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BÜRO UND VERWALTUNG • OFFICE BUILDINGS THEORIE • THEORY
2. Das Johnson Wax Administration Building (1939, Frank Llyod Wright) ist beeinflusst von der veränderten Arbeitsphilosophie der Zeit. • 2. The Johnson Wax Administration Building (1939, Frank Llyod Wright)
sen sind durch grundlegende Knappheitssituationen im Sinne einer gesamtgesellschaft- scher Büroarchitekturen konnten fünf Fälle benannt werden: 1. Larkin Administration
lichen Problemstellung geprägt, durch die eine große Zahl der Bevölkerung leidet und Building, US-Buffalo (1906, Frank Lloyd Wright), 2. Johnson Wax Administration Buil-
die die Gesellschaft unter Druck setzt. Aus dieser Knappheit heraus entstehen Basisinno- ding, US-Racine (1939, Frank Lloyd Wright) 3. Lever House, US-New York (1952, SOM, Gor-
vationen zur Behebung dieses Drucks. Es handelt sich jeweils um diejenigen Innovatio- don Bunshaft) 4. Centraal Beheer Building, NL-Apeldoorn (1972, Herman Hertzberger) 5.
nen, die die Gesellschaft und ihre sozialen und wirtschaftlichen Prozesse in der Folge be- Chiat Day / Binoculars Building, US-Venice (1991, Frank Gehry). Mit ihnen konnte zu-
kanntlich grundlegend verändert haben: Für die Zeit der Industrialisierung ist es die Er- nächst ein Analyseschema für eine Typenbildung entwickelt werden. Dieses umfasst
findung der Dampfmaschine und des Webstuhls zur Textilproduktion. Für die Zeit des dem Ansatz der Interdisziplinarität entsprechend sowohl baulich-gestalterische als auch
Weltwirtschaftswunders sind es die Innovationen im Bereich der Petrochemie. Für die sozial-gesellschaftlich orientierte Einzelmerkmale als ganzheitliche Betrachtungsweise.
Zeit der beginnenden Digitalisierung sind die Innovationen zur Informationstechnik und
der strukturierten Informationsverarbeitung ausschlaggebend. Der russische Wirtschafts- Die zwei Grundtypen der Büroarchitektur
wissenschaftler Nikolai Kondratieff hat diesen Zusammenhang zwischen Wirtschaftszy-
klen, Knappheitssituationen und Basisinnovationen erstmals erkannt und 1926 mit sei- Darauf aufbauend konnten mit der Methode der Typenbildung nach Udo Kelle & Susann
nem Konzept der „langen Wellen der Konjunktur“ niedergeschrieben, der Wirtschafts- Kluge (2010) zwei Grundtypen gebildet werden – die untersuchten Fallbeispiele der Bü-
journalist Erik Händeler kommentiert ihn 2013 mit Bezug auf unsere heutige Zeit. Die Dis- roarchitektur lassen sich entweder dem homogenen oder dem spezifischen Typ zuord-
sertation „Der Extremtypus in der Büroarchitektur. Seine Repräsentanten im Wandel der nen. Fälle des homogenen Typs weisen bei nahezu allen untersuchten Merkmalen – von
Arbeitswelt und die Bedingungen für ihr Entstehen“ untersucht, ob der Entstehung von baulich-gestalterischen bis hin zu sozial-gesellschaftlichen – einen sehr hohen Innovati-
neuen Büroarchitekturen immer eine Veränderung von Büroarbeit vorausgeht und ob sie onsgrad auf. Neue Techniken sind in ihnen erstmals verbaut, aber auch neue Konzepte
mit diesen innovationsgetriebenen Wirtschaftszyklen verknüpft ist. der Büroarbeit erstmals räumlich umgesetzt. Fälle des spezifischen Typs hingegen lassen
diesen umfassenden Innovationsgehalt vermissen, sind dafür aber in wenigen Merk-
Arbeitsorte, die aus dem Rahmen fallen malsbereichen besonders stark ausgeprägt. Büroarchitekturen dieses Typs sind oft au-
ßerordentlich in ihrer Gestaltqualität oder in der Konsequenz, mit der ein Entwurfskon-
Initialzündung zu dieser Arbeit waren die zu Beginn des 21. Jahrhunderts neu entstande- zept umgesetzt wurde. Erstmals wird so eine Typenbildung für das Untersuchungsfeld
