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WOHNEN • LIVING
WOHNHAUS BOERDERETTE
IN VENRAY
Entwurf • Design AMUNT Martenson, Luc Merx, Aachen
Nach zwei Jahrzehnten des Zuzuges in die Großstädte hat unlängst
der Gegentrend der Suburbanisierung eingesetzt. Architekt Björn
Martenson von AMUNT realisierte gemeinsam mit Luc Merx in der
Nähe von Venray ein neues Landhaus in Holzrahmenbauweise. Ein
ehemaliges Ackerteilstück wurde hier zu einem Ort der Kontraste
zwischen Technik und Idylle, zwischen Wohn- und Gartenlandschaft.
von • by Henriette Sofia Steuer, Tübingen
B asis der Umwidmung des mit Pestiziden überbeanspruchten Ackers war eine öko-
logische Revitalisierung des Grundstückes. Garten- und Wohnhauskonzeption wur-
den dabei als Einheit verstanden, die im Spannungsfeld zwischen romantisiertem Land-
leben, technisierter Landwirtschaft, traditionellen Wohntypologien und zeitgemäßen
Wohnansprüchen nach einer individuellen Lösung mit hohem architektonischem An-
spruch strebt. So drängt sich bei der Betrachtung des Neubaus mit seiner Kubatur und
Außenhautgestaltung zunächst der 1991 fertiggestellte Electa Pavilion von James Stirling
als Inspirationsquelle auf. Die Entwerfer orientierten sich aber vor allem an den lokal
verbreiteten Langgiebel-Bauernhöfen, während sich der Arbeitstitel des Projektes „Boer-
derette“ auf malerische Häuser im englischen Landhausstil bezieht. Materiell zitiert der
Neubau dagegen nüchterne, landwirtschaftliche Gebäude wie Silos und Scheunen und
dekonstruiert damit visuell das idyllische Klischee. Als Holzrahmenbau wurde der lang-
gestreckte Bau leicht erhöht auf einer Betonbodenplatte realisiert. Mit einer Gebäudetiefe
von nur 6,5 Metern und großformatigen Fenstern öffnet sich der Wohnraum großzügig in
die Landschaft, sodass ein Leben mit den Jahreszeiten Teil der Konzeption ist. Die einzel-
nen Nutzungsbereiche werden hier hintereinander aufgereiht und von Raum zu Raum
im klassischen Stil einer Enfilade erschlossen. Besonders effektvoll wirkt die Abfolge der
Nutzungsbereiche wegen der unterschiedlichen Raumhöhen und des Wechsels von wei-
ßen und grünen Oberflächen, die eine stark zonierte Rhythmisierung erzeugt: mal bis
unter den First offen, hell ausgebaut und somit weitläufig, mal wegen des partiell einge-
bauten Obergeschosses für den elterlichen Rückzugsbereich und die Schlafebenen der
Kinder niedrig und wohltuend zurückgezogen. Introvertiert und intim wird das Mansar-
dengeschoss zudem durch maßvoll gesetzte Dachflächenfenster mit Blick in den Himmel.
Die verschiedengestaltigen, kontrastreichen Raumqualitäten bilden so ganz nach Wunsch
der Bauherrenfamilie ein Wohngefüge, das sowohl ein buntes, naturnahes Familienleben
als auch Rückzugsorte für alle Familienmitglieder möglich macht.
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