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WOHNEN • LIVING
WOHNUNG
IN BERLIN
Entwurf • Design Christopher Sitzler, Berlin
Berlin-Mitte, 15. Stock, vom Balkon aus schweift der Blick über
Schlossneubau, Nikolaikirche und Fernsehturm: In den Hochhäusern
an der Leipziger Straße hat sich der junge Berliner Architekt Christo-
pher Sitzler ein neues Zuhause eingerichtet. Roughe Betonoberflä-
chen bilden den Hintergrund für ausgesuchte Designstücke, während
präzise geplante Einbauten die offene Raumstruktur gliedern.
von • by Dr. Uwe Bresan, Stuttgart
D ie acht mächtigen, jeweils paarweise errichteten Wohnhochhäuser entlang der
Leipziger Straße in Berlin-Mitte stammen aus den Hochzeiten der DDR. Sie waren
eine Antwort auf das Springer-Hochhaus im Westen und sind heute aus dem Stadtbild
kaum mehr wegzudenken. Gleichwohl schwankt ihr Ruf immer wieder zwischen be-
rühmt und berüchtigt. Aktuell gilt das Ensemble dank günstiger Mieten und bester Zen-
trumslage als äußerst hipp. Und so findet sich heute in den Häusern eine junge, urbane
Klientel wieder. Auch der Architekt Christopher Sitzler wohnt und arbeitet hier. Sein Do-
mizil misst knapp 100 Quadratmeter. Von der ursprünglichen Aufteilung und Raumge-
staltung seiner Wohneinheit ist nichts mehr zu sehen. Sitzler hat das Apartment radikal
bis auf die tragende Struktur zurückgebaut. Zum Vorschein kamen dabei mächtige Be-
tonunterzüge. Ihnen folgen die neuen Grundrisslinien, unterstützt von wenigen Wand-
einbauten und raumbildenden Schrankelementen. Im Eingangsbereich entstanden ein
Abstellraum sowie ein kleines Bad mit WC. Den meisten Raum im Grundriss nimmt der
Wohn- und Essbereich mit seiner offenen Küche ein. Über Eck geht er nahtlos ins Ar-
beitszimmer über. Das bewegliche Mobiliar setzt sich fast vollständig aus Klassikern von
Dieter Rams, Hans Wegner, Le Corbusier und Fritz Haller zusammen. Durch zwei Schie-
betüren ist außerdem der private Rückzugsbereich – ein kombiniertes Schlaf- und Bade-
zimmer – abgetrennt. Neben dem Bett sind Badewanne und Dusche auf einem mit wei-
ßen, quadratischen Schwimmbad-Kacheln gefliesten Podest angeordnet. Sitzler ist damit
ein echtes Statement gelungen. Der offene Nassbereich führt die toughe und minimali-
stische Formensprache des Apartments konsequent fort. Geschickt gepaart hat der Ar-
chitekt seinen Neo-Brutalismus allerdings mit ausgesuchten Materialakzenten und hoch-
wertigen Detaillösungen. Weißer Marmor als Arbeitsfläche und Rückwand der Küchen-
zeile sowie das warme, helle Eichenholz der Einbauten erzeugen einen feinen Kontrast
zu den rohen Betonoberflächen. Entstanden ist ein absolut zeitgenössisches, urbanes In-
terieur, das ganz auf den Lebensstil des Bauherrn/Architekten zugeschnitten ist.
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