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BAR HOTEL RESTAURANT
CAPSULE HOTEL °C SAUNA +
SLEEP IN TOKYO
Entwurf • Design Schemata Architects, JP-Tokyo
Kapselhotels sind etwas sehr Japanisches – das erste eröffnete 1979
in Osaka. Vor allem Geschäftsreisende nutzen die mit kleinen Schlaf-
kapseln ausgestatteten Herbergen, manchmal auch nur für eine kurze
Ruhepause, um in den großen Städten günstig zu übernachten. Sche-
mata Architects haben in Tokio ein bereits in die Jahre gekommenes
Haus saniert und es dabei ausgesprochen zeitgemäß interpretiert.
von • by Sabine Marinescu
D ie Lage ist nicht ganz ungewöhnlich für ein Kapselhotel: °C sauna + sleep findet sich
neben dem östlichen Ausgang der Gotanda Station in Shinagawa in Tokio, nahe
dem Rotlichtviertel und ist – auch nicht ungewöhnlich – nur Männern vorbehalten. Doch
hat das neu gestaltete Haus nichts Anrüchiges. Ungewöhnlich ist lediglich, auch für den
Betreiber 9 hours, dass ein bestehendes Haus renoviert und kein neues gebaut wurde.
Zunächst wurde das achtgeschossige ehemalige Hotel Shibuya entkernt. Diese Maß-
nahme brachte eine, so Jo Nagasaka, höhlenartige Struktur hervor, die der Architekt mit
seinem Team als Grundlage für seinen Entwurf nutzte. Integriert in die dadurch freige-
legten und im Anschluss roh belassenen Wände, blieben die beigefarbenen Schlafkap-
seln aus Fiberglas als Reminiszenz an das alte Haus bestehen. Die entstandene massive
Betonoptik der Verkehrsflächen und das leicht angestaubte Aussehen der Schlafplätze
bilden in der Kombination eine außergewöhnliche und dabei stimmige Gesamtinszenie-
rung, die auf unaufgeregte Weise zeitgemäße, reduzierte Oberflächen mit Retro-Details
zu verbinden weiß. Im Untergeschoss wurde mehr Hand angelegt: Das ehemalige öffent-
liche Bad bietet mittlerweile eine moderne Saunalandschaft mit Duschraum, dessen un-
terschiedliche Hitzestufen durch die Stufen im Fußboden voneinander getrennt sind. In
einem lang gezogenen Raum befindet sich die Holzsauna, die durch einen vom Boden
bis zur Wand und Decke vollständig mit transparenten Kunststoffplatten ausgekleideten
Bereich mit den Duschen verbunden wird. Außer durch Spinde aus Metall oder Aufbe-
wahrungsmöglichkeiten aus Industrie-Boxen besticht die Sanitärfläche jedoch vor allem
durch die angewandte Raumgrafik. Icons zur Erklärung der Sauna-Funktionen sowie die
Kennzeichnung der jeweiligen Temperaturzonen in Grad Celsius auf Grundrissen und La-
gepläne, angebracht auf den Betonwänden, machen eine Orientierung und Nutzung der
Räumlichkeiten auch jenseits von Sprachbarrieren einfach – und erklären gleichzeitig die
Namensgebung des Hotels. So ist im Herzen der Metropole Tokio ein ganz ungewöhnli-
ches Hotel entstanden, das die Kapselhotels sicher ins 21. Jahrhundert katapultiert.
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