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SERIEN FRAU ARCHITEKT  • MS. ARCHITECT
















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               Quelle: Familie Meßner/Tessa Meßner                           Haus für Frau B. in D., 1920 • House for Mrs. B. in D., 1920




                                                                             „Sie entwarf Gebäude, die die sozialen

                                                                             Bedürfnisse einer wachsenden Stadtgesell -
               Haus für 14.000 Reichsmark – Entwurf von 1913 • House for 14,000 Reichsmark - draft from 1913
                                                                             schaft im Blick hatten.“
               länglichen Organisation des Wettbewerbs, führte Mogger erneut die Versäumnisse der
               Organisatoren auf, die spärliche Öffentlichkeitsarbeit, unzureichende Fristen und lücken-
               hafte Informationen eingeschlossen. Als Mogger ihren Brief schrieb, konnte sie guten Ge -  bezeugen. In den 1920er und 1930er-Jahren führte  Mogger, im Gegensatz zu anderen
               wissens mit ihren Leistun gen brillieren. Sie steckte mitten im Bau von mindestens vier  Architektinnen ihrer Generation, nicht nur ihr Büro  weiter, sondern eignete sich die
               Mehrfamilienhäusern und einem Einfamilienhaus in Gerresheim. Im Gegensatz zu Emilie  Grundsätze des Neuen Bauens an. Flachdächer, schmucklose kubische Formen, schlichte
               Winkel mann, die über ihr Netzwerk von Damen aus Oberschicht und Adel in Berlin Auf -  Fensterbänder und asymmetrische Fassaden traten an die Stelle  von  Walm dächern,
               träge erhielt, musste Mogger sich beim Eröffnen ihres Büros auf eigene Ressourcen ver-  Erkerfenstern, Fenster läden, komplexem Stabwerk und der symmetrischen Fas sa den
               lassen und fungierte bei wenigstens zwei dieser Gebäude als Auftraggeberin. Die erhalte-  ihrer Bauten vor 1914. Jetzt entwarf sie Gebäude, die die sozialen Bedürfnisse einer wach-
               nen Grundrisse weisen Mogger als pragmatische Entwerferin aus, die für die Pläne dieser  senden Stadt gesellschaft im Blick hatten, darunter eine Kindertagesstätte, ein Ver eins -
               Mehrfamilienhäuser auf norddeutsche Wohnbauten zurückgriff. Typischerweise erschloss  haus,  Wohnblocks für Alleinstehende,  Wohnungen für Arbeiter mit großen Familien,
               ein zentrales oder seitliches Treppenhaus entweder ein oder zwei Wohnungen auf jedem  sowie Systeme zur Einbeziehung des Automobils in das Einfamilienhaus. Darüber hinaus
               Geschoss. Wenn man vom Treppenhaus in eine Wohnung gelangte, betrat man einen  dehnte sie ihre Tätigkeit in das nahe gelegene Bundesland Hessen aus. Ihre Entwürfe für
               licht losen  Flur,  der  mit  größeren,  zur  Straße  hin  gelegexwar  oder  mit  kleineren  Wohn bauten sowie ihre Zeitschriftenbeiträge lassen erkennen, dass sie mit den aktuellen
               Wirtschaftsräumen und gelegentlichen Schlafzimmern, die zu einem Hinterhof ausgerich-  Fragen zum zeitgenössischen Heim vertraut war, insbesondere mit der Bedeutung einer
               tet waren. Risalite und flache, geometrische Ornamente in symmetrischer Anordnung glie-  ganzheitlichen Planung für ein Haus mit Garten als funktionierende Einheit oder den
               derten die Fassaden.                                          Schwierigkeiten, eine funktionelle Küche in einer kleinen Wohneinheit unterzubringen.
                                                                             1914 schloss sie sich Elisabeth von Knobelsdorff an, um gemeinsam ihre Architektur -
               1919 als erste Frau Mitglied im Bund Deutscher Architekten    entwürfe bei zwei Ausstellungen zu präsentieren – auf der Werkbundausstellung 1914 im