nen, auffällig bunten, fast schreiend fröhlichen und spielplatzähnlich gestalteten Büroar- der Büroarchitektur entwickelt und durch die Fallanalysen verifiziert. Die Sinnzusam-
chitekturen. Diese erregten ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und erlangten so einen menhänge dieser Erkenntnisse erschließen sich, sobald man die Baujahre dieser so ge-
kaum hinterfragten Ruhm und Vorbildcharakter: Jeder wollte zu dieser Zeit ein „Google- ordneten Fälle auf die Kurven der Kondratieff-Zyklen legt. Es wird erkennbar, dass die
Office“ mit Rutsche, Bällebad und Bike an der Wand. Vermutlich erscheint nicht nur ar- dem homogenen Typ zugeordneten Fälle immer eher auf dem Aufschwung einer Kon-
chitektonisch ausgebildeten Menschen eine solche Gestaltsprache mindestens seltsam, junkturwelle liegen, die dem spezifischen Typ zugeordneten Fälle hingegen immer eher
wenn nicht sogar befremdlich. Die Dissertation hatte unter anderem das Verstehen die- auf dem Abschwung einer Kurve oder in einer Rezession. Wenn zu Beginn eines Wirt-
ses Phänomens mit seinen Ursachen und seiner Einordnung in die Geschichte der Büro- schaftszyklus eine Basisinnovation und somit ein Aufschwung entsteht, hat dies Auswir-
architektur zum Ziel. Die von diesem Start ausgehende Recherche zeigt, dass es auch in kungen auf viele Bereiche der Gesellschaft. Neue Technologien werden entwickelt, neue
der Vergangenheit seit dem Beginn der Industrialisierung Anfang des 20. Jahrhunderts gesellschaftliche Konzepte, viele Fragen müssen neu beantwortet werden. Entsprechend
bis heute immer wieder vergleichbar auffällige, radikal aus dem bisherigen Rahmen fal- wirkt sich das auf die Büroarchitektur aus: Entstehende neue Arbeitskonzepte müssen
lende und in ihrer Zeit extrem ausformulierte Büroarchitekturen gab, die ähnliche Auf- räumlich umgesetzt werden, neue Technologien werden experimentell integriert, neue
merksamkeitswellen ausgelöst hatten. Eine rein architektonische Betrachtung reicht gestalterische Formen entstehen. In einem Abschwung stehen hingegen keine Innova-
nicht aus, um zu verifizieren, dass solch extremtypische Büroarchitekturen trotz weit tionen mehr zur Verfügung. Alles ist bereits bekannt und erprobt, der innovative und ex-
auseinander liegender Entstehungsjahre und unterschiedlicher Architektursprachen mit perimentelle Anteil sinkt naturgemäß. Dafür ist nun Raum für die Kür: Gestalterische
dem beschriebenen Phänomen der „Google-Offices“ typisch zusammenhängen und mit Raumqualitäten können in diesen Phasen auf herausragende Qualitätsniveaus gehoben
eben jenen Krisen und Konjunkturwellen verbunden sind. Da Architektur nie um ihrer werden. Beide Extremtypen mit ihren jeweiligen realen Repräsentanten in beiden Pha-
selbst willen entsteht und immer das Produkt der sie umgebenden Bedingungen, Ent- sen führen zu einer hohen Aufmerksamkeit aufgrund ihrer Innovation oder Einzigartig-
wicklungen und Einflüsse ist, sind sozial-gesellschaftliche Fragestellungen für ein umfas- keit. Diese Zusammenhänge lassen sich an den untersuchten Beispielen ablesen. Die als
sendes Verständnis der Zusammenhänge ebenso mitzudenken wie politische Kontexte homogen typisierten Fälle wie das Larkin Building von 1906, das Lever House von 1952
oder wirtschaftliche Entwicklungen. Eine derartig interdisziplinäre Betrachtungsweise oder das Chiat Day / Binoculars Building von 1991 stecken voller Innovationen, wie der
führte in der Dissertation zum Ziel: Als signifikanteste Vertreterinnen solch extremtypi- ersten Klimaanlage, der ersten reinen Vorhangfassade oder dem radikal neuen Arbeits-
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