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Theresia Maria Hug
1990 in Waldshut-Tiengen geboren 2010 Abitur in Tiengen 2011–2014 Bachelorstudium Innenarchitektur an der Hochschule für Technik in Stuttgart
2015 Auslandssemester in Lugano, Schweiz an der Scuola Universitaria Professionale della Svizzera Italiana (SUPSI) 2014–2016 Masterstudium
Innenarchitektur an der Hochschule für Technik in Stuttgart 2012–2015 Studentische Mitarbeit (Semesterferien) Architekturbüro Rombach in Tiengen
das Wahrnehmen und Erleben von Loos’ Arbeiten im Vordergrund. Bereits vor der Reise
fiel die Entscheidung, den Schwerpunkt der Arbeit auf die Analyse der Interieurs in Pilsen
und den Wohnraum bei Loos zu legen. Die Interieurs in Pilsen sind kaum publiziert und
wurden erst 2015 im Rahmen des Titels „Europäische Kulturhauptstadt“ restauriert und
der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Deshalb nahm ich die Interieurs Brummel-
Liebstein, Kraus, Semmler und Vogl bis ins Detail in Maß, Materialität und Atmosphäre
auf und erstellte umfassendes Planmaterial. Während der Reise konnte ich auch ver-
schiedene Loos-Experten, wie Dr. Markus Kristan, Kunsthistoriker und Kurator der
Architektursammlung der Albertina in Wien, und Karel Zoch, Architekt in Pilsen, kennen -
lernen und interviewen. Adolf Loos war nicht nur architektonisch Vorreiter, sondern auch
architekturtheoretischer Vordenker. Sein Werk umfasst dabei eine Vielzahl an Schriften,
in welchen er sich sowohl zu Architektur,als auch zum Zeitgeschehen und Belangen des
täglichen Lebens äußert. Adolf Loos erreichte mit seinen Artikel und Vorträgen immer
wieder eine breite Öffentlichkeit, da sie in Zeitungen und nicht nur in Fachzeitschriften
publiziert wurden. Anhand dieser Kenntnisse zu Adolf Loos und der Untersuchung seiner
Architektur elemente in den Interieurs in Pilsen erarbeitete ich fünf Punkte zu Loos. Diese
fünf Punkte können uns Vorbild für eine gelungene Innenarchitektur sein, und wir lernen Handvoll Loos: fünf Punkte für eine gelungene Innenarchitektur • Five digits for successful interior design
damit von Loos. Die Hand mit ihren fünf Fingern wurde als didaktisches Prinzip genutzt,
um das zu Lernende besonders prägnant und eingänglich zu formulieren. Dem Daumen,
als Basis der Hand, wurde die Wohnlichkeit bei Loos zugeordnet. Synonyme dazu sind
Behaglich- und Gemütlichkeit. Adolf Loos generierte diese über Möbel, persönliche
Gegenstände und Wohnaccessoires, Textilien und den eingebauten Kamin. Das Wort
Möbel stammt vom lateinischen Mobilis ab und bedeutet so viel wie bewegliches Hab
und Gut. Genauso verstand Loos die Funktion des Möbels als bewegliches Element im
Wohnraum. Sitzmöbel sollten in seinen Wohnräumen je nach Notwendigkeit neu grup-
piert werden können. Zudem wollte Adolf Loos seinen Kunden auch die amerikanische Haus Vogl in Pilsen: Wohnzimmer-Wandabwicklung • Developed view of the living-room walls
und englische Art des Ausruhens in legerer Sitzhaltung nahebringen. So ließ Loos engli-
sche Möbel kopieren und erklärte in seinem Artikel „Das Sitzmöbel“ von 1898, dass ver-
schiedene Arten des Ausruhens verschiedene Sitzmöbel erfordern.
Die Raumgrenze bekommt eine besondere Bedeutung
Der Zeigefinger steht für die Wertigkeit. Der Begriff Wertigkeit wird hier im Zusammen -
hang mit Materialität und Ausführung gesehen. Die Materialität, die bei Loos eine große
Rolle spielt, ist bedeutend für die Raumatmosphäre. Entscheidend sind nicht nur die
Hap tik, Struktur und natürliche Farbe, sondern auch die Oberflächen bearbeitung. Sein
Materialkanon umfasst Furniere wertvoller Hölzer, Textilien, Spiegel glas, bedruckte Tape -
ten und Marmor. Für seine Wandverkleidungen und Einbaumöbel verwendete er
wertvolle Furniere. Viele der Materialien sind auf Hochglanz poliert und reflektieren das
Licht. Die Reflexion des Raumes erzeugt Loos auch mit Spiegelflächen. Loos arbeitete
materialecht gemäß seinem „Prinzip der Bekleidung“ von 1898. Der Mittelfinger als Zen -
trum der Hand steht für Raumdramaturgie. Adolf Loos verstand es, im Raum eine
Dramaturgie durch Raumzonierung, -verbindung, -volumen und -geometrie aufzubauen.
Die Raum dramaturgie schließt auch seinen berühmten Raumplan ein, welcher die
Gliederung des Raumes in der Höhe vorsah und den Räumen je nach Nutzung eine be -
stimmte Höhe zuordnete. Der Ringfinger steht für die Raumgrenze beziehungsweise die
Wand. Der Begriff Raumgrenze steht in engem Zusammenhang zur Raumdramaturgie, da
die Wand das architektonische Mittel zur Erzeugung von Dramaturgie ist. Bei Loos
bekommt die Raumgrenze beziehungsweise die Wand eine besondere Bedeutung und
wird vielfältig bespielt und stets speziell bekleidet. Die Wand gliedert horizontal, sie löst
sich auf, sie enthält Raum und sie nimmt Einbaumöbel auf. Einbaumöbel, die sich in all
seinen Interieurs finden lassen, bieten Stauraum in der Wand und sind deshalb sehr kom-
fortabel. Sie sind besonders für kleine Räume eine Bereicherung, da sie keine Stellfläche
im Raum einnehmen. Der kleine Finger steht für Licht stimmung. Lichtstimmung wird
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