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VERKAUF UND PRÄSENTATION • RETAIL AND PRESENTATION

































            TATTOOSTUDIO 6:19

            IN KIEW



            Entwurf • Design Balbek Bureau, UA-Kiew


            Ein räumlicher Rahmen für Kunst unter der Haut – Tattoostudios sind
            bislang eine Bauaufgabe, derer sich nur wenige Innenarchitektinnen
            und Innenarchitekten annehmen durften. Doch die Szene entwickelt
            sich weiter: Viele Artists erfüllen sich den Traum vom privaten Atelier
            in professionell gestalteten Räumen. Tattookünstlerin Ulyana Nes-
            heva beauftragte für ihr Studio 6:19 das Kiewer Balbek Bureau.



            von • by Patricia Buth
            T   ätowierungen sind ein kontroverses Thema in unserer Gesellschaft; in den letzten
                Jahrzehnten jedoch auf dem Weg, salonfähig zu werden. Das traditionsreiche
            Handwerk hat dabei einen starken Wandel durchlebt. Die aktuelle Entwicklung bringt
            zahlreiche Tattoo Artists hervor, die ihren eigenen, zumeist unverkennbaren Stil prägen
            und private Ateliers eröffnen. Dabei sollen die Räume repräsentativ für ihre Stilrichtun-
            gen stehen, Professionalität ausstrahlen und einen hygienischen, sicheren Rahmen für
            Tattoobegeisterte bieten – weg von der Befürchtung, sich dafür in zwielichtige Gefilde be-
            geben zu müssen. Für Tattookünstlerin Ulyana Nesheva übernahm Balbek Bureau diese
            räumliche Ausgestaltung. Das Studio 6:19 spiegelt nunmehr die minimalistische Anmu-
            tung, die ihre und die Tätowierungen ihrer Studiokolleginnen und -kollegen eint. Eine
            offene Grundstruktur, die nahezu ohne Türen auskommt, formt fortan den subtilen Rah-
            men eines Ortes, der sich ganzheitlich der Kunst widmet. Im Empfangsbereich offenbart
            ein kreisrunder Wandausschnitt erste Einblicke in den eigentlichen Schaffensbereich des
            Studios. Weitere, bereits vorhandene, portalähnliche Wanddurchbrüche leiten – sorgfäl-
            tig aufgearbeitet und in ihrer Mehrschichtigkeit belassen – in einen Warteraum. Persön-
            liches Equipment kann dort in metallenen Spinden verstaut und Wartezeiten auf kühnen
            Stahlrohrstühlen überbrückt werden. Als verbindendes Element zwischen diesen Zonen
            schmiegt sich ein schwerer Graphit-Betontisch wellenartig an der Wand entlang. Seine
            abgeschlagenen Kanten verleihen dem Ort eine eigenwillige Kraft – gleich einem Tattoo
            dem menschlichen Körper. Ein kurzer Flurabschnitt verbirgt Umkleideraum und Toilette
            und verbindet den Tätowierbereich mit dem Empfang. Die Arbeitsflächen brillieren
            durch reinweiße Flächen und schlichte schwarze, frei im Raum platzierte Tattooliegen
            und vervollkommnen das minimalistische Farbkonzept des Ateliers. Für den nötigen
            Sichtschutz bei privateren Sitzungen sorgen mobile Trennwände. Die wie ausgebrochen
            scheinende Kontur der darin integrierten Spiegel zeichnet die Grenzen des historischen
            Viertels Podil nach – für die Studioinhaberin Inspirationsquelle ihrer Tattookunstwerke.

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