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SERIEN PERSPEKTIVWECHSEL •  CHANGE OF PERSPEKTIVE



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                                                                             Vertreterin des Landesvorstands zwischen 2014 und 2018 die Interessen der
                                                                             AiPs, der „Architekten im Praktikum“, vertreten. Erzählen Sie uns darüber!
                                                                             Die Architektenkammer Baden-Württemberg hat im Jahr 2014 ein neues Amt im
                                                                             Landesvorstand zur Vertretung der Interessen der Berufsgruppe „Architekt/-in im
                                                                             Praktikum“ geschaffen. In dieses Amt wurde ich 2014 von der Landesvertreter -
                                                                             versammlung gewählt. In meiner Funktion als Vorstandsmitglied setzte ich mich
                                                                             bis 2018 für berufspolitische Themen ein. Gemeinsam mit einer Projektgruppe aus
                                                                             jungen Kollegen arbeitete ich daran, die berufliche Situation für Absolventen und
                                                                             Berufsanfänger zu verbessern. Dazu gehörte es, ein Bewusstsein dafür zu schaffen,
               Foto: Architektenkammer Rheinland-Pfalz                       irreführenden Bezeichnung „Architekt/-in im Praktikum“ in den ersten Berufsjah-
                                                                             dass es sich trotz der in Baden-Württemberg im Architektengesetz verankerten
                                                                             ren eben nicht um Praktikanten handelt und dass deshalb angemessene Arbeits-
                                                                             und Gehaltsbedingungen zu schaffen sind. Unsere Aufgabe bestand außerdem
                                                                             darin, Studenten an Hochschulen über die berufliche Situation zu informieren, die

                                                                             Architektenkammer dabei spielt. Außerdem wurde die Bezeichnung „Architekt/-in
                                                                             im Praktikum“ in „Juniorarchitekt/-in“ abgeändert. Diese Bezeichnung spiegelt den
               Diskussionsrunde der Regionalkonferenz Normung am 9. Mai 2019 in der Kunsthalle Mannheim   sie nach dem Studium erwartet. Informiert haben wir auch über die Rolle, die die
                                                                             beruflichen  Status  von  Berufsanfängern  deutlich  zeitgemäßer  wider.  Für  eine
                                                                             Modifizierung  der  Bezeichnung  ist  eine  Änderung  des  Architektengesetzes  in
               „Ganzheitliches Denken und interdisziplinäres                 Baden-Württemberg erforderlich, die ich gemeinsam mit der zuständigen Architek-
                  Arbeiten sind die Grundlagen der erfolg -                  tenkammer und meinen Mitstreitern in der „Projektgruppe AiP/SiP“ erarbeiten
                                                                             durfte. Inzwischen wird das Amt von meiner Nachfolgerin weitergeführt. Ich selbst
                    reichen Umsetzung meiner Arbeiten.“                      bin nun Kammergruppenvorsitzende im Rhein-Neckar-Kreis und setze mich für die
                                                                             Baukultur sowie für berufspolitische Aspekte in dieser Region ein. Hier spielen
                                 Aleksandra Gleich                           nun Themen wie die Schaffung von Wohnraum und Lebensqualität durch Architek-
                                                                             tur im ländlichen Raum sowie Landflucht eine Rolle.


               Karriereleiter: zweifach akademische Ausbildung, Synergieeffekte von Architektur und Jura  r Für das Institut Fortbildung Bau der Architektenkammer Baden-Württemberg
                                                                             bieten Sie außerdem Seminare zum Baurecht für Architekten an ...
                                                                             Ja, diese Seminare bewegen sich thematisch an der Schnittstelle zwischen Archi-
                                                                             tektur und Recht. Aktuell gebe ich ein Seminar zum Thema „Rechtssicher durch
                                                                             die Leistungsphasen“. Hier durchlaufe ich gemeinsam mit einem Rechtsanwalts-
                                                                             kollegen einen beispielhaften Planungsprozess aus Sicht einer Architektin und
                                                                             eines Baujuristen und erläutere bestehende Handlungsnotwendigkeiten. Das Ta-
                                                                             gesseminar richtet sich an Architekten und Stadtplaner im Praktikum sowie junge
                                                                             Architekten in den ersten Berufsjahren. Die baurechtlichen Vorgaben hierzulande
                                                                             sind wesentlich strenger als in anderen Ländern. Dies hat Auswirkungen auf die
                                                                             Gestaltung und die Art und Weise, wie geplant und gebaut werden darf. Im Stu-
                                                                             dium wird das Thema oft nur am Rande oder gar nicht behandelt oder ohne den
                                                                             nötigen Praxisbezug. Junge Architekten werden häufig erst beim Einstieg in den
                                                                             Beruf mit der Wichtigkeit baurechtlicher Fragen konfrontiert. Ich stelle fest, dass
                                                                             Fortbildungsveranstaltungen mit baurechtlichem Bezug stark nachgefragt sind.

                                                                             r Was würden Sie der deutschen Architekturlandschaft in Sachen Bau-, Immo-
                                                                             bilien- und Vertragsrecht wünschen? Gibt es konkrete Kritikpunkte und Verbes-
                                                                             serungsvorschläge Ihrerseits?
                                                                             Ein Wunsch ist bereits in Erfüllung gegangen, als 2018 der Architektenvertrag mit
                                                                             eigenen Regelungen Einzug in das BGB gefunden hat. Ich würde mir außerdem de-
                                                                             finitiv wünschen, dass keine weiteren Angriffe auf die HOAI seitens der EU erfol-
                                                                             gen. Denn dadurch entsteht die Gefahr, dass die Qualität des Bauens in Deutsch-
                                                                             land  dem  Preiswettbewerb  statt  dem  Leistungswettbewerb  unterworfen  wird.
                                                                             Schließlich sind Architekten und Stadtplaner für die gebaute Umwelt verantwort-
                                                                             lich. Viele  aktuelle  und zukünftige  Herausforderungen, wie  der  demografische
                                                                             Wandel, Migration, Klimaschutz sowie der ressourcenschonende und sozialver-
                                                                             trägliche Umgang mit Grund und Boden, aber auch die Digitalisierung und die Mo-
                                                                             bilitätswende sind unmittelbar relevant für das berufliche Handeln des Berufs-
                                                                             stands der Architekten und Stadtplaner. Dieser großen Verantwortung gerecht zu
                                                                             werden, erfordert, dass tatsächlich nur qualifizierte Planer die in der HOAI geregel-
                                                                             ten Leistungen erbringen und dafür durch die qualitätssichernde Wirkung der ver-
               Foto: Andreas Gross                                           bindlichen Mindesthonorarsätze geschützt sind. Des Weiteren hoffe ich, dass sich
                                                                             durch die in der LBO-Novelle geplante Möglichkeit, digitale Bauanträge einzurei-
                                                                             chen, die Genehmigungsverfahren künftig beschleunigen.

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