Page 2 - AIT1118_Wien
P. 2
Armin Ebner
Foto: Markus Kaiser 1966 geboren in Villach 1985–1987 Architekturstudium an der TU Wien 1987–1994 Architekturstudium an der Hochschule für Foto: Schuberth und Schuberth ZT GmbH
angewandte Kunst bei Prof. Wilhelm Holzbauer, Prof. Jürgen Sawade und Prof. Paolo Piva 1995 Diplom, Meisterklasse Prof.
Wilhelm Holzbauer 1995 Gründung BEHF in Wien mit Susi Hasenauer und Stephan Ferenczy
Foto: Hotel Daniel Foto: Sonja Bachmayer Foto: The Guesthouse
Installation Hotel Daniel (1) von • by Erwin Wurm Abstrahierte Bibliothekswände bilden das Mahnmal am Judenplatz (7) von • by Rachel Whiteread, 2000. Guesthouse (10) von • by Conran and Partners, 2013
W ien ist einfach anders, keine Großstadt, jedoch eine Weltstadt. Der unvergleichli- Bankengruppe Erste Group errichtete Headquarter Erste Campus (Bild links), die Park -
apartments am Belvedere von Renzo Piano und das Hochhausensemble The Icon (4),
che Reiz liegt für mich im Kontrast zwischen der jahrhundertealten Tradition, den
modernen Einflüssen und der unmittelbaren Nähe zur wunderbaren Natur. Es gibt von das wir in Kooperation mit JSWD Archi tekten entwickelt haben. Mit seinen drei unter-
allem reichlich, jeder kommt auf seine Kosten: Kultur und Internationalität, die sich schiedlich hohen Türmen setzt der multifunktionale Bürokomplex ein markantes archi-
abwechseln mit ländlicher Idylle. Dabei herrscht keine übertriebene Hektik wie in ande- tektonisches Zeichen zum Gürtel, eine der Hauptverkehrsadern in Wien.
ren Großstädten, die Stadt ist unaufgeregt und ruht in sich selbst. Gerne schlendert man r 13.00 Uhr – Wer die nun anstehende kulinarische Pause mit einer Shopping tour ver-
zu Fuß durch die verschiedenen Gräzel (Stadtviertel) und verweilt in einem der Kaffee - binden möchte, fährt weiter zur Post am Rochus (5). Das Einkaufszentrum, gelegen an
häuser, sozusagen dem erweiterten Wohnzimmer der Wiener. Man trifft sich dort sowohl einem der schönsten und ältesten Marktplätze Wiens, 2017 erbaut von Schenker Salvi
mit Freunden als auch mit Geschäftspartnern und lernt ganz nebenbei viel über das Weber mit feld72, verbindet Shops und Gastronomie auf drei Ebenen. Ich favorisiere die
Leben, den Alltag und die Gewohnheiten der Städter. Die Nähe zum Wienerwald und sei- klassische Variante: Ein köstliches Schinkenbrot mit frischem Kren (Meerrettich) und
nen Heurigen (Weinausschank direkt vom Winzer) trägt ebenfalls bei zur hohen Lebens - einem Achterl dazu im Restaurant Zum Schwarzen Kameel (6), das in diesem Jahr sein
qualität: Oberhalb der Stadt sitzt man in der warmen Jahreszeit zwischen Weinreben und 400-jähriges Jubiläum feiert und sich „das de mo kratischste aller Lokale“ nennen kann.
Obstbäumen bei einem Glaserl Hauswein und lässt den Tag friedlich ausklingen. Einen Hier verkehrten schon damals neben Adeligen auch Personen des Volkes wie Victor
berauschenden Blick hinunter auf die pulsierende Stadt gibt es inklusive. Während der Adler, der Begründer der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs im Jahr 1889.
