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BANKEN UND BEHÖRDEN • BANKS AND AUTHORITY BUILDINGS THEORIE • THEORY
che geschuldet ist, dass niemand die disruptiven Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Arbeits-
wirklichkeit absehen konnte. Jetzt heißt es, aus der Not eine Tugend zu machen, denn die freigewor-
denen Flächen lassen sich sinnvoll nutzen. Selbstverständlich reicht es nicht, wenn Personalabteilun-
gen und Firmenleitungen ohne konkrete Zahlen den Rotstift ansetzen und Flächen zusammenstrei-
chen. Der konkret verbleibende Flächenbedarf im Büro kann für jedes Unternehmen mit einem auto-
matisierten Analysetool ermittelt werden. Dazu werden alle individuellen Parameter eingegeben, um
das zukünftige Raumprogramm zu ermitteln und das Einsparpotenzial exakt zu bestimmen. Hierbei
werden auch automatisch die gesetzlichen Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung an einen Ar-
beitsplatz berücksichtigt. Damit bleiben Unternehmerinnen und Unternehmer trotz aller Effizienzbe-
strebungen rechtlich stets auf der sicheren Seite. Die verbliebenen Flächen können per Desksharing
effizient genutzt werden. Vorteil ist, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dabei für unterschiedliche
Tätigkeiten auch unterschiedliche Raumsituationen nutzen, welche die jeweilige Tätigkeit unterstüt-
zen. Anders als bisher können beispielsweise Arbeiten mit hohem Konzentrationslevel in Fokusräu-
men und Arbeiten mit höherem Kommunikationsbedarf an Teamarbeitsplätzen stattfinden.
Frei gewordene Flächen sinnvoll nutzen
Sicherlich bieten ungenutzte Flächen vor allem Einsparpotenzial, um die bereits genannten Kosten-
faktoren zu reduzieren. Sie bieten aber auch Potenzial für zahlreiche sinnvolle Anwendungsmöglich-
keiten. Zwar demonstriert das mobile Arbeiten derzeit eindrucksvoll, dass Produktivität nicht raum-
gebunden ist, doch insbesondere die Ideenentwicklung und das Arbeiten als Team lässt sich nur über
eine gemeinschaftliche Interaktion fördern – und diese Interaktion kann vor Ort besser und gezielter
stattfinden. Deswegen sollten freie Flächen auch genutzt werden, um Raum für Kollaboration, Inter-
Foto: Annika Feuss, Köln / Projekt: BYK-Chemie, Wesel tieren. Ebenso sollten freie Flächen für die Mitarbeitenden genutzt werden. Die Kaffeeküche als Herz-
aktion sowie zufälligen Austausch zu schaffen. So können Teams unterschiedlicher Größe in geeig-
neten Räumlichkeiten an gemeinsamen Projekten arbeiten und dabei vom direkten Austausch profi-
stück der sozialen Interaktion ist damit nicht gemeint. Diese hat lange ausgedient. Abhängig von der
zukünftig angestrebten Kultur der Zusammenarbeit muss ein Büro weitere individuelle Mehrwerte
bieten, welche auf die individuellen Bedürfnisse der Beschäftigten einzahlen. Diese Mehrwerte müs-
sen über die reine Raumgestaltung hinausgehen und zudem einer zentralen Gefahr der Flächenopti-
ein Stabilisator für die Unternehmenskultur. Durch das mobile Arbeiten und Einsparen der vor Ort
vorgehaltenen Arbeitsplätze gerät diese nun ins Wanken. Denn wer nicht täglich im Büro an seinem
Je nach Bedarf können die Mitarbeitenden ... • Depending on the need, the employees … mierung entgegenwirken: der Abkopplung von Angestellten und Unternehmen. Die Präsenzarbeit war
festen Platz arbeitet und Kollegen und Kolleginnen trifft, der identifiziert sich mit der Zeit weniger mit
... passende Raumsituationen auswählen. • … can choose suitable rooms. dem Unternehmen. Hier sollten Banken und Behörden mit geeigneten Maßnahmen gegensteuern. Die-
ses Wir-Gefühl ist für eine gelebte und gesunde Unternehmenskultur essenziell. Gleichzeitig ermög-
licht eine distinktive und einprägsame Brand Architecture die klare Abgrenzung zu anderen Unter-
nehmen und Wettbewerbern. Dadurch leistet auch sie einen Beitrag zur stärkeren Identifikation mit
einem Unternehmen. In Summe ist die Unternehmenskultur nicht in Gefahr, wenn Banken und Be-
hörden auf die neuen Gegebenheiten angemessen reagieren. Glück und Zufriedenheit waren schon
immer Grundvoraussetzung für motivierte und leistungsstarke Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter –
daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Umso entscheidender ist es für Unternehmen, auf die
neuen Herausforderungen die passenden Antworten zu geben. Die meisten Mitarbeitenden können
heute nicht mehr viel mit Nine-to-five-Jobs anfangen und haben andere Vorstellungen bezüglich der
Work-Life-Balance. Deswegen – und das deckt sich auch mit der Prognose des IW Köln – ist die Ver-
mutung naheliegend, dass die Präsenzarbeit im Vergleich zur mobilen Arbeit immer mehr an Bedeu-
tung verlieren wird. Doch welche Auswirkungen hat dies auf das Büro der Zukunft? Wie wird New
Work konkret aussehen?
Orte des Austauschs – das Büro als Ideenhafen
Man sagt, dass 80 Prozent aller Ideen durch Kommunikation entstehen – und diese läuft trotz rasan-
ter Fortschritte der Digitalisierung auf persönlicher Ebene noch immer am besten. Deswegen er-
scheint es unwahrscheinlich, dass Büros irgendwann ein Relikt der Vergangenheit sein könnten.
Foto: Ralph Richter, Düsseldorf / Projekt: Gothaer, Köln Teambildung, Kreativität und Produktivität sein. Banken und Behörden, aber auch alle anderen Un-
Doch ihre Bedeutung wird sich, analog zur Entwicklung der vergangenen zwei bis drei Jahre, deut-
lich verschieben. Sie werden nicht mehr primär Ort der Arbeit, sondern Ort des Austauschs, der
ternehmen haben jetzt die Chance, proaktiv zu werden. Während die Auswirkungen der Corona-
Pandemie die Arbeitswirklichkeit ohne Vorwarnung auf den Kopf gestellt hat, können Unternehmen
jetzt die Chance nutzen und nachhaltige, zukunftsfähige Raumkonzepte für die Arbeitswelt von mor-
gen entwickeln. Entscheidend ist dabei, dass Unternehmen sich ganz zu Beginn eines Projekts ihrer
bild inklusive Fahrplan gibt!
112 • AIT 12.2022 strategischen Ziele bewusst sind und es für alle internen sowie externen Beteiligten ein klares Ziel-