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WOHNEN • LIVING LITERATUR • LITERATURE






























               Moderne vor Ort                Post Otto Wagner               Leopold Bauer                 Hermann Czech


               Das große Jubiläumsjahr ist noch keine drei  In „Moderne vor Ort“ beschreibt ihn Ruth  Wenn ihre Vielgestaltigkeit das Merkmal  Wenn es einen Architekten gibt, der das
               Mo nate alt, da kann man den Na men des  Ha nisch als das „Leitfossil der österreichi -  der Wiener Moderne ist, dann darf der Ar -  Charakteristische der Wiener Architektur
               Jubilars schon nicht mehr hö ren – so mas-  schen Architekturgeschichtsschreibung“,  chi tekt Leopold Bauer als einer ihrer exem-  vom Anfang des 20. Jahrhunderts, jene
               siv ist der mediale Beschuss aus allen Rich-  dessen Arbeiten sich bis heute einer ein-  plarischsten Vertreter gelten. Als Schüler  spezifische Mischung aus Tradition und
               tungen! Was der geradezu hysterische Hype  deutigen  Zuordnung entziehen: Für die  Otto Wagners, später auch als sein Nachfol-  Mo der ne, bis heute fort schreibt, dann ist es
               um den 100. Geburtstag des Bauhauses al -  einen ist er ein Moderner, der sehr früh be -  ger als Professor, ge hörte Bauer – neben Jo -  Hermann Czech. Als Publizist, Ausstellungs-
               lerdings un ge wollt zeigt, ist vor allem die  gann, mit leichten Stahlkonstruktionen    sef Hoffmann und Joseph Maria Olb rich – in  macher und Lehrer hat er sich in den letz-
               massen kompatib le Simp lizität des Phäno-  und Vorhangfassaden zu experimentieren  der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zu den  ten fünf Jahrzehnten wie kein anderer mit
               mens. Die Beschrän kung auf einfache Geo-  und zeitlebens die moderne Großstadt pro -  führenden österreichischen Baukünstlern  den Heroen der  Wiener Mo derne aus -
               metrien, schmucklose Ober flächen und    pa gierte. Die anderen sehen in ihm hinge-  seiner Ge ne ration. In ter national bekannt    einan dergesetzt – allen voran mit Adolf
               we ni ge Grundfarben ist so eingängig, dass  gen den Traditionalisten, der sich zeitle-  machte ihn der legendäre, von der AIT-Vor-  Loos und Josef Frank. Als praktisch tätiger
               heute jeder Laie ungestraft mit dem Be griff  bens aus dem Formenkanon des His to -  gängerzeitschrift „Innen-De ko ration“ aus-  Architekt nahm und nimmt er noch immer
               des Bauhauses hantieren kann. Zu gleich  rismus be dien te und sich auch nicht da vor  geschriebene Wettbewerb für das „Haus  deren Ideen und Motive auf und versucht,
               verengt sich mit diesem „Erfolg“ zu neh -  scheute, ganze Fassaden mit Ornamenten  eines Kunstfreundes“  von 1902. Neben  sie neu zu interpretieren und zu aktualisie-
               mend der gesellschaftliche Blick auf die  zu überziehen. Es war und ist genau diese  Char les Rennie Mackintosh und Mackay  ren. So verdankt die Stadt Wien dem Archi-
               Mo derne als Ganzes, de ren historische Viel-  Un ein deu tig keit, die Otto Wagner seit jeher  Hugh Baillie Scott gehörte Bauer zu den  tekten Czech heute ein paar ihrer klassisch-
               gestaltigkeit damit im mer mehr in Verges-  nach allen Richtungen an schluss fähig  Preis  trägern. Nach dem Krieg wendete sich  sten und zeitlosesten und zu gleich belieb-
               senheit zu geraten droht. Umso begeisterter  mach  te und macht. Das zeigt nicht zuletzt  Bauer allerdings zunehmend von der Mo -  testen Bars, Cafés und Res tau rants. Zu nen-
               liest man deshalb ein Buch wie Ruth Ha -  der Katalog „Post Otto Wagner“, der im  der ne ab; sein Werk tendierte im mer stär-  nen sind unbedingt das „Kleine Café“ aus
               nischs „Moderne vor Ort“. Profund recher-  Rahmen der gleichnamigen Ausstellung im  ker zu einem neuen Historismus. Der mo -  den frühen 1970er-Jahren, das zwischen
               chiert und eingängig beschrieben, wird da -  Wiener Mu seum für angewandte Kunst im  nu  mentale neoklassizistische Bau der Ös -  1981 und 1983 entstandene „Salz amt“ oder
               rin eben jene Vielgestaltigkeit der Moderne  vergangenen Jahr erschien. In ihm wird  ter         reichisch-Un ga rischen Bank in Wien von  das um die Jahrtausendwende realisierte
               am Beispiel der Wiener Architektur zwi-  Wagners Werk nicht nur in den Kontext sei-  1919, der heute die Nationalbank beher-  „Im mervoll“ (heu te: „Gasthaus Pöschl“).
               schen 1889 und 1938 fassbar. Hanisch stellt  ner Zeitgenossen gestellt, sondern vor al -  bergt,  zeugt  deutlich  von  dieser  Rück -  Sie stehen exemplarisch für Czechs Über-
               die prägenden Charaktere der Zeit vor – von  lem im  Zusammenhang  mit Gebautem  wärts bewegung. Sie wurde ihm von seinen  zeugung, dass Architektur vor allem eines
               Otto Wagner über Ca millo Sitte bis hin zu  und Un  gebautem aus dem ge samten 20.  Zeitgenossen wie auch von späteren Histo-  sein sollte: ein guter Hintergrund. Die Gra-
               Adolf Loos und Josef Frank – und macht  Jahrhundert  präsentiert.  Der  Un tertitel,  riografen nicht verziehen und Bauer viel-  zer Architektin und Autorin Eva Kuß hat
               deren unterschiedliches Verständnis von  „Von der Postsparkasse zur Postmoderne“,  fach aus der Ge schichts schrei bung der  Czech nun gemeinsam mit dem Verlag Park
               Moderne und moderner Form gebung deut-  verspricht damit nicht zu  viel! Auch dass  Moderne getilgt. Mit Jindrich Vybirals fast  Books eine ebenso große wie großartige
               lich. Gerade im Angesicht der rigiden Bau-  die Herausgeber mehr auf wirkmächtige  600 Seiten starker Monografie liegt deshalb  Monografie gewidmet. Auf knapp 450 Sei-
               haus-Moderne wirkt die Vielfalt der Wie   ner  Bildvergleiche und weniger auf erläuternde  nun erstmals eine umfassende Studie zu  ten stellt sie Czechs Biografie, seine Schrif -
               Moderne dabei besonders anregend.       ub  Texte setzen, ist überzeugend.                  ub  Leben und Werk Leopold Bauers vor.       ub  ten und sein gebautes Werk vor.              ub

