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Emilia Evertz


                                                                          2019–2023 Innenarchitekturstudium an der HFT Stuttgart 2018–2023 Mit-
                                                                          arbeit bei Sarah Maier in Stuttgart 2021–2022 Praktikum bei ninetynine
                                                                          in Amsterdam seit 2023 Mitarbeit bei Atelier Kaiser Shen in Stuttgart










































             Auf der Dachterrasse ist mit Pflanzbeeten, Sportbereichen und einem Grillplatz Raum für die Freizeitgestaltung entstanden. • On the roof terrace, space has been created for leisure activities with areas for gardening sport and barbecue.




            Standortes im hektischen Stadtzentrum für die Bewohnerinnen und Bewohner als eine   und den Wohnungszugängen. Ziel ist hierbei, eine bewusste Überschneidung der Anwoh-
            Art Filter fungieren, der Gemeinschaft und Rückzug gleichermaßen fördert. Während   nerlebensräume herbeizuführen, die man sonst vom Gartenzaun in Kleinstädten und Vor-
            meiner Recherche zum Projekt stellte ich fest, dass ich meine Nachbarn und Nachba-  orten kennt. Durch die Verknüpfung von Aufenthalts- und Erschließungsflächen werden
            rinnen in einer Großstadt wie Stuttgart kaum kennenlerne. Ganz anders war das in  Einblicke in die Aktivitäten der Bewohner ermöglicht, die Gespräche anregen können. Die
            der Kleinstadt, in der ich aufgewachsen bin. Aber woran liegt das? Einen wesentlichen   Balkone werden so zu einem lebendigen und kommunikativen Ort.
            Unterschied sehe ich darin, dass in Mehrfamilienhäusern in der Regel die Treppe und
            der Eingangsbereich die einzigen Begegnungsräume und damit Anwohner-Überschnei-  Kompakte Wohneinheiten dank Gemeinschaftsflächen
            dungspunkte darstellen. Bedauerlicherweise dient dieser gemeinsam genutzte Raum
            üblicherweise lediglich dazu, schnell von A nach B zu kommen, frei nach dem Motto:   Das Gebäude wird über die Bestandstreppe zentral erschlossen, die über einen gemein-
            Ich komme müde von der Arbeit – ich will schnell in die Wohnung. Mein Bus kommt   schaftlich genutzten Vorraum zu den Laubengängen führt. Dieser Vorraum dient unter-
            in zwei Minuten – ich eile durch das Treppenhaus, um noch rechtzeitig anzukommen.   schiedlichen Funktionen und ist mal als Waschraum, Bibliothek oder Coworking Space
            Wenn also alle geselligen Aktivitäten entweder hinter der verschlossenen Wohnungstür  ausgebaut, um eine vertikale Durchmischung der Geschosse zu begünstigen und um
            oder außerhalb des Hauses stattfinden, kann weder Interesse noch gegenseitige Teilha-  bestimmte Nutzungen aus den Wohnungen auslagern zu können. Außerdem kommen die
            be oder Verbundenheit innerhalb der Hausgemeinschaft entstehen.   BewohnerInnen in jedem Geschoss in einem belebten Bereich an und treffen hier auto-
                                                                          matisch auf Nachbarn. In den drei oberen Geschossen befinden sich neben der gemein-
            Orte für die Freizeitgestaltung und der Begegnung schaffen    schaftlich nutzbaren Fläche jeweils sieben 40 bis 50 Quadratmeter große Wohneinheiten.
                                                                          Die einzelnen Wohnungen haben hier eine klare Staffelung der Nutzungsbereiche von
            Um Umstrukturierung des Baukörpers und die Schaffung von gemeinschaftlich nutz-  öffentlich nach privat. Der Wohn-Ess-Bereich ist dementsprechend im vorderen Abschnitt
            baren Zonen zu erreichen, wurden die ursprüngliche Fassade, der Treppenkern sowie   angeordnet und kann in den warmen Monaten über die bestehende Fassade bis hin zu
            die Geschossplatten des Skelettbaus beibehalten. Um zusätzlichen Außenraum für die   den Balkonen erweitert werden. Je weiter man ins Innere der Wohnung gelangt, desto
            BewohnerInnen zu schaffen, erfolgte eine Erweiterung des Gebäudes durch einen vor-  weniger Einblicke erhält man. Durch die längs ausgerichtete Küche, vorbei an der Tür zum
            gesetzten Stahlskelettbau. Dieser neue Bereich, der sich zum bisher wenig genutzten   Badezimmer, erreicht man das kompakte Schlafzimmer. Dieses wird gemeinsam mit dem
            Joseph-Süß-Oppenheimer-Platz orientiert, umfasst Laubengänge und Balkone, die jeweils   Bad über einen Lichtschacht mit Tageslicht versorgt. Die drei Innenhöfe, die mit Glasbau-
            einer Wohnung zugeordnet sind. Dabei fungiert der Laubengang als horizontale Erschlie-  steinen eingefasst sind, befinden sich jeweils mittig zwischen zwei Wohnungen, was zu
            ßungsstruktur der Etagen und dient zudem als Trennung zwischen den Balkonbereichen   einer gespiegelten Anordnung im Grundriss führt. Bei der Farb- und Materialwahl war es

                                                                                                                          AIT 4.2024  •  045
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