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SERIEN ARCHITEKTUR UND AUTO • ARCHITECTURE AND AUTOMOBILE
Volvo XC40
Motor: Vierzylinder Turbodiesel Beschleunigung: 0–100 km/h in 9,4 Sekunden
Max. Leistung: 140 kW/190 PS Verbrauch: 6,3 l/km
Höchstgeschwindigkeit: 200 km/h CO 2 -Ausstoß: 1,44 g/km
hatte Rodrigo gefragt, wohin in Deutschland, und er wollte in den Westen, von dem er
noch wenig kannte. Am Rhein war er noch nie, also fuhren wir hin. Als Gegengift zum
touristischen Klischee ging es dann nordwärts zu einem berühmten Faltengebirge aus
gegossenem Beton. Wir besuchten Gottfried Böhms wunderbare Pilgerkirche der 1960er-
Jahre in Neviges. Böhm hat immer wieder singuläre Formen geschaffen, die durch Bild-
haftigkeit und Raumqualität bestechen. Schon länger wallfahren nicht nur die Katholi-
ken, sondern auch die wachsende Zahl der Brutalismus-Liebhaber an diesen Ort. In
Essen parkten wir den Volvo in der Zeche Zollverein, einst die modernste Kohlenzeche
an der Ruhr, heute Kulturzentrum und UNESCO-Welterbe. Am Rand des Geländes grüßt
Sanaas Betonwürfel, verspielt durchlöchert von kleinen und großen Quadratfenstern.
Daneben die kubischen Hallen der ehemaligen Zeche. Die Außenwände überzogen vom
Raster des Stahlfachwerks, das an die wenig später in Chicago entstandenen Bauten
Mies van der Rohes erinnert. Die schlanken Stahlprofile dunkelrot, ausgefacht mit rot-
braun changierenden Klinkern. Zwischen und über den Hallen mächtige Rohrleitungen.
Alles überragt vom Gerüst des ehemaligen Förderturms. Eine raue Industrielandschaft,
von der jedoch nur das Bild geblieben ist. Es ist paradox, am romantisch besungenen
Rhein war oft permanenter Lärm, in der Zeche Zollverein muss man sich das Rasseln
Sanaas von Quadraten durchlöcherter Betonwürfel und ... • SANAA’s cube perforated by squares ... der Maschinen und das Pfeifen der Sirenen dazudenken. Die Bauten und rostroten
Stahlgerippe ruhen still in der Nachmittagssonne. Die Trassen der Werkseisenbahn sind
mit Betonplatten ausgelegt, sie sind zu Radfahrwegen geworden. Die zweite Woche ver-
brachten wir in Tirol – im Ferienhaus, das der Architekt Paul Schmitthenner 1932 für sich
... die Zeche Zollverein waren Stationen in Essen. • ... and Zeche Zollverein were stops in Essen. und seine Familie erbaut hatte (AIT 6.2018, S. 64–68). Der Volvo XC40 brachte uns bis
fast vor die Tür, die letzten 50 Meter ging es zu Fuß durch steil abfallenden Tannenwald.
Der Wagen enttäuschte uns nie: Man sitzt bequem, er fährt leise und schnell, subtile
Assistenzsysteme erhöhen die Sicherheit. Auf dem gebirgigen Waldweg, über den
Schmitthenners Haus nur zu erreichen ist, hatte ich das Gefühl, hier gehört dieser
Wagen hin, dieses jüngste Mitglied in der Reihe der Volvo-„Offroader“. In den Städten,
die wir besuchten, waren nur Bordsteinkanten und obere Etagen im Parkhaus erklim-
men. Hatte man dort das Pech, zwischen SUVs einen Platz zu bekommen, gelang das
Ein- und Aussteigen nur unter Verrenkungen.
Sehnsüchte nach Prärie und Abenteuer
Die Neue Zürcher Zeitung brachte es neulich auf den Punkt: „In Berlin gibt es kaum
Berge. Aber alle fahren SUV.“ Es ist kein Geheimnis: Nicht Rationalität, sondern Sehn-
süchte nach Prärie und Abenteuer sind beim Kauf dieser Klasse von Autos bestim-
mend. Die bedient auch der gemäßigt bullige Volvo XC40. Wir erinnern uns: In den
1990er-Jahren erreichte der in Nordamerika ausgelöste SUV-Hype Europa und wenig
später China. Mit dem um sich greifenden Übergewicht in der Bevölkerung begann
auch die Verfettung der Automobile. Der aktuelle Porsche Cayenne bringt es auf zwei-
einhalb Tonnen. Entsprechend ist auch der Verbrauch zum Bewegen der Kolosse in
die Höhe gegangen, trotz aller Verbesserung der Motoren, die mit weniger Sprit aus-
kommen als früher. Volvo brachte 2002 seinen ersten SUV auf den Markt. Damit be-
gann die bis heute geführte Reihe XC90, die Elefanten bei Volvo. In der Angebotspa-
lette von Volvo rangiert auch der XC40 als SUV, jedoch als „Premium compact“ mit
einem um 24 Prozent niedrigeren Leergewicht gegenüber den Elefanten. „Seht her,
wir haben das Auto geschrumpft“, das ist die aktuelle Botschaft von Volvo an das grü-
ner gewordene Publikum. Leute von Volvo, das reicht noch nicht! Nur zum Vergleich,
mein erstes Auto – es war ein Renault 4 – wog leer nicht mehr als 750 Kilogramm. Wir
sind hier bei AIT und nicht bei der Auto-Bild, die mit dem Trend zu den adipösen Un-
getümen noch nie ein Problem hatte. Wie ökologisch verantwortete Mobilität in 50
Jahren aussieht ... ich kann es nicht vorhersagen. Aber eins ist klar, wenn ihr das Mas-
senauto als Kultur erhalten wollt, müssen nicht nur die E-Autos her, es müssen auch
die zu bewegenden Gewichte noch viel geringer werden.
048 • AIT 10.2019