Page 37 - AIT0122_E-Paper
P. 37
Samira Agoropoulos Mark Teucher
2015–2020 B.A. Innenarchitektur, Burg Giebichenstein, Halle 2019 Planung seit 2016 Bachelorstudium Innenarchitektur, Burg Giebichenstein,
Burg Werkschau Mode, Halle 2019–2020 Praktikum bei Gonzalez Haase, Halle 2017 Praktikum bei Pöschmann-Panzer Architekten, Schlettau
Berlin 2020–2021 M.A. Interior Architecture, Burg Giebichenstein, Halle seit 2017 Wissenschaftliche Hilfskraft, Burg Giebichenstein, Halle
ständige und voneinander unabhängige Parzellen. Für jedes dieser Baulose wurde eine
eigene Innenarchitektur gesucht. Die Flächen sind zwischen 80 und 400 Quadratmeter
groß und lassen einen tiefen Detaillierungsgrad des Innenkleides zu. Unser Arbeitsbe-
reich umfasst das Baulos Nummer eins, also das untere Mittelschiff, sowie die zwei
Schotten im Obergeschoss. Für dieses Baulos war ein Gartenrestaurant mit angrenzen-
dem Mehrgenerationenwohnen ausgeschrieben, vorgesehen für die Familie, die das Gar-
tenlokal betreibt. Das Mittel- und die Seitenschiffe im Erdgeschoss unseres Bauloses
sowie die zwei Schotten im Obergeschoss werden durch sechs massive Bündungspfeiler
dominiert. Zwischen ihnen spannen sich Bögen einer ehemaligen Empore. Das Erdge-
schoss wird in der Höhe kurz über den Bögen durch den Bibliothekseinbau begrenzt,
dessen Stützen symmetrisch im Raum platziert sind. Der voluminöse Raum darüber wird
von einem Kreuzgratgewölbe überspannt und durch vier Spitzbogenfenster belichtet.
Vom Beet direkt auf den Tisch: familiengeführtes Gartenrestaurant
Ebenerdig und zentral im Mittelschiff des Kirchengebäudes liegt der Gastraum des fa-
miliengeführten Gartenrestaurants. Dessen Küche basiert auf saisonalen, selbstange-
bauten Produkten, die zum Teil in dem an das Seitenschiff grenzenden Garten gezogen
werden. Vom Haupteingang der Kirche wird der Gast mit großer Geste von einer offe-
nen Küche empfangen. Ein Einbau aus Streckmetall, der die Säulen und Bögen der
ehemaligen Empore neuinterpretiert, trennt diese vom Gastraum. Hier ist eine große
Tafel prominent im Raum positioniert, um die herum sich weitere Tische für unter-
schiedliche Gruppengrößen anordnen. Intensive Lichtstudien in der Kirche und am Mo-
dell zeigten, dass vor allem das Erdgeschoss wegen der Umgebungsbebauung und sehr
kleinen Fenstern nicht ausreichend mit Tageslicht versorgt wird. Daher sieht unsere
Planung vor, das Restaurant sowie die Wohneinheiten durch indirekte Strahler mit
einer ausreichenden und angenehmen Grundbeleuchtung zu versehen. Außerdem soll
ein Lichtkanal, der das Kirchengebäude vertikal durchdringt, geschossübergreifend un-
terschiedliche Licht- und Raumsituationen erzeugen. Im Untergeschoss bildet sich die-
ser als leuchtende Deckenöffnung aus, die Einblicke in den darüber liegenden Wohn-
bereich gewährt, punktuelles Licht in den Gastraum leitet und somit die imposante Wie auf einem Altar wird das Gemüse präsentiert. • Vegetables presented like on an altar
Kirchenarchitektur in Szene setzt. Die funktionalen Räume sind in den Seitenschiffen
angeordnet und fügen sich sensibel in den Bestand ein. Als Zugang für die Gäste sowie
zur Anlieferung von Waren dient der nördliche Seiteneingang. Eine Wohneinheit ergänzt das Restaurant Holy Table. • A residential unit complements the Holy Table restaurant.
Mehrgenerationenwohnen in großzügigen Räumen unterm Gewölbe
Das zweistöckige Obergeschoss im Mittelschiff wird über das zentrale Treppenhaus und
einen Fahrstuhl erschlossen. Es bietet generationenübergreifend Platz für die fünfköpfige
Familie, die das Restaurant im Erdgeschoss betreibt. Der Entwurf fasst die funktionalen
Räume kompakt zusammen, sodass die gemeinschaftlich genutzte Fläche an Großzügig-
keit gewinnt und eine luftige Raumsituation mit viel Licht und spannenden Blickbezie-
hungen entsteht. Im barrierearmen ersten Obergeschoss ist eine autarke Wohnung, zum
Beispiel für die Großeltern der Familie, untergebracht sowie der zentrale Familienraum
mit Blick auf das Gewölbe. Hier wird gelebt, gekocht, gegessen, und außerdem werden
Vorbereitungen für den Restaurantbetrieb getroffen. Im zweiten Obergeschoss befinden
sich die Schlaf- und Kinderzimmer sowie eine Empore, die eine großzügige Belichtung
durch die seitlichen Kirchenfenster erfährt. Die Zusammengehörigkeit von Restaurant und
Wohnung wird über ein einheitliches Materialkonzept greifbar, wie zum Beispiel die mo-
nolithischen Küchenzeilen aus Edelstahl, die das Herz der jeweiligen Einheit bilden und
eine moderne Interpretation von klassischen Groß- und Industrieküchen darstellen. Na-
türliche, helle und matte Materialien bilden eine harmonische Symbiose mit den glatten,
artifiziellen und reflektierenden Metalloberflächen. Das Konzept beruht auf klaren und
sanften Tönen – die farbintensiven Speisen und das Gemüse aus dem Garten dominieren
den Raum. Somit verlagert sich der Fokus von der Innenarchitektur auf das Gericht.
AIT 1/2.2022 • 037