Page 181 - AIT0618_E-Paper
P. 181

Entwurf • Design Planungsbüro i21, Rüdesheim
                                     Heiko Gruber                                                 Bauherr • Client Gastronomenehepaar Buchholz, Guldental
                                                                                                  Standort • Location Hauptstraße 4, Guldental
                                     1969 in Bad Kreuznach geboren 1992–1995 Studium der Rechtswissenschaften 1995–2000 Studium der  Nutzfläche • Floor space 220 m 2
                                     Innenarchitektur an der Hochschule Mainz  2000–2002 Arbeit als Freiberufler  2002  Gründung des  Fotos • Photos Christof Mattes, Wiesbaden
                                     Planungsbüros i21 in Rüdesheim 2010 Gründung von „dasLichtlabor“ als Lichtplaner/Lichtgestalter   Mehr Infos auf Seite • More infos on page 184






























                Moderne Beleuchtung ergänzt das Bestandsgebäude. • Modern lighting complements the existing building.  Dezente Möblierung vermittelt einen skulpturalen Eindruck. • Subtle furnishings convey a sculptural impression.



                E  in besonderes Zusammenspiel zwischen ländlichem Bestand und moderner Form-  Einschmutzen  des  weißen  Baukörpers.  Der  Grundriss  zeigt,  wie  sich  der  Baukörper
                                                                              sowohl außen als auch innen mit der bestehenden Bausubstanz  verbindet. Der
                   sprache zeichnet diese Eventlocation im rheinland-pfälzischen Guldental aus. Die be-
                wusste Darstellung und Inszenierung der Gegensätzlichkeit war von Beginn an Wunsch  Innenausbau des  Weißen Hauses erfolgte dabei beinahe in klassischer  Weise im
                der Bauherren, welche bereits seit 2010 in dem angrenzenden Landhaus Kochkurse anbie-  Trockenbau mit abgehängten und vorgesetzten Elementen.
                ten und ausrichten. Dieses Angebot sollte nun für Hochzeits– und Familienfeiern erweitert
                werden und Firmen für teambildende Events dienen. Das ehemalige Haupt– und Wirt-  Kreative Details komplettieren das neue Gesamtbild
                schaftsgebäude des Anwesens, welches in früheren Zeiten als Scheune und Pferdestall
                genutzt wurde, war somit Ausgangspunkt für die Idee, eine Eventlocation neu und beson-  Die neue Lüftungsanlage wurde in die Beleuchtungsschlitze integriert und verschwindet
                ders zu denken und zu gestalten. Schnell wurde dabei klar, dass der Platz für die notwen-  damit aus dem direkten Sichtbereich, wodurch zusätzliche Ablenkungen vermieden wer-
                digen Funktionsbereiche nicht ausreicht, sodass eine angemessene Erweiterung geschaf-  den. Die abgehängte Decke löst somit verschiedene Aufgaben und bleibt trotzdem ruhiges
                fen werden musste, die dem Gebäude zugleich einen modernen Charakter einhaucht. Da  Gestaltungselement. In gleichem Maße war es wichtig, den Boden dezent und ruhig zu
                die Scheune durch angrenzende Hof– und Gartenflächen sowie Bestandsge-bäudeteile  halten, damit dieser nicht im Fokus der räumlichen Betrachtung liegt. Seine Ausführung
                umschlossen ist, konnte die Erweiterung nur seitlich in eine Richtung erfolgen.  erfolgte als fugenlose Zementspachtelung, die einen homogenen Farbton und gleichsam
                                                                              eine dezente Strukturierung aufweist. Da Eichenholz auch im Bau der Scheune seinen Ein-
                Die ehemalige Scheune erhält einen modernen Partner           satz fand, wurde es als einziges zusätzliches Material bewusst und reduziert für die Raum-
