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SERIEN LEHRJAHRE BEI ... •  WORKING AT ...



                                                                          seinen eigenen Materialtisch. Die Werkstoffe sind grundlegende Bestandteile des
                                                                          Entwurfsprozesses und werden ständig verglichen und aktualisiert. Buchner Bründ-
                                                                          ler haben einen sehr ausgeprägten Sinn für Materialität.

                                                                          r Und wie präsent sind die beiden Bürogründer Daniel Buchner und Andreas
                                                                          Bründler in ihrem Büro?
                                                                          Ich habe die beiden in meiner Zeit im Büro als sehr präsent wahrgenommen. Die
                                                                          Bürochefs versuchen, sich für jedes Projekt Zeit zu nehmen, und arbeiten eng mit
                                                                          den jeweiligen Teams zusammen. Natürlich gibt es mal Phasen, in denen manche
                                                                          Projekte wichtiger sind als andere oder mehr Betreuung brauchen. Prinzipiell ist aber
                                                                          jede Woche eine Sitzung mit einem der beiden Partner eingeplant, um die Fort-
                                                                          schritte und Fragen zum Projekt zu besprechen.

                                                                          r Hatten Sie den Eindruck, dass in der Schweiz architektonisch „mehr geht“ als
                                                                          in Deutschland? Und wenn ja, woran liegt das?
                                                                          Ja, auf jeden Fall. Meiner Meinung nach herrscht in der Schweiz eine höhere Wert-
                                                                          schätzung für architektonische Details. Auch hatte ich den Eindruck, dass eine grö-
                                                                          ßere Bereitschaft vorhanden ist, in gute Architektur zu investieren. All dies im
                                                                          Bewusstsein, dass Qualität einen Mehrwert generiert. Das bestätigt sich, wenn man
                                                                          beispielsweise durch Basel läuft und sieht, wie viel hochwertiger Lebensraum in den
                                                                          vergangenen 10 bis 20 Jahren geschaffen wurde. Ich würde auch sagen, dass die Ge-
                                                                          werke in der Schweiz eine aufgeschlossenere Haltung und wahrscheinlich auch
                                                                          mehr beziehungsweise ein anderes Know-how mitbringen als in Deutschland. Häufig
                                                                          fiel zu Projekten des Büros, die aktuell in Deutschland geplant werden, der kritische
                                                                          Satz: „In Deutschland findest Du niemanden, der Dir das so baut“.

                                                                          r Basel ist ein Architekturmekka. Die Stadt am Rhein weist eine Vielzahl heraus-
                                                                          ragender Bauwerke und Museen in und um Basel herum auf. Welche Entdeckun-
                                                                          gen und Veranstaltungen haben Sie persönlich am meisten beeindruckt?
                                                                          Am meisten beeindruckt hat mich die gesamte Atmosphäre, die in Basel herrscht.
                                                                          Die Stadt ist mit ihren 170.000 Einwohnern verhältnismäßig klein. Dafür sind die
                                                                          Ausstellungsdichte und das Angebot an Veranstaltungen wirklich beeindruckend.
            Foto: Lorenz Gujer                                            Beides liegt auf Großstadtniveau. Dies wiederum generiert ein bestimmtes „Stadt-
                                                                          klima“ und zieht ein junges, internationales Publikum an. Fasziniert hat mich auch

                                                                          rend eines Events verändert, für das sie auf der ganzen Welt bekannt ist. Vor zwei
            Lernen vor Ort: Umbau einer Baseler Remise zum Wohnhaus • Learning on site: carriage house conversion   die Zeit der „Art Basel“. Es war toll, vor Ort mitzuerleben, wie sich eine Stadt wäh-
                                                                          Jahren habe ich eine Zeit lang in Venedig studiert. Was dieses besondere, kulturelle
                                                                          „Stadtklima“ angeht, haben Basel und Venedig vieles gemeinsam.

                                                                          r Die Schweiz gilt als teures Pflaster. Wie haben Sie Ihren Aufenthalt finanziert?
                                                                          Ja, in der Schweiz zu leben, ist definitiv teuer. Der erste Schock stellt sich an der
                                                                          Supermarktkasse ein, wenn man mit den Schweizer Preisen konfrontiert wird. Mit
                                                                          der Zeit gewöhnt man sich daran. Genau genommen stellt man fest, dass die Mieten
            Blick ins Büro: Modellbau spielt eine große Rolle. • View into office: model construction plays an important role.  in vielen deutschen Großstädten mittlerweile ähnlich hoch sind wie in Basel. Um
                                                                          einiges teurer als in Deutschland sind zum Beispiel essen gehen und jegliche Dienst-
                                                                          leistungen. Das liegt daran, dass in der Schweiz die Gehälter generell höher sind,
                                                                          demzufolge auch die Praktikantengehälter. Am Ende kommt es natürlich darauf an,
                                                                          welche Ansprüche und laufenden Kosten man hat. Ich konnte sehr gut von dem
                                                                          leben, was ich im Büro verdient habe.

                                                                          r Sie hatten vor diesem Auslandsjahr bereits Büroerfahrungen in Deutschland ge-
                                                                          sammelt. Was ist für Sie „typisch Schweizerisch“?
                                                                          Grundsätzlich kann man sagen, dass die Schweizer mehr arbeiten. Dafür haben sie
                                                                          aber auch eine „Znüni-“ und „Apéro-Kultur“ im Büro. Das „Znüni“ ist das zweite
                                                                          Frühstück am Vormittag, zu dem in der Regel ein „Gipfeli“, ein Croissant, gegessen
                                                                          wird. Sehr schweizerisch! Den „Apéro“ kennen wir auch in Deutschland. In der
            Foto: Buchner Bründler Architekten, Basel                     eingeladen. Während man sich an diese Traditionen sehr schnell und auch gerne ge-
                                                                          Schweiz gibt es ihn aber zu jedem Anlass. Jeder macht ihn, man wird ständig dazu
                                                                          wöhnt, ist es schwieriger mit der Sprache. Zu Anfang musste mein Kopf im Büro und
                                                                          in der Wohngemeinschaft quasi doppelte Arbeit leisten. Neben neuen Aufgaben und
                                                                          Eindrücken habe ich zu Anfang maximal die Hälfte aller Gespräche verstanden. Was
                                                                          am meisten auffällt, sind die Sauberkeit und die Ordnung allenthalben – auf den


            038 •  AIT 6.2020                                             Straßen, bei der Müllentsorgung, überall.
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