Page 47 - AIT1123_E-Paper
P. 47

Mete Ay


                                                                                          2017–2020 B.A. Innenarchitektur, HfT Stuttgart 2019–2020 Praktikum, Kinzo,
                                                                                          Berlin 2021 Projektmitarbeit, De Winder, Berlin 2021–2022 Werkstudent, Se-
                                                                                          bastian Zenker, München 2021–2023 M.A. Innenarchitektur, AdBK, München
































        Im Eingangsbereich empfängt frische Pool-Atmosphäre. • The entrance area welcomes guests with a pool atmosphere.   Rote Akzente im Spa-Bereich konstrastieren zartes Blau. • Red highlights in the spa area contrast with delicate blue.


        von • by Mete Ay, München
        I  m beliebten innerstädtischen Gärtnerplatzviertel in München befindet sich das   Niederlanden und wurde später unter dem Titel „Erotic Manoeuvres: Territories of
          Isarparkhaus in der Baaderstraße 6. Das oberste Geschoss des Vordergebäudes
                                                                     Desire“ veröffentlicht. Die von Kapsenberg erzeugten Planungsgrundlagen gelten für
        erfährt eine neue Nutzung als sexpositiver Begegnungsraum. Dafür wird das beste-  alle Arten von sexpositiven Begegnungsräumen. Der Architekt gliedert diese Räume in
        hende Satteldach, unter dem sich bisher die Wohnräume der Betreiber-Familie befin-  drei Bereiche: die „Flanierzone“, das „Jagdrevier“ und die „intime Zone“. Alle Zonen
        den, abgerissen und das Gebäude zunächst in die ursprüngliche Form aus dem Jahr   weisen dabei ihren je eigenen architektonischen und atmosphärischen Charakter
        1959 zurückgebaut. In der Folge wird das Flachdach durch einen zweigeschossigen  auf, sind jedoch aufeinander bezogen; die Übergänge sind fließend. Entsprechend
        Neubau aufgestockt. Hier soll der sogenannte „Queer Club“ entstehen, ein Begeg-  ist auch der Erotikbereich des Münchner „Queer Clubs“ geplant. An die Bar und den
        nungszentrum für Menschen mit nicht heteronormativen sexuellen Orientierungen,  großen Lichthof als offener „Flanierzone“ schließt sich der zunehmend labyrinthi-
        sowie non-binären oder transgeschlechtlichen Identitäten. Das Ziel des Entwurfes ist   scher werdende Säulenwald der „Jagdzone“ an. Hier sollen die zueinander finden,
        es, der queeren städtischen Kultur von München einen neuen Raum zu geben, der  die zueinander finden möchten. Nischen mit semiprivaten Rückzugflächen sowie
        den Bedürfnissen der LGBTQIA+-Gemeinschaft entspricht und die soziale Identität   kleine Kinokabinen ergänzen das Spiel der Begierden. Das Raumprogramm der „inti-
        von marginalisierten Menschen fördert. Der „Queer Club“ dient dazu, Gleichgesinnte   men Zone“ wiederum umfasst private Séparées, Glory-Hole-Kabinen sowie versteckt
        kennenzulernen, Freunde zu treffen und sich ungestört zu entfalten.   angeordnete Sitz- und Liegeflächen. Angelehnt an die Wohnmaschine Le Corbusiers,
                                                                     wird die „intime Zone“ von einem dreidimensionalen Labyrinth aus gegeneinander
        Gliederung in drei Bereiche nach Jan Kapsenberg              und in die Höhe gestaffelten Sitz- und Liegeflächen beherrscht: Es ist die „Unité de
                                                                     l‘orgasme“. Die Konstruktion ermöglicht – neben der zentral angeordneten, großen
        Er besteht aus den Zonen Gastronomie, Wellness und Erotik. Die organische Raum-  Wendeltreppe – die Erschließung des Obergeschosses, wo sich weitere Séparées in
        anordnung sorgt für fließende Übergänge und ermöglicht ein vielfältiges räumliches   verschiedenen Größen sowie der Dachgarten befinden.
        Angebot. Eine durchgehende Blickachse verbindet die verschiedenen Nutzungszo-
        nen miteinander. Die in einem warmen Rot gehaltenen Umkleiden hinter dem Emp-  Raffinierte, maritim angehauchte Gestaltungssprache
        fangsbereich sind zunächst als „Ort der Transformation“ gedacht. Hier können sich
        die BesucherInnen sowohl in einem offenen Gemeinschaftsbereich umkleiden als   Neben dem Einsatz von Kunstlicht in verschiedenen Lux-Stärken sorgen drei, kegelför-
        auch in drei separierten „Powder Rooms“ in intimer Atmosphäre ungestört „verwan-  mige Oberlichter auf der Dachterrasse für eine ausreichende Tageslichtversorgung der
        deln“. Im Zentrum der Anlage öffnet sich ein großer, halbrunder Lichthof. Er ist von   Innenräume. Die Kegel erlauben außerdem eine natürliche Belüftung. Die Farbgebung
        gebogenen Glasschiebetüren umgeben und mit einem beheizbaren Wasserbecken  und Materialwahl der Innenräume ist von modernen Schwimmbadanlagen inspiriert,
        ausgestattet. Eine geschwungene Bar, die verschiedenste Sitzkonstellationen von Ein-  wo das Wasser kristallklar und türkisblau erscheint. Quadratische Fliesen, Metalllei-
        zelpersonen und Gruppen erlaubt, zieht sich um den Lichthof herum. Hier werden  tern und kreisrunde Pool-Beleuchtungen verleihen den Innenräumen eine raffinierte,
        Getränke und kleine Speisen serviert. Der sich anschließende  Wellnessbereich ist   maritim angehauchte Designsprache. Ein kräftiges Rot erscheint wiederum als kontra-
        mit einer finnischen Sauna sowie einem Dampfbad ausgestattet. Ein Whirlpool sorgt   stierender Begleiter zum zarten Poolblau. Es ist ein Farbmix, der häufig in Schwimmbä-
        für zusätzliche Erholung. Weitere Annehmlichkeiten sind warme Steinbänke und ein   dern zu finden ist, etwa in den schwimmenden Trennleinen zwischen den verschiede-
        großzügiger Ruhebereich. Die Planung des Erotikbereichs basiert auf der Theorie der   nen Schwimmbahnen. Im Wellnessbereich tritt das Rot nur akzentuiert auf und agiert
        „Erotic State of Aggregation Domain“ des niederländischen Architekten Jan Kapsen-  als Vermittler zum Erotikbereich. Zusammen mit dunkleren Tönen wie Schwarz und
        berg. Sie entstand Mitte der 1990er-Jahre am renommierten Berlage Institute in den   Anthrazit wird hier eine eher sinnliche und erotisierende Atmosphäre geschaffen.


                                                                                                                      AIT 11.2023  •  047
   42   43   44   45   46   47   48   49   50   51   52