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SERIEN EIN WOCHENENDE IN ... • WEEKEND IN ...
Foto: Toni Rappersberger Foto: Hertha Hurnaus Foto: Andreas Buchberger
Future Art Lab (6) von • by pxt Architekten, 2020 Neu gelandet im Museumsquartier: Die Libelle (8) von • by Ortner & Ortner Baukunst, 2020 Der Stadtelefant (18) von • by Franz & Sue, 2019
Foto: Michael Baumgartner Foto: Harald Lachner
Wiener Brutalismus: Die Wotrubakirche (10) mit neuem Zugang von • by f2p Architekten, 2019 Landmark einer Nekropole: Friedhofskirche zum Heiligen Karl Borromäus (20) von • by Max Hegele, 1910
Sonntag: In Wien leben und sterben – Wohnbau und Zentralfriedhof mit den Bewohnern entstanden. Der Stadtelefant (18) (Franz & Sue, 2019) hat sich neben
seiner Nutzung als Wohn- und Bürohaus inzwischen als Kreativcluster und Architekten-
r 9:00 Der Tag beginnt mit einem Spaziergang durch die barocke Parkanlage des Augar- treff, das darin beherbergte Lokal Mimi für Mittagspausen etabliert. Im nahe gelegenen
tens in der Nähe unseres Hotels, wo uns die weithin sichtbaren Flaktürme aus der Zeit Quartier Belvedere (19) wurden übrigens soeben die luxuriösen Bel & Main Residences
des Zweiten Weltkrieges ein gar nicht ruhmreiches Kapitel der österreichischen Ge- von Delugan Meissl (2020) sowie Wiens erster Renzo Piano, die aufgeständerten Wohn-
schichte in Erinnerung rufen. Nachdem wir uns im Sperling im Augarten (13) frische türme Parkapartments am Belvedere (2018), eingeweiht.
„Buchteln to go“ geschnappt haben, nehmen wir die U-Bahnlinie 4 bis zur Endstation Hei- r 15:00 Vom Hauptbahnhof aus fahren wir mit der Straßenbahnlinie 71 in Richtung Zen-
ligenstadt und besichtigen den berühmten Karl-Marx-Hof (14). Ab 1929 vom Wagner- tralfriedhof (20). „Den 71er nehmen“ – was in Wien so viel heißt wie sterben – mussten
Schüler Karl Ehn über eine Länge von 1.050 Metern errichtet, steht der weltweit längste alle drei Millionen Seelen, die seit der Eröffnung des Friedhofs im Jahr 1874 hier bestattet
zusammenhängende Wohnblock sinnbildlich für den sozialen Wohnungsbau des Roten worden sind. Wo auch immer man jetzt hintreibt – zur imposanten Friedhofskirche von
Wiens, über dessen Hintergründe eine Ausstellung im „Waschsalon“ des Wohnhofes in- Max Hegele (1910), zum Grabstein, den Adolf Loos 1929 für sich selbst entwarf, oder zum
formiert. Unweit davon finden wir mit einer eher unbekannten Schleusenanlage gegen Mausoleum der Familie Thonet – der Endpunkt sollte (an Öffnungstagen) das Bestat-
Hochwasser, der Nussdorfer Wehr (15) (1898), die ingenieurtechnische Antwort Otto tungsmuseum (21) sein. Denn hier – und nur hier! – können Sie im Sarg probeliegen und
Wagners auf den rasanten technologischen Wandel gegen Ende des 19. Jahrhunderts. so wunderbare Mitbringsel erwerben wie Sportsackerln, auf denen steht „Ich turne bis
r 11:00 Das heutige Wien zu erkennen heißt, sich mit den aktuellen Stadtentwicklungs- zur Urne“ oder Feuerzeuge mit der Aufschrift: „Rauchen sichert Arbeitsplätze“.
gebieten zu befassen. Achten Sie hierzu unbedingt auf bereits laufende Veranstaltungen r 18:00 Die S-Bahn bringt uns retour ins Leben zur Station Praterstern. Wir spazieren noch
im Rahmen der IBA_Wien 2022 mit dem Thema „Neues Soziales Wohnen“. Jeweils mit ein Weilchen über den etwas verschrobenen Wurstelprater und statten dem charmanten
der U-Bahn gelangen wir entweder zur Seestadt Aspern (16), derzeit größtes Stadtent- Sammy Konkolits und seiner „Teufels Rutsch“ einen Besuch ab: Um den frisch sanierten
wicklungsgebiet in Wien und eines der größten in Europa. Auf einer Fläche, die der ge- und schon besungenen „Rudschduam“ Toboggan (22), das älteste Fahrgeschäft am Pra-
samten Wiener Innenstadt entspricht, entsteht hier seit 2012 geförderter Wohnbau für ter, ranken sich gruselige Stadtmythen. Unbeirrt davon sollte man dem Aufruf folgen und
etwa 20.000 Menschen. Gleich zu Beginn der Siedlung rund um den künstlich angelegten gleich noch etwas Wienerisch lernen: „steign ma aufe, rutschn ma owe!“.
Seebogen ragt seit 2019 das zweitgrößte Holzhochhaus der Welt, das HoHo Wien (Rüdi- r 20:00 Wir lassen das Wochenende bei einem klassischen Wiener Abendessen im stil-
ger Lainer + Partner) empor. Eines der beliebtesten Wohnprojekte der Seestadt ist der vollen Skopik & Lohn (23) unter der kunstvollen Decke Otto Zitkos oder im ziemlich coo-
ASP Holzwohnbau von Berger Parkkinen und Querkraft (2015). Alternativ dazu lohnt sich len Interieur des etablierten Gasthauses Figlmüller (24) (BWM Architekten, 2020) ausklin-
auch die Erkundung des rund um den Hauptbahnhof wachsenden Areals: Im Sonnwend- gen. Schließlich „kommt für alles schon einmal die Endstation“, und so sagen wir frei nach
viertel ist kürzlich das Gleis 21 (17) (einszueins architektur) unter partizipativer Planung Peter Alexander – denn ganz ohne Kitsch geht es nicht – beim Abschied leise „Servus“.
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