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WOHNEN • LIVING

































            CANVAS HOUSE

            IN SINGAPUR



            Entwurf • Design Ministry of Design, SG-Singapur


            Shophouses sind Teil der lokalen Architektur Singapurs und verkör-
            pern das gebaute Erbe asiatischer Kultur. In einem dieser Häuser ver-
            banden Ministry of Design Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft,
            indem sie nahezu das komplette Interieur mit einer weißen Beschich-
            tung überzogen. Die Bewohner des Canvas House können sich dort
            ihre Zukunft selbst gestalten – wie mit Öl auf einer Leinwand!



            von • by Patricia Buth
            E  ntlang der Blair Road in Singapurs Chinatown reihen sie sich wie die Perlen einer
               Kette aneinander: die Shophouses. Abhängig vom Zeitpunkt ihres Baus flossen in
            diese Häuser verschiedene architektonische Stile und Merkmale ein. Gemein ist ihnen
            die traditionell schmale Fassade mit einem überdachten Korridor – den Five-Foot-Ways
            – zum Schutz der Fußgänger, die die Straßen hinab flanieren. Nicht selten öffnen sich
            die schlanken Gebäude mit länglichem Grundriss rückseitig in einem Innenhof, um den
            gesamten Innenraum mit Licht zu fluten. Das hiesige Gestalter-Team von Ministry of
            Design realisierte in einem solchen Shophouse ein unkonventionelles Coliving-Projekt
            zum Wohnen auf Zeit. Um die Geschichte des Hauses und gleichzeitig die Beziehung
            zu Gegenwart und Zukunft wahrnehmbar zu machen, sind Fassade, Innenraum wie
            auch die Möblierung in ein neutrales Weiß getaucht. Dank dieser streng einheitlichen
            Farbgebung verwischen die Grenzen zwischen Raum, Zeit und Objekt. Das Weiß steht
            sinnbildlich für eine Zukunft, die sich die Bewohner des Canvas House gleich einer
            blanken Leinwand selbst ausmalen können. Mit dem Zitat „I like the dreams of the fu-
            ture better than the history of the past“ von Thomas Jefferson prangt ein sonderange-
            fertigter Neon-Schriftzug im Wohnraum und fasst den Kerngedanken des Entwurfs zu-
            sammen. Über die gesamten Flächen im Inneren verteilt, finden sich wiederholt – zu-
            meist kreisrunde – Ausparungen in der weißen Schicht. Sie geben die Sicht frei auf das
            Mauerwerk, die Bodenbeläge oder sind Detail der aufgewerteten Möblierung und tra-
            ditioneller Keramik-Dekoration. Die Ausschnitte dieser Kleinode zollen der Historie des
            Shophouses sowie der asiatischen Kultur ihren Tribut und verknüpfen die neuen Be-
            wohner mit den Erinnerungen und Emotionen ihrer Vorbesitzer. Unterkommen können
            im Canvas House bis zu drei Personen. Die Alpine, Alabaster und Ivory Suites des Hau-
            ses werden ergänzt durch zwei geräumige Wohnzimmer. Verbindendes Element zwi-
            schen den Bereichen bildet ein offenes Treppenkonstrukt, das Helligkeit von der Dach-
            terrasse aus in den Innenraum fallen lässt – umso heller erstrahlt das weiße Canvas.

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