                                                                              gestaltung des Neubaus verwendet. Ein Sideboard mit Türen wurde mit falschen Fugen
                Die Giebelwand der Scheune wurde größtmöglich geöffnet, um an dieser Stelle den neuen  versehen, um den ahnungslosen Betrachter am Erkennen der eigentlichen Bedienelemen-
                Gebäudekörper einzufügen, der die bestehende Struktur umspielt, durchdringt und sich  te zu hindern und damit ein unbefugtes Öffnen zu vermeiden. Dadurch entfällt die not-
                mit ihr verbindet. Die Tatsache, dass die Baumaterialien des Bestandes, wie das histori-  wendige Abschließbarkeit und erlaubt zugleich eine homogene Möbelfläche. Etwas auf-
                sche Ziegelmauerwerk und die sichtbaren Holzkonstruktionen im Decken– und Stützen-  wendiger gestaltete sich der Ausbau der Scheune, da der alte Boden für die neue Fuß-
                bereich, einen charakteristischen Schwerpunkt bilden, bestimmte die Notwendigkeit eines  bodenheizung mit Oberbelag komplett ausgegraben werden musste. Auch der Wunsch,
                modernen und ruhigen Neubaus mit feiner und luftig–leichter Polarität. Die Gestaltung des  die sichtbare Balkenkonstruktion zu erhalten, bedingte eine Isolierung und gleichsam eine
                Innen– und Außenraumes in fast jungfräulichem Weiß sollte der maskulinen dunklen  Optimierung des Dachstuhls für die neue Aufnahme der notwendigen Leitungen. Darüber
                Farbgebung der Scheune gegenüberstehen und eine beruhigende  Wirkung entfalten.  hinaus erfolgte eine Freilegung des gesamten Mauerwerks, bei der die Fugen in mühevol-
                Mithilfe einer Schiebeanlage lässt sich die große Fensterfläche des Neubaus öffnen und  ler Arbeit ausgekratzt wurden. Das alte Fugenmaterial diente dabei als Hauptbestandteil
                die Räumlichkeit mit dem angrenzenden Außenraum erweitern. In Kombination mit den  der späteren Neu-Verfugung. Auch die Steine aus dem vorhergehenden Durchbruch fan-
                rahmenlosen Festverglasungen und einem versteckten flächenbündigen Dachfenster kann  den gesäubert ihren Einsatz in den Fehlstellen der Scheunenwände, sodass ein wunder-
                so  zusätzlich auf die  verschiedenen Lichtsituationen eingegangen  werden, die das  schönes Sichtmauerwerk im Stil der damaligen Bauweise entstand. Die beiden massiven
                Gebäude im Tagesverlauf umspielen. Die dadurch neu entstehenden Blickbeziehungen  Holztore der Scheune – zum Hof und zum Garten hinaus – wurden durch verglaste Alu-
                ermöglichen den Nutzern darüber hinaus einen zuvor verborgenen, spannenden Dialog  miniumelemente ersetzt, um mehr Tageslicht in die Scheune zu lenken. Gleichsam wird
                mit der Außen-welt. Der Neubau mit seiner asymmetrischen Dachform wirkt durch die  damit ein neuer Durchblick vom Hof auf die dahinter liegende Koppel ermöglicht. Im ver-
                Detailplanungen der Anschlüsse und dem Einsatz der Materialen wie ein eigenständiges  setzten Mittelteil der Scheune, der ehemals zur Versorgung der Tiere verwendet wurde, soll
                Kunstwerk. So wurden beispielsweise die innen liegende, verdeckte Dachentwässerung  nun  die  Versorgung  der  Gäste  sichergestellt  werden:  Hier  dominiert  ein  zweigeteilter
                mit Hilfe spezieller Kantbleche gelöst und die Dachüberstände extrem reduziert. Ein  Thekenblock in Messingspachtelung die Räumlichkeit und bietet zugleich Gastrokühlaus-
                gespachtelter  Außenputz  mit  einem  Anstrich  im  Lotuseffekt  verhindert  zusätzlich  das  zügen, Spüle, Zapfanlage und Kaffeestation ihren Platz.


                                                                                                                               AIT 6.2018 •  181
   176   177   178   179   180   181   182   183   184   185   186