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Titel: Wochenendhaus Plan B Eifel, Neubau eines Wochenend- und Feriendomizils. Monika Lepel, Innenarchitektin bdia. Büro: Lepel & Lepel, Köln. Foto: HGEsch. Portraitbild: Bettina Malik

                        Als ich mich entschloss, selbstständig zu  Ich wehre mich ganz entschieden gegen die  Am Ende führt immer der, der kann.
                        sein, hatte ich nicht die leiseste Ahnung,  Vorstellung, dass Frauen nur dort nach  Oder die.
                        wohin die Reise geht. Aber ich wollte gestal-  vorne kommen können, wo sich eine Lücke
                        ten. Neues entwerfen. Visionen umsetzen.  auftut oder wo man sie in irgendeiner Form  Aus meiner Erfahrung kann ich auch ein
                        In meinem ersten Job als einzige Innenar-  speziell fördert. Kreativität und schöpferi-  ausdrückliches Plädoyer halten für Verant-
                        chitektin in einem großen Architekturbüro  sche Kraft werden dort mächtig, wo Men-  wortung in Teilzeit. Ich kann nicht erken-
                        direkt nach dem Studium war ich in einer  schen sich selbst etwas zutrauen. Aus-  nen, dass die Bereitschaft, Verantwortung
                        Art Dienstleisterrolle. Viele Projekte liefen  gestattet mit dem festen Willen, die Extra-  zu übernehmen, durch eine Teilzeitlösung
                        über meinen Tisch, aber kreativ konnte ich  meile zu gehen, Stress auszuhalten oder das  verschwindet. Im Gegenteil: Besonders fo-
                        mich nicht verwirklichen. Mein Bild von In-  richtige Momentum für sich zu nutzen. Das  kussiertes Arbeiten, Kommunikationsfähig-
                        nenarchitektur war –und ist! –ein größeres.  sind die Personen, die besonders herausra-  keit und Zielorientierung erlebe ich vor
                        Die ideale Vorstellung von Schönheit und  gen. Und das hat aus meiner Sicht weniger  allem bei den Personen, die auch anderen
                        Lebensqualität. Geprägt von Professorin  mit dem Geschlecht zu tun als mit der per-  Herausforderungen in ihrem Leben mit Um-
                        Ellen Birkelbach als starke Entwerferin.  sönlichen Prägung.             sicht begegnen. Die erste Person, die in un-
                        „Das Studium des Wohnens ist vor allem das                               serem Unternehmen Elternzeit nahm, war
                        Studium der wahren Bedürfnisse des Men-  Mut beginnt mit einem klaren Blick auf die  übrigens ein Mann. Beruf und Familie zu
                        schen“, war ihr Credo. Und sie setzte alles  Herausforderungen.          vereinbaren, ist uns ein Anliegen und gesell-
                        daran, ihre Entwurfsansätze Wirklichkeit                                 schaftliche Verpflichtung.
                        werden zu lassen. Widerständen ihrer – zu-  Bauen ist ein hartes Geschäft, das reicht bis
                        meist männlichen – Kunden begegnete sie  in die Innenarchitektur. Bin ich bereit, einen  Gegen eine spezifische Frauenförderung in
                        geistreich, mit Charme und mit einer gera-  Marathon zu laufen, oder bin ich der Kurz-  der Architekturbranche wende ich mich
                        dezu professionellen Raffinesse.     strecken-Typ? Es gilt, die eigenen, ge-  dennoch ausdrücklich. In einem Berufsbild,
                                                             schlechtsunabhängigen Stärken wahrzu-  in dem das Erkunden und Beschreiten neuer
                        Überraschend war ihre Haltung in der Fa-  nehmen und zu nutzen. Ja, die Familien-  und durchaus auch schwieriger Wege zum
                        milienfrage: „Kinder …", sagte sie, „… Ihr  frage muss unbedingt geklärt sein. Doch  zentralen Aufgabengebiet gehört, braucht
                        müsst euch entscheiden – Familie oder  wer als Frau zu Hause bleibt, nur weil der  man Power. Und die hat man oder man hat
                        Beruf.“ Ich habe das nie richtig ernst ge-  Mann mehr verdient, hat bei der Berufs-  sie nicht. Am Ende führt immer der, der
                        nommen. Die Diskussion um die Beteiligung  wahl nicht aufgepasst. Die gesellschaftli-  kann. Egal, ob sie oder er.
                        von Frauen in Führungspositionen macht  chen Rahmenbedingungen für Frauen in
                        mich auch heute noch oft sprachlos.  der Innenarchitektur und Architektur sind
                                                             heutzutage hervorragend, das Thema Frau
                        Individuelle Stärken sind keine      und Gleichberechtigung wird thematisiert.
                        Geschlechterfrage.                   Wer will, hat alle Möglichkeiten. Und das ist
                                                             gleichzeitig auch der springende Punkt: Das
                        Bei einer Veranstaltung der Industrie- und  nachhaltige Wollen ist das Schwierige, da
                        Handelskammer ging es um die Frage, wie  es auch mit Opfern verbunden ist.
                        Frauen im Beruf bessere Positionen errei-
                        chen können. Glorreich wurde in Aussicht  Ich würde lügen, würde ich in Abrede stel-
                        gestellt, dass Männer, die sich ja nun auch  len, dass es unendlich viel Energie kostet,
                        vermehrt der Erziehung der Kinder oder der  sich in der Branche zu behaupten. Als In-
                        Pflege von Elternteilen widmen, den Platz  nenarchitektin bin ich nicht nur leiden-
                        frei machen für gute Positionen.     schaftliche Gestalterin. Ich bin auch
                                                             Ingenieurin und Beraterin. Unternehmerin,
                        Das ist für mich eine Bankrotterklärung! Die  Arbeitgeberin, Coach. Egal, ob Mann oder
                        Diskussion erinnert mich an das Narrativ  Frau – wer auf der Bühne bestehen will,
                        der Trümmerfrauen nach dem Zweiten   muss sich committen, Verantwortung
                        Weltkrieg. Wenn die Männer nicht da sind,  übernehmen, den beruflichen Entwurf im
                        dann machen wir eben weiter… Diese Frage  wahrsten Sinne auch zum Lebensentwurf
                        stellt sich mir überhaupt nicht, meine  machen.                          Monika Lepel, Innenarchitektin bdia, führt ihr eigenes
                                                                                                 Büro Lepel & Lepel in Köln zusammen mit ihrem Ehe-
                        Damen und Herren!                                                        mann und Partner Reinhard Lepel.

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