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Karl-Heinz Bogner
                Fotos: Frank Kleinbach, Stuttgart  1966 geboren in Stuttgart 1987–1988 Studium an der Freien Kunstschule Stuttgart 1989–1995 Studium Architektur und Design an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart,



                                     Diplom-Ingenieur Architektur seit 1995 Freischaffender Künstler, Einzelausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen seit 1996 diverse Lehraufträge seit 2009 an der Hochschule Darm-
                                     stadt, Fachbereich Gestaltung seit 2011 an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart Kontakt www.khbogner.de





















                Foto: Karl-Heinz Bogner, Stuttgart                            Foto: Stefan Blühdorn, Fellbach







                Objektgruppe Ort_Station (2019): Holz, MDF, Karton, Stahl • wood, MDF, cardboard, steel   Objektgruppe Ohne Titel (2016): Holz, Karton, MDF, Acrylfarbe • wood, cardboard, MDF, acrylic paint




                H   err Bogner, Sie haben Architektur und Design an der Staatlichen Akademie  kaum digitale  Werkzeuge. Ich  zeichnete analog, mit Graphit und  Tusche, mit
                                                                              Instrumenten, die ich neben anderen auch heute in meiner Arbeit einsetze. Im
                    der Bildenden Künste in Stuttgart studiert und sich unmittelbar nach Ihrem
                Diplom als freischaffender Künstler selbstständig gemacht. Wann zeichnete  Architekturstudium hatte ich zudem die Möglichkeit, verschiedene Darstellungs-
                sich ab, dass Sie Ihren beruflichen Wirkungskreis außerhalb eines Architektur-  methoden zu erproben und dabei auch neue, experimentelle Formen zu finden.
                büros suchen würden?
                Als bildender Künstler zu arbeiten, war genau genommen keine klare Entschei-  r  Architekten, Künstler und das kunstinteressierte Publikum werden Ihre
                dung, sondern eher eine kontinuierliche Entwicklung während des gesamten Stu-  Werke jeweils unterschiedlich lesen. Architekten werden in Ihren Zeichnungen
                diums. Mich interessierte hauptsächlich die künstlerische Auseinandersetzung mit  und Objekten immer auch einen realen Bezug, eine Entwurfsgrundlage suchen.
                Architektur. Schon früh merkte ich, dass ich mich lieber mit freieren künstlerischen  Welche Reaktionen rufen Ihre Arbeiten hervor?
                Mitteln ausdrücken wollte. Oft betrachtete ich Gebäude oder Konstruktionen mehr  Meine Arbeiten rufen oft unterschiedliche Reaktionen hervor. Manche Betrachter
                als Bild oder Komposition, weniger als ein zu realisierendes Bauprojekt. Ich suchte  nehmen meine Zeichnungen und Bilder eher als abstrakte Raumgebilde wahr: Sie
                auch immer wieder die Nähe zu den Freien Künsten, die zusammen mit der Archi-  sehen Strukturen, Überlagerungen und Schichtungen und  weniger konkrete
                tektur an der Kunstakademie Stuttgart unter einem Dach sind. Während und direkt  Räume oder Architekturen. Andere sehen in meinen Arbeiten bestimmte, selbst
                nach meinem Studium ergaben sich für mich Möglichkeiten, meine freien Arbeiten  erlebte Räume oder assoziieren damit ihnen bekannte Gebäude oder Konstruktio-
                auszustellen. Dies bestärkte mich darin, künftig als bildender Künstler zu arbeiten.  nen. In meine Objekte, die den Charakter von Architekturmodellen besitzen, wer-
                                                                              den oft auch Funktionen oder Programme hineininterpretiert, was naheliegend ist,
                r  Auf Ihrer Homepage ist zu lesen „Karl-Heinz Bogner, Bildender Künstler,  denn die eine oder andere Arbeit von mir könnte durchaus eine Grundlage für
                Dipl.-Ing. Architektur“. Wie wichtig ist es Ihnen, dass Kunstinteressierte den  einen konkreten Entwurf sein.
                Zusammenhang zwischen Ihrem Werk und Ihrem Bildungsweg verstehen?
                Kunstinteressierte, die meinen Arbeiten unvoreingenommen begegnen, entwickeln  r Sie bedienen sich verschiedener Ausdrucksmittel in zwei- und dreidimensio-
                Assoziationen, die zunächst weniger mit Architektur zu tun haben. Zu wissen, dass  naler Form, arbeiten an Collagen, Gemälden, Zeichnungen und Architektur -
                ich einmal Architektur studiert habe, nimmt beim Betrachten oftmals ein Stück  objekten. Wie sehr beeinflussen sich diese verschiedenen Methoden?
                Offenheit gegenüber meinen Arbeiten weg. Wesentlicher für mich ist, dass meine  In meiner Arbeit verwende ich verschiedene Instrumente, um ein Thema zu um-
                Arbeiten an der Schnittstelle von Kunst und Architektur wahrgenommen werden.  kreisen. Dabei geht es mir immer um die Auseinandersetzung mit Räumen, Archi-
                                                                              tekturen, Orten und deren Zusammenhängen. Oft entstehen mehrere Arbeiten
                r Ihrem Werk ist Ihre architektonische Prägung deutlich anzusehen. Wie sub-  parallel, ich arbeite meist in Serien. Es kann vorkommen, dass ich eine bestimmte
                stanziell sind Ihre im Studium erworbenen Kenntnisse, Sichtweisen und Fähig-  Thematik oder Idee in einer Zeichnung nicht darstellen oder ausdrücken kann,
                keiten für Ihre Kunst?                                        dann taucht diese in einem Modell oder einer Collage auf. In einer neuen, kürzlich
                Das Studium sensibilisierte meine Wahrnehmung für räumliche Zusammenhänge,  von mir fertiggestellten Serie aus Collagen habe ich zum Beispiel Fotos von real
                für Gebautes und für die Umwelt insgesamt. Ein prägendes Element während der  existierenden Orten mit dem Medium der Zeichnung kombiniert. Neben den Zeich-
                Studienzeit war das Entwerfen, das ja ein zentraler Bestandteil des Architekturstu-  nungen, Collagen und Arbeiten auf Leinwand sind Objekte für mich eine andere
                diums ist. Hier lernte ich im Laufe der Zeit, Ideen und Bilder in Zeichnungen, Skiz-  Art, Raum auszudrücken und darzustellen, denn deren Dreidimensionalität er-
                zen und Modellen zu entwickeln und darzustellen. Ein Prozess, der auch in meiner  zeugt mehr Raumschichten, als dies in einer Zeichnung möglich wäre. Beim Be-
                heutigen Arbeit immer wieder zum Tragen kommt. Als ich studierte, gab es noch  trachten bieten sich zudem stetig ändernde Einblicke, Ansichten und Perspektiven.


                                                                                                                              AIT 9.2019  •  045
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