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r HAMBURG
bis 25.02.2024 Dix und die Gegenwart
Aktuell präsentieren die Hamburger Deichtorhallen eine große Ausstellung über
Otto Dix (1891–1969) und seinen Einfluss auf die Kunst bis in die Gegenwart.
Der aus Untermhaus bei Gera stammende Maler und Grafiker ist bekannt für
Typenbilder aus der Zeit der Weimarer Republik. In schonungsloser Offenheit
porträtierte er die Schrecken des Ersten Weltkriegs auf dem Schlachtfeld (Der
Krieg, 1929–32) und im Stadtbild der Zwischenkriegszeit (Kriegskrüppel, 1920) 26. – 30. 1. 2024
sowie die Zerstreuungssucht in den Berliner Nachtclubs der 1920er-Jahre (Groß- FRANKFURT / MAIN
stadt, 1927). Neben diesen frühen Werken zeigt die von Dr. Ina Jessen kuratierte
Ausstellung erstmals auch umfassend das spätere Œuvre des Künstlers. Bilder
aus der Zeit der NS-Diktatur, als „entartet“ gebrandmarkt, weil sie angeblich
das Sittenbild verfälschten oder die Wehrbereitschaft bedrohten. In den spä-
ten 1930er-Jahren schuf Dix daher zunehmend apokalyptische Landschaften,
die ebenfalls gezeigt und zeitgenössischen Werken gegenübergestellt werden. ThE
Besonders interessant ist also der Fokus der Schau auf die Auswirkungen von
politischer Zensur und Anpassung. Chronologisch gehängt und thematisch
gegenübergestellt lassen sich die Krisenzeiten und Bilder von einst und jetzt
betrachten. Dabei treten frappierende inhaltliche, technische und kompositori- LIFESTYLE
sche Parallelen zutage. Sie zeugen auch vom großen Einfluss, den Dix bis heute
auf die Kunst hat: Seine „Nächtliche Erscheinung“ (1923) mit leeren Augenhöh-
len und Federhut lässt ebenso erschauern wie „Yusuke“, den Tobias Zielony
(*1973) 2021 im Zwielicht mit Hoodie vor geschlossenen Läden fotografiert. Dix‘ MOvE-
arme Mutter aus dem Gemälde Mutter und Kind (1924) wirkt apathisch und
um die Zukunft betrogen – genau wie die mit Einkaufstaschen und Babytrage
behängte „Woman with Shopping“ (2015) von Ron Mueck (*1958). Mit der Dar-
stellung gesellschaftlicher Tabus ist Dix Vorbild für KünstlerInnen wie Nan Gol- mENT
din (*1953), die in den 1980er-Jahren mit Verweis auf die Ausbreitung von Aids
queere Orgien festhielt, oder Paula Rego (1935–2022), die Abtreibungen verbild-
lichte – ein Thema, das auch die Gesellschaft der 1920er-Jahre spaltete. Wie
außerdem Georg Baselitz, Lucian Freud, Anselm Kiefer und Cindy Sherman mit
Dix verbunden sind, lässt sich noch bis Ende Februar in Hamburg studieren.
www.deichtorhallen.de Kira Sophie Kawohl
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Deichtorhallen Hamburg 2023, Foto: Henning Rogge