Matsumura ein inspirierendes Bild, das er in die Räum-
            lichkeiten des Tageslokals Kyoto Wand in Kyoto übertrug.



            von • by Theresa Hütte
            U   nweit der Kiyomizu Gojo Station in Kyoto liegt das Kyoto Wand. Am Rande der ehe-
                maligen japanischen Hauptstadt finden Reisende das Lokal in einem traditionell ja-
            panischen Stadthaus – einem Machiya. Ein perfektes Ziel für Tagesausflügler, denn die
            Stadt, die seit 1994 zum Unesco-Kulturerbe gehört, hat einige Attraktionen zu bieten.
            Neben buddhistischen Tempeln, Gärten, Palästen und traditionellen Holzhäusern lädt
            die Naturnähe zum Wandern ein. Für eben jene Tagesgäste möchte das Kyoto Wand ein
            Ausgangspunkt sein, denn hier gibt es neben kulinarischer Verpflegung ebenso Dusch-
            räume und Schließfächer. So können Besucher nach einer Wanderung noch einen klei-
            nen Ausflug in die Stadt unternehmen. Und noch etwas unterstreicht das ungewöhnliche
            Konzept: Abgerechnet wird nach der Zeit, die Besucher und Besucherinnen in dem Café
            verbringen. Als die Inhaber des Kyoto Wand auf den Architekten Kazuteru Matsumura
            zukamen, war die ursprüngliche Struktur des Stadthauses kaum noch zu erkennen. Mit
            einer grundlegenden Sanierung sollte das Gebäude technisch auf den neuesten Stand
            gebracht werden und zugleich ein Gleichgewicht aus Historie und Gegenwart schaffen.
            Mit viel Feingefühl erhielt die Fassade ein neues Antlitz und nimmt Verbindungen zu den
            Nachbarhäusern auf, während der Innenraum bis auf seine Grundstrukturen freigelegt
            wurde. Die nun eingebettete Gliederung entspricht der neuen Nutzung. Das Herzstück
            bildet der Verkaufstresen. Die Künstlerin Yuko Yamamoto gab den Holzpaneelen eine in-
            digofarbene Tönung in unterschiedlichen Schattierungen, die sich wie ein Mosaik zusam-
            menfügen. Zusammen mit dem Tresen, dessen ungewöhnliche changierende Oberfläche
            aus Washipapier besteht, und der Rückwand aus beschichtetem Chromstahlblech ergibt
            sich eine spannungsreiche Collage, die das Element Wasser in all seinen Facetten reflek-
            tiert. Ein massiver Kastanienstamm, entlang der bodentiefen Fensterfront angebracht,
            wird zu einer langen Sitzbank. Bei geöffneten Fenstern können sich die Besucher der Ter-
            rasse zuwenden. Ein Treffpunkt, ähnlich einer Bucht am Fluss, an dem die Menschen der
            Stadt vorbeiströmen und innehalten, bevor sie weiterziehen.

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