Winter monate empfehle ich den Besuch der zahlreichen Bälle, ein unvergessliches Er leb - r 15.30 Uhr – Nach einem kurzen Fußmarsch erreichen wir den Judenplatz (7). Das hier
nis, das bei meiner vorgeschlagenen Städtetour das Samstagabend-Highlight bildet. zu erlebende Mahnmal, entworfen von der Künstlerin Rachel Whiteread, wurde im
Herbst 2000 enthüllt und erinnert an die von den Nationalsozialisten ermordeten öster-
Samstag: Durch die Innenstadt hinein in die Ballnacht reichischen Juden. Die Außenflächen des Quaders sind als nach außen gewendete
Bibliothekswände modelliert. Auf dem Weg in Richtung Hotel machen wir noch einen
r 09.00 Uhr – Nach Ankunft am Flughafen Schwechat (1), dessen Terminal 1A bis 2005 Stopp beim Maßschuhmacher Rudolf Scheer & Söhne (8) in der Bräunerstraße. Das
nach den Plänen von Baumschlager Eberle errichtet wurde, geht es direkt in den leben- Geschäft hat eine lange Tradition und wird nach dem Leitsatz „Hauptsach, die Schuh pas-
digen 3. Wiener Gemeindebezirk und dort zum Stadthotel Daniel (2). 2012 haben Atelier sen“ bereits in siebter Generation geführt. Wollte man für den heutigen Ball eines der
Heiss Architekten das 1962 von Georg Lippert und Roland Rohn erbaute Hoffmann-La maß geschneiderten Paare besitzen, muss man nach vorheriger Terminvereinbarung be -
Roche-Gebäude zum urbanen Hotel umgenutzt. Die innovative Curtain- Wall-Fassade von reits ein halbes Jahr vorher vorbeikommen. Im Ladenge schäft im Erdgeschoss können
damals steht ebenso wie das Treppenhaus unter Denkmalschutz. Auf dem Dach des historische Modelle aus nächster Nähe angesehen werden. Als k. u. k. Hoflieferant wur-
behutsam sanierten Gebäudes thront ein gestrandetes Boot des Künstlers Erwin Wurm, den hier bereits für Kaiser Franz Joseph I. die Maßschuhe gefertigt.
das erst auf den zweiten Blick irritiert und dem Gebäude die Ernsthaftigkeit nimmt. Hier r 17.30 Uhr – Wer seinen Frack friktionsfrei tragen will, lässt sich beim Herrenausstatter
beginnen wir den Tag mit einem wunderbaren Frühstück in der duftenden Bakery, die Knize (9) einknöpfen. Im Atelier am Graben sind besonders sehenswert die Räume im
sich in der öffentlich zugängigen Erdgeschosszone befindet. Obergeschoss, die 1913 von Adolf Loos gestaltet und bis dato kaum verändert wurden. An
r 11.00 Uhr – Gleich nebenan liegt die BahnhofCity (3), erstellt nach einem Masterplan Balltagen werden den Herren hier im 10-Minuten-Takt die Fräcke angezogen. Gut zu wis-
der beiden Wiener Architekturbüros Albert Wimmer und Ernst Hoffmann mit Theo Hotz sen: Frackpflicht (White Tie) besteht bei zwei Wiener Bällen: dem Opernball und dem
Partner aus Zürich. Wiens neuer Hauptbahnhof läuft seit 2015 im Vollbetrieb und symbo- Philharmoniker-Ball, empfohlen wird er außerdem beim Ball der Industrie und Technik,
lisiert die Drehscheibenfunktion der Stadt in der Mitte Europas. Für das weithin sichtbare Techniker Cercle. Die sonst so geliebten Armbanduhren sind übrigens generell tabu!
und im posante Rautendach aus Stahl und Glas mit einer Fläche von 37.000 Quadrat - r 18.30 Uhr – Die bevorstehende Ballnacht – empfohlen wird der Ball der Industrie und
metern wurden 7.000 Tonnen Stahl verbaut. Eine Menge, die der des Eiffelturms ent- Technik am 26. Januar 2019 – wird lang, daher legen wir eine Pause in unserem Hotel
spricht. Maß geb liche Gebäude des neuen Stadtteils sind der von Henke Schreieck für die The Guesthouse Vienna (10) direkt bei der Oper ein. Die von Terence Conran gestalteten
AIT 11.2018 • 053