Page 147 - AIT0622_E-Paper
P. 147
Titel: Wochenendhaus Plan B Eifel, Neubau eines Wochenend- und Feriendomizils. Monika Lepel, Innenarchitektin bdia. Büro: Lepel & Lepel, Köln. Foto: HGEsch. Portraitbild: Bettina Malik
Als ich mich entschloss, selbstständig zu Ich wehre mich ganz entschieden gegen die Am Ende führt immer der, der kann.
sein, hatte ich nicht die leiseste Ahnung, Vorstellung, dass Frauen nur dort nach Oder die.
wohin die Reise geht. Aber ich wollte gestal- vorne kommen können, wo sich eine Lücke
ten. Neues entwerfen. Visionen umsetzen. auftut oder wo man sie in irgendeiner Form Aus meiner Erfahrung kann ich auch ein
In meinem ersten Job als einzige Innenar- speziell fördert. Kreativität und schöpferi- ausdrückliches Plädoyer halten für Verant-
chitektin in einem großen Architekturbüro sche Kraft werden dort mächtig, wo Men- wortung in Teilzeit. Ich kann nicht erken-
direkt nach dem Studium war ich in einer schen sich selbst etwas zutrauen. Aus- nen, dass die Bereitschaft, Verantwortung
Art Dienstleisterrolle. Viele Projekte liefen gestattet mit dem festen Willen, die Extra- zu übernehmen, durch eine Teilzeitlösung
über meinen Tisch, aber kreativ konnte ich meile zu gehen, Stress auszuhalten oder das verschwindet. Im Gegenteil: Besonders fo-
mich nicht verwirklichen. Mein Bild von In- richtige Momentum für sich zu nutzen. Das kussiertes Arbeiten, Kommunikationsfähig-
nenarchitektur war –und ist! –ein größeres. sind die Personen, die besonders herausra- keit und Zielorientierung erlebe ich vor
Die ideale Vorstellung von Schönheit und gen. Und das hat aus meiner Sicht weniger allem bei den Personen, die auch anderen
Lebensqualität. Geprägt von Professorin mit dem Geschlecht zu tun als mit der per- Herausforderungen in ihrem Leben mit Um-
Ellen Birkelbach als starke Entwerferin. sönlichen Prägung. sicht begegnen. Die erste Person, die in un-
„Das Studium des Wohnens ist vor allem das serem Unternehmen Elternzeit nahm, war
Studium der wahren Bedürfnisse des Men- Mut beginnt mit einem klaren Blick auf die übrigens ein Mann. Beruf und Familie zu
schen“, war ihr Credo. Und sie setzte alles Herausforderungen. vereinbaren, ist uns ein Anliegen und gesell-
daran, ihre Entwurfsansätze Wirklichkeit schaftliche Verpflichtung.
werden zu lassen. Widerständen ihrer – zu- Bauen ist ein hartes Geschäft, das reicht bis
meist männlichen – Kunden begegnete sie in die Innenarchitektur. Bin ich bereit, einen Gegen eine spezifische Frauenförderung in
geistreich, mit Charme und mit einer gera- Marathon zu laufen, oder bin ich der Kurz- der Architekturbranche wende ich mich
dezu professionellen Raffinesse. strecken-Typ? Es gilt, die eigenen, ge- dennoch ausdrücklich. In einem Berufsbild,
schlechtsunabhängigen Stärken wahrzu- in dem das Erkunden und Beschreiten neuer
Überraschend war ihre Haltung in der Fa- nehmen und zu nutzen. Ja, die Familien- und durchaus auch schwieriger Wege zum
milienfrage: „Kinder …", sagte sie, „… Ihr frage muss unbedingt geklärt sein. Doch zentralen Aufgabengebiet gehört, braucht
müsst euch entscheiden – Familie oder wer als Frau zu Hause bleibt, nur weil der man Power. Und die hat man oder man hat
Beruf.“ Ich habe das nie richtig ernst ge- Mann mehr verdient, hat bei der Berufs- sie nicht. Am Ende führt immer der, der
nommen. Die Diskussion um die Beteiligung wahl nicht aufgepasst. Die gesellschaftli- kann. Egal, ob sie oder er.
von Frauen in Führungspositionen macht chen Rahmenbedingungen für Frauen in
mich auch heute noch oft sprachlos. der Innenarchitektur und Architektur sind
heutzutage hervorragend, das Thema Frau
Individuelle Stärken sind keine und Gleichberechtigung wird thematisiert.
Geschlechterfrage. Wer will, hat alle Möglichkeiten. Und das ist
gleichzeitig auch der springende Punkt: Das
Bei einer Veranstaltung der Industrie- und nachhaltige Wollen ist das Schwierige, da
Handelskammer ging es um die Frage, wie es auch mit Opfern verbunden ist.
Frauen im Beruf bessere Positionen errei-
chen können. Glorreich wurde in Aussicht Ich würde lügen, würde ich in Abrede stel-
gestellt, dass Männer, die sich ja nun auch len, dass es unendlich viel Energie kostet,
vermehrt der Erziehung der Kinder oder der sich in der Branche zu behaupten. Als In-
Pflege von Elternteilen widmen, den Platz nenarchitektin bin ich nicht nur leiden-
frei machen für gute Positionen. schaftliche Gestalterin. Ich bin auch
Ingenieurin und Beraterin. Unternehmerin,
Das ist für mich eine Bankrotterklärung! Die Arbeitgeberin, Coach. Egal, ob Mann oder
Diskussion erinnert mich an das Narrativ Frau – wer auf der Bühne bestehen will,
der Trümmerfrauen nach dem Zweiten muss sich committen, Verantwortung
Weltkrieg. Wenn die Männer nicht da sind, übernehmen, den beruflichen Entwurf im
dann machen wir eben weiter… Diese Frage wahrsten Sinne auch zum Lebensentwurf
stellt sich mir überhaupt nicht, meine machen. Monika Lepel, Innenarchitektin bdia, führt ihr eigenes
Büro Lepel & Lepel in Köln zusammen mit ihrem Ehe-
Damen und Herren! mann und Partner Reinhard Lepel.
AIT 6.2022 • 147