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GESUNDHEIT UND WELLNESS • HEALTH AND SPA THEORIE • THEORY
führen, auch wenn die vorherige Institution dieselbe Funktion erfüllte. Im Laufe von Monaten und durch
das Kurieren psychischer und physischer Wunden fühlen sich die Bewohnerinnen stärker in die Stadt
integriert und kommen ihrer sozialen und beruflichen Wiedereingliederung näher.
Holz: Schlüsselmaterial für Wärme und Behaglichkeit
Der Boom zur Vorfertigung von Gebäuden aus Holz sowie ein wachsendes ökologisches Bewusstsein
haben in Spanien in jüngster Vergangenheit dazu geführt, dass sich diese Baumethode dank ihrer zahl-
reichen Vorteile als eine der wichtigsten Optionen etabliert hat – gerade, wenn es um Projekte mit hohen
ökologischen und wirtschaftlichen Kriterien geht. Abgesehen von den Vorteilen für die Umwelt haben
wir Holz aus mehreren Gründen für unser Projekt ausgewählt. Erstens gibt es in unmittelbarer Nähe
des Grundstücks Schulen. Zweitens mussten die Bauarbeiten bei laufendem Betrieb des bestehenden
Wohnheims vonstattengehen. Die auf industrieller Vorfertigung basierende Lösung machte es möglich,
die Bauzeiten zu verkürzen und die Lautstärke auf der Baustelle zu reduzieren. Die im Auftrag geforder-
te Kapazität von 100 Betten definierte eine klare, modulare Segmentierung mit Spannweiten von 3,40
Metern. Diese ist optimal für ein vorgefertigtes System aus Brettsperrholzplatten (CLT). Mit seiner Wärme
und seinen hygroskopischen Eigenschaften vermittelt das mit feuerfestem Lack auf Wasserbasis behan-
delte Sichtholz zudem ein Gefühl von Zuhause und Behaglichkeit. Genau das ist, wie bereits erwähnt,
eines der Hauptziele des Projekts. Tragende Wände aus Brettsperrholz gliedern die Grundrisse. Das
Wohnheim ist in Form eines kompakten Baukörpers konzipiert. Das dreigeschossige Gebäude hat eine
Länge von rund 60 Metern, eine Breite von 16 Metern und eine Höhe von neun Metern. Allerdings wird
Wohnlich: Blick in ein Mehrbettzimmer • Cosy: view into a shared room das Volumen an bestimmten Stellen „ausgehöhlt“, um Loggien, Terrassen und andere Außenräume zu
schaffen. So entsteht ein sich nach außen öffnendes Haus. Bei diesen Negativräumen handelt es sich
um Zwischenräume in menschlichem Maßstab und ohne konkrete Nutzungsvorgabe. Diese sollen die
Sozialisierung erleichtern und zur räumlichen Vielfalt beitragen. CLT-Platten sind ausreichend steif, um
horizontale Kräfte in beide Richtungen auf die Wände zu übertragen. Überall verfügen die Brettsperrholz-
böden über eine Trittschalldämmung. Teilweise gibt es auch schallabsorbierende abgehängte Zwischen-
decken, um die Akustik zu verbessern und Installationen unterzubringen. Neben den Vorteilen für die
Umwelt, die die Verwendung von Holz mit sich bringt, verfolgt der Entwurf Ziele der Nachhaltigkeit, die
über die Energieeffizienz in der Betriebsphase hinausgehen. Berücksichtigt wird der gesamte Lebenszy-
klus des Wohnheims. Unsere Philosophie bestand darin, vor allem den Energiebedarf zu reduzieren. So
haben wir dank einer Reihe passiver Maßnahmen, wie einer hervorragenden Isolierung und durch Mar-
kisen, die sich je nach Temperatur und Sonneneinfall automatisch regulieren, nahezu ein Nullenergie-
gebäude erzielt. Obwohl es sich um eine öffentliche Sozialeinrichtung handelt, die zu 100 Prozent durch
öffentliche Gelder finanziert wird, bestand die größte Herausforderung darin, Räume und Atmosphä-
ren zu schaffen, die das soziale Problem der Obdachlosigkeit und die Lebensweise der Bewohnerinnen
verändern können. Gleichzeitig nivelliert dieses Wohnheim architektonisch die Unterschiede zwischen
einem sozialen Projekt und High-End-Architektur.
I n Barcelona, we have a homeless population of around 5,000 people (according to the count carried
out by Arrels Fundació on 13 December 2023), of which 1,384 people sleep on the streets of Barcelona,
Heimelig: tragende Wände aus Brettschichtholz • Homely: walls made of laminated timber 651 live in informal settlements and 2,803 sleep in public and private resources scattered around the city.
Of this 0.29 per cent of Barcelona‘s population, women represent around 9 per cent of the homeless
Geschützter Freisitz: Loggia im Obergeschoss • Protected outdoor seating: loggia, upper floor population (and 1.5 per cent being transgender women), but they made a more violent experiences than
men. With an average age of 44 years, the youngest people are mostly born in non-EU and EU countries,
while the oldest people are born in Catalonia and the rest of Spain. The city has a programme for social
housing, accommodation for people at risk of social exclusion (such as victims of domestic violence) and
temporary housing, the category that includes our residential centre for homeless women (2024). Until
recently, shelters for homeless people were still regarded as emergency facilities to provide an urgent
response to the basic needs of the greatest number of residents possible. Today, there is a new perspec-
tive on care, that seeks a more personalised approach, allowing individuals to rebuild and develop an
autonomous life in society. In this way, the building redefines the concept of public emergency facilities,
moving away from traditional shelters for the homeless.
Architecture at the service of social reintegration
It functions as a ‘third caregiver’, offering dignified and healthy spaces that seek to generate a safe envi-
ronment of well-being and comfort guaranteeing the privacy of its users and accompanying each resi-
dent, on an individual basis, towards various social, employment, educational, and medical resources.
From this viewpoint, the project has three basic aims: to generate a safe space, a refuge isolated from the
city that guarantees user‘s privacy, with a perimeter garden that acts as a filter; to create socialisation
spaces by designing porches, loggias, terraces, and meeting areas to encourage interaction among resi-
dents, who can use these intermediate spaces as and when they choose; and to maximise a feeling of
112 • AIT 11.2024