               Moderne vor Ort: Wiener Architektur 1889–1938  Post Otto Wagner: Von der Postsparkasse zur Postmoderne  Leopold Bauer: Häretiker der modernen Architektur  Hermann Czech: Architekt in Wien
               Von Ruth Hanisch.              Herausgegeben von C. Thun-Hohenstein und S. Hackenschmidt.  Von Jindrich Vybiral.   Von Eva Kuß.
               Erschienen 2018 im Verlag  Böhlau, Wien. Deutsch.   Erschienen 2018 im Verlag Birkhäuser, Basel. Deutsch/Englisch.  Erschienen 2018 im Verlag Birkhäuser, Basel. Deutsch.   Erschienen 2018 im Verlag Park Books, Zürich. Deutsch.
               350 Seiten. Hardcover. Format:  17,8 x 24,1 cm. 45,00 EUR.  304 Seiten. Softcover. Format:  22,9 x 29,8 cm. 39,95 EUR.  580 Seiten. Hardcover. Format: 21,3 x 26,6 cm. 79,95 EUR.  456 Seiten. Hardcover. Format: 20,8 x 24,1 cm. 68,00 EUR.
               ISBN 978-3-20520-725-2         ISBN 978-3-03561-685-9         ISBN 978-3-03561-630-9        ISBN 978-3-03860-001-5




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