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SERIEN ARCHITEKTUR UND AUTO  •  ARCHITECTURE AND AUTOMOBILE





























               Ungewöhnliche Perspektive – die Architektur macht´s möglich. • Unusual perspective.



               „Unterschiedlichkeiten zulassen und neuen

               Einflüssen gegenüber offen sein...“




               entwickeln. Daher kommt es uns schon vertraut vor, in der automobilen Zukunft zu
               denken. Werden wir in ein paar Jahrzehnten vielleicht ungläubig angeschaut, wenn wir
               darüber berichten, dass wir das Auto einmal selbst gesteuert haben und es uns täglich
               angetan haben, im Stau zu stehen? Sicherlich gibt es bis dahin noch viele Hürden zu
               überwinden. Aber im Rückblick ist es für uns auch amüsant, dass Menschen in der
               Vergangen heit davor gewarnt haben, dass Reisen mit der ersten Eisenbahn die
               Passagiere wahnsinnig mache, weil die Geschwindigkeit zu hoch sei. Der Mensch bleibt
               anpassungsfähig und schreckt nicht davor zurück, Innovationen voranzutreiben. Und ins-
               besondere das autonome Fahren sollte Architekten und Stadtplaner beschäftigen,
               schließ lich haben  wir am Beispiel der Eisenbahn in Amerika gesehen, dass deren
               Ausbreitung das  Wachstum der Städte und Ballungszentren erst in dieser
               Geschwindigkeit ermöglicht hat. Und gerade heutzutage bestreitet niemand, dass die
               Städte immer  weiter  wachsen und die ländlichen und strukturschwachen Regionen
               immer weniger Bewohner aufweisen werden. Da aber kein Trend ewig anhält, darf man  Bestens geeignet für die Material-Collage – Citroën C4 Cactus • Ideally suited for a material collage.
               sich fragen, was dazu beitragen könnte, diesen Trend zu stoppen oder sogar wieder
               umzukehren. Das auto nome Fahrzeug kann da schon von Bedeutung sein. Dann näm-
               lich, wenn wir im Auto essen, schlafen und arbeiten können und uns das Fahrzeug unab-  „Louis-Vuitton-5“ deplatziert wirkt. Das größte Fragezeichen brennt sich gedanklich aber
               hängig von Alter und Führerschein tauglichkeit an jeden Ort bringen kann. Vielleicht wird  bei den Sitzen ein, wobei wir hier beim eigentlichen Thema vom Look & Feel des Autos
               dann auch der Innenraum wich tiger werden als die äußere Hülle des Automobils und  landen: „New Business“. So sollen die Sitze mit der mittigen Applikation explizit an eine
               vielleicht werden wir auch die Darstellung unserer selbst durch den Konsumartikel Auto  Krawatte erinnern. Aber kann ich mir eine Geschäftsfrau oder einen Geschäftsmann
               überwinden und uns mehr über Reisequalitäten definieren?      vorstellen, die/der sich nach einem erfolgreichen Geschäftstermin in ein Auto setzt, in
                                                                             dem gedanklich ein Hemd mit Krawatte über dem Sitz hängt? Dabei ist die Optik dieser
               Mehr Individualität – auch im Innenraum                       Inszenierung gar nicht so auffällig, und wüsste man nicht, was es darstellen soll, würde
                                                                             sich dieses Thema gar nicht erst aufdrängen. Zu spät! Die Frage, die mich am meisten
               Aus diesem Blickwinkel gesehen ist der Ansatz von Hornschuch und Continental absolut  beschäftigt hat, war die nach der Wirkung auf einen selbst und auf andere. Schließlich
               richtig, mit dem Concept Car eine Sensibilisierung für mehr Individualität auch im Innen -  ist das Auto nicht zu übersehen und aus eigenem Antrieb würde ich das Rampenlicht im
               raum erreichen zu wollen. Es ist aber nicht das einzige Thema, das sich in dem Konzept  Straßenverkehr nicht suchen. Um sich dieser  Frage  zu nähern, hat es geholfen, das
               widerspiegeln soll, und da wird es etwas diffus. Von der digital bedruckten Spiegelfolie  Gebäude zu finden, das die beste Kulisse für die Erscheinung des Autos bietet: das
               über Kunstleder bis hin zu einem Kunststoff in dreidimensionaler Wabenstruktur – über-  Porsche Museum in Stuttgart-Zuffenhausen. Denn eher unerwartet kam dort zusammen,
               all gibt es etwas zu entdecken, und auch ein Sternen himmel hat es auf die Tuningliste  was  zusammengehört: ein aufsehenerregendes Konzeptauto und ausländische Auto-
               der Designer geschafft. Die äußere Beklebung wird durch einen Wechsel aus speziell  Enthusiasten als Besucher des Museums. Die deutschen Besucher waren eher zurückhal-
               bedruckter Chromfolie in Rautenstruktur und einer rosé-goldenen Folie bestimmt und  tend, aber die asiatischen Besucher reagierten auf geschlossen und begeistert auf den
               auch die für den Citroën Cactus typischen Air-Bumper wurden mit dem Kunststoff in  funkelnden Stern auf vier Rädern. Und hier beantwortet sich dann auch die anfangs
               Wabenstruktur überzogen. Durch die vielen Unter teilungen und Applikationen in der  gestellte Frage, ob wir als Autonation offen für neue Einflüsse sind. Eigentlich nur, wenn
               Karosserie bietet der Cactus die perfekte Aus gangslage für eine große Collage. Und auch  diese in unser gewohntes Bild eines Autos passen. Und somit gibt uns der Test dieses
               im Innenraum finden wir eine Reihe von unterschiedlichen Materialien: Das Kunstleder  Konzept-Fahrzeuges etwas mit auf den  Weg,  was  wir in unserem Beruf als Innen-
               in Holzoptik erinnert dabei an den Trend der Fliese in Holzoptik und hinterlässt eher  /Architekten längst kennen, uns im Auto mobilbereich  aber anscheinend schwerfällt:
               Frage zeichen, da es neben den futuristisch wirkenden Materialien von der Raumstation  Unterschiedlichkeiten zuzulassen und neuen Einflüssen gegenüber offen zu sein.

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