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WOHNEN • LIVING

































            HAUS HS77

            IN STUTTGART



            Entwurf • Design VON M Architektur I Innenarchitektur, Stuttgart


            Unbebaute Grundstücke sind gerade in Städten ein rares Gut, das
            sinnvoll genutzt werden sollte. VON M realisierten im Stuttgarter
            Süden ein beispielhaftes Domizil mit vielseitigen Möglichkeiten der
            Aneignung durch seine BewohnerInnen. Die raue Ästhetik schafft im
            Innenraum dank des fluiden Konzepts unterschiedlichste Raumquali-
            täten – mit fabelhaftem Blick über den Stadtteil.



            von • by Patricia Buth
            D   ort, wo Wohnraum knapp und Grundstücke begrenzt vorhanden sind, sind Flexibi-
                lität und die Möglichkeit der Individualisierung von großer Bedeutung. Mit dieser
            Thematik beschäftigten sich VON M beim Doppelwohnhaus HS77 in Stuttgart-Süd. Die
            Stuttgarter Architekten eentwarfen ein elegantes Heim mit robuster Hülle und variablem
            Inneren, das nicht nur die Bedürfnisse der gegenwärtigen Bewohnenden, sondern auch
            sich künftig verändernde Lebensumstände berücksichtigt. Flexible Grundrisse sind längst
            keine Neuheit mehr, jedoch gingen die Architekten hier einen Schritt weiter: Die Flächen
            lassen sich nicht nur auf verschiedene Arten nutzen, sondern im Laufe der Jahre baulich
            neu zonieren. Aufgrund seiner Lage am Fuße eines stark abfallenden Hanges galt das
            Grundstück als schwer zu bebauen. Zugunsten einer gewünscht homogenen Materialität
            wurde das Wohnhaus deshalb in wasserundurchlässigem Beton ausgeführt. Die schüt-
            zende äußere Schale ist geprägt von den Details der subtil gefügten Fertigteile. Um dem
            Aspekt der Nachhaltigkeit in anderer Form als der Materialität nachzugehen – die Archi-
            tekten waren sich der Energiebilanz des Betons durchaus bewusst – sind alle Grundrisse
            kreuzförmig angelegt und so konzipiert, dass sie sich durch leichte Trennwände, Textilien
            und Schrankeinbauten verändern lassen; in den Boden eingelassene Holzleisten zeigen
            dabei in der rechten Haushälfte die potenzielle Gliederung an. Wie gut das Konzept des
            adaptierbaren Wohnraums aufgeht, zeigt sich bereits anhand der aktuellen Raumauftei-
            lung in den beiden leicht unterschiedlichen Häusern: Wo in der linken Hälfte vorrangig
            feste Trennwände mit Türen der Separierung der Schlafzimmer dienen, ist die rechte mit
            Wänden und Pivot-Türen aus Weißtanne sowie Vorhängen in Betongrau als Erweiterung
            der Außenhülle offener gestaltet. Es entstehen dadurch in jedem Haus Atmosphären mit
            eigener Qualität. Anfangs waren beide Einheiten – so Architekt Dennis Mueller – mit grö-
            ßeren Unterschieden geplant; doch während des Entwurfsprozesses näherten sich beide
            Bauherren-Familien einander an, sodass die Materialsprache innen, ganz in VON M-
            Manier, zurückhaltend und reduziert, aber sehr aussagekräftig erscheint.

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