                                                                             Haus der Frau in Köln sowie in einem zweiten, von Emilie Winkelmann entworfenen
               Wenngleich Mogger diese Mehrfamilienhäuser für Investoren errichtete, handelte es sich  Haus der Frau für die Internationale Buchgewerbe- und Graphikausstellung in Leipzig.
               bei den Nutzern ihrer Architektur um Angehörige der städtischen Mittelschicht mit mode-  Während der 1920er-Jahre fungierte sie darüber hinaus als erste Präsidentin des
               raten Einkommen. Sie wandte sich an diese Bevölkerungsgruppe mit einer Reihe von  Düsseldorfers  Verein der Künstlerinnen.  Wenn man das Ausmaß ihrer Aktivitäten
               Artikeln, bebildert mit imaginären Entwürfen kompakter Einfamilienhäuser zu günstigen  bedenkt, kann es nicht erstaunen, dass man sie am Ende des Jahrzehnts neben Emilie
               Preisen, die sie 1913 in der Beilage eines Lokalblattes veröffentlichte. Sie würdigte die  Winkelmann, Elisabeth von Knobelsdorff und der jungen Margarete Schütte-Lihotzky in
               Zweckmäßigkeit städtischer Wohnungen wie jene, die sie in Gerresheim gebaut hatte,  Frauenzeitschriften als Wegbereiterin weiblicher Berufstätigkeit feierte.
               hielt aber dennoch, insbesondere für Familien mit Kindern, selbst ein kleines Eigenheim
               mit Zugang zur Natur für vorteilhafter. Gleich anderen Reformarchitekten konzipierte sie  Mütterliches Verantwortungsgefühl versus künstlerische Karriere
               ein Haus in Verbindung zur umgebenden Landschaft. Sie stellte sich ihre imaginären
               Häuser auf großen Grundstücken vor, umgeben von Küchengärten, Blumenbeeten und  Im Vergleich zu diesen Frauen, die kinderlos waren, war es für Mogger vermutlich wichtig,
               Sträuchern. Wünschen ihrer Nutzer kam sie entgegen und bot potenziellen Kunden unter-  eine öffentliche Identität zu konstruieren, die typische Geschlechterrollen nicht übermäßig
               schiedliche Fassadenvarianten zu ihren Plänen an. Es ist nicht bekannt, ob sie während  infrage stellten. Dennoch feierten diese Berichte ihre Leistungen und erwähnten ihre
               des Ersten Weltkrieges tätig war. 1919 wurde sie als erste Frau zum Bund Deutscher  Mutterschaft nur am Rande. Lediglich eine Notiz aus den 1930er Jahren erwähnt ihre
               Architekten zugelassen, ein Berufsverband, dem man, um Mitglied zu werden, Empfeh -  Kinder und betont ihr mütterliches Verantwortungsgefühl, zunächst die Kinder erzogen zu
               lungs schreiben von drei bereits als Mitgliedern eingeschriebenen Architekten vorlegen  haben, bevor sie sich aufmachte, eine „künstlerische“ Karriere zu verfolgen. Mogger blieb
               musste. Da die Berufsbezeichnung „Architekt“ in Deutschland bis 1960 nicht geschützt  bis 1947 in Düsseldorf. Obwohl sie ihre Adresse häufig wechselte, behielt sie Wohnung
               war, konnte sich Mogger wie jeder, „der sich mit Entwürfen und zeichnerischen Arbeiten  und Büro stets unter derselben Adresse. Als 1942 die Alliierten begannen, Düsseldorf zu
               beschäftigt“, ganz legal Architektin nennen. Deshalb wurde es für Architekten wie Mogger,  bombardieren, brachte sie ihre Zeichnungen zur Verwahrung bei einer auf dem Lande
               die ein eigenes Büro unterhielten, nötig, entweder einen formalen Abschluss (Diplom-  wohnenden Verwandten unter. Therese Mogger verstarb 1956 und wurde in Ottobeuren
               Ingenieur) zu erwerben oder eben die Mitgliedschaft in einem Berufsverband mit seinem  beigesetzt. Die Inschrift auf ihrem Grabstein kündet stolz von ihrem Engagement für die
               höchst selektiven Aufnahmeverfahren, um unter ihresgleichen die eigene Reputation zu  Architektur. Dort heißt es: „Therese Mogger, geb. Geiger, Architektin B.D.A. 1875–1956“.



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