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Joachimsthaler Straße 10-12, Berlin
r HEILBRONN
bis 29. Oktober 2023 Gregor Schneider: Wir können Räumen nicht entkommen
Die Kunsthalle Vogelmann in Heilbronn zeigt bis 29. Oktober die erste monogra-
fische Schau des international etablierten Künstlers Gregor Schneider (*1969) im
Süden Deutschlands. Der Bildhauer denkt Raum als Skulptur und Skulptur als
Raum; es entstehen begehbare Skulpturen, die zu Erfahrungs-Räumen werden.
Schneider, der 2001 der Goldenen Löwen der Kunstbiennale für seine Transforma-
tion des Deutschen Pavillons zum Haus u r erhielt, spricht mit seinen Arbeiten die
Gefühle und Sinne an. Seine gebauten Räume irritieren, engen ein, verunsichern.
Kein Wohlfühlfaktor; keinerlei Behaglichkeit. Die Raumfolge „N. Schmidt“ in der
Kunsthalle betritt der Besuchende allein; der Schall ist gedämpft, die Fenster tot
– ohne Ausblick; hinter ihm fällt die Tür ins Schloss. Raum für Raum. Orientie-
rungslosigkeit entsteht. Gewohnte Gegenstände sind spärlich und funktionslos; ein
schmaler Kleiderschrank mit ausgesägtem Ablagebrett – eine Person findet hier
Platz. Ein Badezimmer; der Wasserhahn läuft; und ein Computerspiele-Zimmer.
Eine Etage darüber: die gleiche Raumfolge. Wirklich? Gab es darunter auch Vor-
hänge im Computer-Zimmer? Hat der Raum nicht anders gerochen? ... und der
Wasserhahn lief dort nicht, oder? Der Besuchende wird auf sich selbst zurück-
geworfen. Er beobachtet und fühlt sich unter Beobachtung. Keine Wiederholung
bietet das Gleiche. Gregor Schneider spürt dem Bewusstsein prägenden Potenzial Hier steckt
von Räumen nach. Räume prägen Menschen. In seinem Geburtsort Mönchenglad-
bach-Rheydt setzt sich Schneider kontaminierter Architektur aus. Wie umgehen
mit Gebäuden, die untrennbar mit dem deutschen Nazi-Regime verbunden sind?
Schneider übernachtet im Geburtshaus von Joseph Goebbels „Odenkirchener ganz viel
Straße 202“; speist dort am Tisch. Fotoarbeiten dokumentieren dieses Aushalten
der belasteten Vergangenheit. Und Schneider arbeitet sich an ihr ab, indem er das
von ihm erworbenen Haus entkernt. Der Schutt wird nach Warschau und nach
Berlin gefahren. Mit der Arbeit „It´s All Rheydt“ (2010) stößt Schneider schließlich in Lindner drin
einen anderen kulturellen Kontext vor. Im indischen Kolkata errichten die Einwoh-
nerInnen jährlich im Herbst der „Bezwingerin des Bösen“ temporäre Altäre und
Tempel. Dies entspricht seiner Arbeitsweise des Bauens, Abbauens, Translozierens
und wieder neu Aufbauens. In Kolkota bringt sich Schneider mit dem senkrechten
Bau des Straßenabschnittes vor dem Haus u r ein. Der Durga-Altar steht gleichsam Vom Komplettausbau inklusive Planung
im Keller des Hauses. Videoarbeiten dokumentieren den Tempelbau und das Fest;
Relikte der Altar-Skulpturen sind in der Raummitte ausgestellt. und Fertigung bis hin zu Rückbau und
www.museen.heilbronn.de Claudia Luxbacher
Wiederverwendung von Ausbauprodukten.
Lindner ist Ihr starker Partner in
allen Phasen eines Projekts.
Foto: Gregor Schneider © VG Bild-Kunst, Bonn 2023, u r 10, Kaffeezimmer, 1993
www.Lindner-Group.com