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Entwurf • Design Christoph Steinbach und Tobias Finckh, Öhringen
Bauherr • Client Roland Steinbach, Öhringen-Obermaßholderbach
Standort • Location Zum Buschfeld 5, Öhringen-Obermaßholderbach
Nutzfläche • Floor space 220 m 2
Fotos • Photos Christoph Steinbach, Öhringen
Mehr Infos auf Seite • More infos on page 134
Wie Bilder an der Wand: Ausblicke aus dem Kellergeschoss • Like pictures on the wall: views from the basement Zeitgemäße Erschließung: Treppe aus Zunderstahl • Contemporary access: staircase made of black steel
von • by Christoph Steinbach und Tobias Finckh, Öhringen
D ie Dörfer des Hohenlohekreises in Baden Württemberg sind geprägt von landwirt- sah einen abgeschlossenen Besprechungsraum, einen Rückzugsbereich für die Mitarbei-
ter und weitere Arbeitsplätze vor. Außerdem war die Erschließung ins Dachgeschoss der
schaftlichen Gebäuden und Hofstellen. Mit ihren für diese Region typischen Fach-
werkkonstruktionen aus Eiche und den steilen Satteldächern bestimmen sie den Cha- Scheune zu lösen. Zentrales Anliegen des Entwurfs war, die ursprüngliche Struktur und
rakter der Ortschaften. Der Umbau von Scheunen und ehemaligen Wirtschaftsgebäuden Funktion der Scheune in die neue Nutzung zu übertragen. Das Konzept sieht die Einfahrt
ermöglicht Nutzungen, die der heutigen Arbeits- und Lebensrealität entsprechen, und – früher genutzt, um Heu auf den Boden zu heben – als Erschließungszone vor. Die Balken
sichert somit deren Erhalt. Als Erweiterung eines ansässigen Planungsbüros für Land- der historischen Zimmermannskonstruktion geben eine klare Dreiteilung der Scheune
schaftsarchitektur wird eine Scheune wieder zum Mittelpunkt des sich wandelnden, länd- von Traufe zu Traufe vor. Vom Hof aus gelangt man über einen kleinen überdachten Ein-
lichen Arbeitslebens. Die Fachwerkscheune aus dem Jahr 1800 steht in Obermaßholder- gangsbereich ins Büro. Hier erschließt eine Treppenskulptur aus schwarzem Zunderstahl
bach bei Öhringen. Früher war sie Teil einer Hofstelle. Das Gebäude hatte ursprünglich alle Ebenen und schafft einen Bezug zur ursprünglichen Nutzung – horizontaler Zugang
zwei Tennen mit großen Holztoren. Zu den beiden Giebeln Richtung Nord und Süd war die vom Hof und vertikale Erschließung der verschiedenen Heuböden. Um die Treppe orien-
Scheune unterkellert, darüber war bis zum First Platz zur Lagerung der Ernte. Im mittleren tieren sich Kommunikationsbereiche, Arbeitsplätze und der sich in den Garten öffnende
Bereich zwischen den beiden Tennen befand sich im Erdgeschoss der Kuhstall, davor die Besprechungsraum auf verschiedenen Niveaus. Wie Bilder an einer Wand rahmen die
Miste. Über die gesamte Länge der Scheune war der Dachboden als Lagerfläche genutzt. Fenster im Besprechungsraum verschiedene Bereiche des Gartens und heben die Arbeit
Zusätzliche Ebenen auf den verschiedenen Höhen der Balkenlagen erweiterten die Fläche. der Landschaftsarchitekten hervor. An der Fassade ist das neu erstellte Kellergeschoss
durch einen Materialwechsel vom Fachwerk abgehoben. Die Fenster sind hier in ver-
Ursprüngliche Struktur in die neue Nutzung übertragen schiedenen Größen frei in der Wandfläche verteilt. Darüber wurde das Fachwerk aus
Eiche mit seinem Mauerwerk aus Bruchstein sichtbar belassen. Die kleinen Fensteröff-
Als landwirtschaftliches Gebäude hat die Scheune eine Geschichte des Wandels und der nungen des ehemaligen Stalls belichten heute die Arbeitsplätze.
Umnutzung hinter sich. Der Vater des jetzigen Eigentümers griff immer wieder in die Sub-
stanz ein, um das Gebäude den sich ändernden Bedingungen der Landwirtschaft anzu- Baustoffe mit feuchteregulierenden Eigenschaften
passen. Der Scheunenbereich am Südgiebel wurde in den 1970er-Jahren zum Kuhstall
umgenutzt. Dafür wurde der darunter liegende Keller abgebrochen, da das Gewölbe eine Bedingt durch den Klimawandel wird sich die Anzahl der heißen Tage weiter erhöhen.
ebenerdige Erschließung vom Hof verhinderte. In das Fachwerk des Giebels wurden klei- Vorrangiges Ziel des Energiekonzepts ist es daher, angenehme Temperaturen im Som-
ne Fenster integriert, um den Stall zu belichten und Luftaustausch zu ermöglichen. Nach mer zu gewährleisten. Eine Reihe natürlicher Maßnahmen ermöglichen eine angenehme
Aufgabe der Nutztierhaltung diente das Gebäude weiter als Lager für Geräte und Maschi- Nutzung über die Sommermonate hinweg. Dazu zählen Baustoffe mit feuchteregulieren-
nen. Der jetzige Besitzer, ein Landschaftsarchitekt, machte sich im Jahr 1998 im Wohn- den Eigenschaften, zusammen mit einer Konstruktion, die über eine hohe Masse verfügt.
haus des Hofes selbstständig. Schnell wurde ein größeres Büro gebraucht, und so kam Temperaturspitzen werden so auf natürliche Art, unter minimalem technischen Aufwand,
die Idee, die vorhandene Scheune einer neuen Nutzung zuzuführen. Im Jahr 2001 wurden abgemildert. Schon im Entwurf wurde darauf geachtet, die Räume klimatechnisch mög-
dafür in einem ersten Bauabschnitt etwa zwei Drittel der Erdgeschossfläche – Scheunen- lichst günstig anzuordnen. So findet der Besprechungsraum, in dem oft eine größere
bereich am Nordgiebel mit Tenne und dem ehemaligen Stall in der Mitte – umgebaut. Personenzahl zusammenkommt, im Tiefparterre Platz. Durch seine dreiseitige Lage im
Die ehemalige Tenne mit Scheunentor wurde verglast und diente als Eingang. 17 Jahre Erdreich ist er auch bei längeren Hitzeperioden noch angenehm temperiert und kommt
später war der Platz für die steigende Mitarbeiterzahl des Büros erneut ausgeschöpft. ohne zusätzliche Kühlung aus. Gleichzeitig ist der Umbau durch den überwiegenden Ein-
So entschied man, in einem zweiten Bauabschnitt,den noch nicht sanierten, südlichen satz von Lehm- und Holzbaustoffen ressourcenschonend ausgeführt. Aus Wertschätzung
Scheunenbereich zusammen mit der zweiten Tenne auszubauen. Das Raumprogramm gegenüber der ursprünglichen Konstruktion und dem Handwerk werden für den Umbau
AIT 4.2024 • 123