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Fotos: Daniel Pleikies, wheeldan, Berlin Daniel Pleikies
1974 in Dresden geboren 1990—1994 Konstruktionsmechaniker für Metall- und Schiffbautechnik 1996—2000 Architekturstudium an der HTW Dresden (FH) 2006—2007 BWL für Archi -
tekten und Ingenieure, TU Freiberg 2000—2011 als Architekt tätig für Staab Architekten, Berlin; Kühn Malvezzi Architects, Berlin; Moser Architects, Wien; Steinmayr + Mascher, Wien; LGS
Architekten, Konstanz; Schulung zum QM-Beauftragten seit 2011 mit wheeldan selbstständiger, mehrfach ausgezeichneter Fahrradkonstrukteur in Berlin Kontakt www.wheeldan.de
Der ausgebildete Architekt Daniel Pleikies betreibt in Berlin seine
eigene Fahrradschmiede wheeldan. Dort entstehen ausschließlich
Uni kate – immer aus Titan. Wie Pleikies von der statischen Archi -
tektur auf die mobilen Zweiräder kam und wie viel Gemeinsames
im Hoch- und Fahrradbau steckt, verrät der Titan-Verfechter in
diesem Interview. Alleine ein Blick auf die Details, die Bauteile und
deren Fügung zeigt die vielen verwandtschaftlichen Beziehungen
der beiden kreativen Disziplinen.
In Berlin, the architect Daniel Pleikies has his own bicycle manu-
facture called wheeldan. Bespoke bicycles are exclusively built
there, all made of titanium. How Pleikies went from static architec-
ture to mobile two-wheelers and how much building construction
and bicycle construction have in common is explained in this inter-
view by the titanium advocate. Just a look at the details, the
components and their assembly proves the “kinship relationships”
between the two creative disciplines.
Bauteil-Collage: nur Komponenten aus Titan • Collage of construction parts: solely titanium components
H err Pleikies, Sie haben Architektur studiert und mehr als zehn Jahre lang in Präzisionsarbeit: Unikate nach Kundenwunsch • Precision work: unique bikes according to customers’ wishes
namhaften deutschen und österreichischen Architekturbüros gearbeitet. Seit
2011 sind Sie selbstständiger Fahr rad konstrukteur in Berlin. Wann entdeckten Sie
Ihre Leidenschaft für Velos?
Mit dem Fahrrad zu fahren und mühelos eine längere Strecke zurückzulegen – diese
Erfahrung löste bei mir bereits in meiner Kindheit Begeisterung fürs Fahrrad aus.
Dazu kam diese einfache, von jedermann zu überschauende Technik und der Drang,
Dinge zu verstehen und zu verbessern. Später baute ich selbst Räder zusammen, weil
diese einfach schöner waren als „Räder von der Stange“. Schließlich fing ich an,
Fahrräder zu designen und anfertigen zu lassen.
r In den vergangenen Jahren sind jede Menge kleine Start-up-Firmen für
Fahrradbau aus dem Boden geschossen. Sind diese Zweiräder zu Lifestyle-
Symbolen unserer Freizeit- und Mobilitätsgesellschaft geworden?
Lifestyle ist sicher ein Motor für das steigende Interesse am Fahrrad, und dieses
Bedürfnis wird auch in allen Preisklassen bedient. Andererseits hat sich das Fahrrad
seit zweihundert Jahren nicht grundlegend verändert. Fahrräder sind technisch sim-
ple, langlebige Geräte, mit denen man große Freude erleben kann. Fahrräder
erlauben es, ganz frei und ökologisch korrekt unterwegs zu sein und einen Ausgleich
zum bewegungsarmen Alltag zu erfahren – im wahrsten Sinne des Wortes. r Stichwort Titan: Sie fertigen Ihre Fahrräder ausschließlich aus Titan. Erklären
Sie uns die Faszination dieses Materials im Vergleich zu Karbon, Alu oder Stahl!
r Wie viel Gemeinsames steckt für Sie persönlich in den beiden Disziplinen Die handfesten Vorteile des schönen Materials kann man nicht verleugnen. Es ist sehr
Hochbau und Fahrradbau? leicht, langlebig, besitzt eine hohe Festigkeit und ist zudem elastisch. Ein Titanrad ist
Wenn ich nach einem Tag Arbeit meine schmutzigen Hände betrachte und die in der Lage, Vibrationen der Fahrbahn zu dämpfen, ohne dafür additive Bauteile zu
Metallspäne zusammenfege, fühle ich mich meilenweit von Architektur entfernt. benötigen. Auch diese Reduktion zeigt eine Analogie zur Architektur. Titan ist ein
Wenn ich anderntags aber mit einem Kunden über seinen Traum vom perfekten purer Werkstoff. Beim Schweißen als Fügetechnik kommt wiederum lediglich Titan
Fahrrad spreche, sehe ich die Parallelen zur Architektur: Nämlich gemeinsam etwas zum Einsatz. Ein Titanrad ist reduziert auf das Wesentliche, und es wird niemals
zu kreieren, das noch nicht da gewesen und einzigartig ist. Und am Ende steht das rosten, denn die schützende Hülle ist im Material integriert. Dazu wirkt es edel, aber
perfekte Fahrrad da. unaufdringlich. Genau das möchte man gerne sehen.
r Ist Fahrradbau eine durch und durch ehrliche Disziplin? Die Konstruktion liegt r Wie erwarben Sie sich die für die Verarbeitung von Titan notwendige Expertise?
offen, die Details sind ablesbar, nichts ist kaschiert … Aus Architektensicht hat das Verarbeiten von Titan eher Seltenheitswert. Will ich als
Mit der Verbreitung von Composite-Materialien, neuen Techniken wie 3-D-Druck und Architekt aber beispielsweise einen Boden belag aus Bronze planen, werde ich mich
dem Trend zu hochwertigen Lackierungen hat sich einiges verschoben. Da ist unter eingehend mit diesem Material und seiner Verarbeitung beschäftigen, werde
der schönen Hülle oft vieles verborgen, beispielsweise ein Materialmix oder eine be - Handwerker befragen und das Material in die Hand nehmen. So habe ich das auch
stimmte Art des Fügens. Titan hingegen zeigt sich nach wie vor zum großen Teil nackt. mit Titan getan. Das Handwerkszeug, die Bearbeitung von Stahl und Edelstahl, hatte
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