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BÜRO UND VERWALTUNG • OFFICE BUILDINGS THEORIE • THEORY
hältnisse im Büro mag, reagieren auch Pflanzen ab einem gewissen Punkt empfindlich. Sie werfen
zum Beispiel ihre Blätter ab. Für mich hat sich hinter der Tür der Gewächshäuser eine neue Welt auf-
getan. Hier habe ich ein Verständnis dafür bekommen, welch unterschiedliche Pflege Erdkulturen und
Hydrokulturen brauchen und was sich für große Flächen besser eignet. Es ist je nach Projekt möglich,
die beiden Kulturen zu mischen, denn jede hat Vor- und Nachteile und im Detail verschiedene Anfor-
derungen. Zum Beispiel werden besondere Gefäße für Hydrokulturen gebraucht – wasserdicht und
sehr niedrig. Aufgrund der Durchschnittshöhe der Kulturtöpfe von lediglich 19 Zentimetern sollten
hier keine zu tiefen Gefäße geplant werden, womit nebenbei auch Geld gespart werden kann. Hydro-
kultur hat außerdem den Vorteil, dass die flexible Zusammenstellung verschiedener Pflanzen in
einem Gefäß, einem sogenannten Pflanzenbecken, möglich ist. Auch einzelne Pflanzen in einzelnen
Gefäßen haben eine besondere Ästhetik. Bei Hochstämmen – also baumartigen Pflanzen – oder bei
Sukkulenten – sind größere Gefäße empfehlenswert. Dadurch kann eine Menge Pflanzen mit einem
Gießvorgang versorgt werden. Blähton oder Tonkügelchen sind bei dichter Bepflanzung kaum sicht-
bar, gleichzeitig verstärkt die Aneinanderreihung der Pflanzen ihre Wirkung. So kann an nur einem
Ort im Raum ein Fokuspunkt entstehen, der kraftvoll wirkt und leicht zu pflegen ist. In den Becken
können sowohl monochrome als auch bunt gemischte Gruppen eingesetzt werden, je nachdem, wie
die Pflanzen die Raumthemen unterstützen oder durchbrechen sollen.
Greenterior Design – mehr als nur eine Topfpflanze
Neugier und gestalterische Dickköpfigkeit haben mir gezeigt, wie sich das Potenzial Pflanze als Ge-
staltungselement – als Greenterior Design – in die Innenarchitektur integrieren lässt und wo dieses
Potenzial liegt. Ich gebe den Schlüssel, mit dem sich die Türen zu den schönsten Pflanzenkonzepten
öffnen lassen, gerne weiter. Die Verbindung zur Natur, die mit Zimmerpflanzen geschaffen werden
kann, ist für alle Beteiligten ein Mehrwert. Es ist nicht nur die „Topfpflanze“, die ich von ihrem ein-
Foto: Philip Kottlorz, Stuttgart Anforderungen und Wünsche der Menschen in den Büros der Gegenwart und Zukunft Wirklichkeit
gestaubten Image retten möchte: Es ist auch die Chance, dass GestalterInnen und GärtnerInnen die
werden lassen und eine gemeinsame Sprache entwickeln. Denn den Wunsch, sich mit Grün zu um-
geben, äußern mittlerweile viele Menschen, und dieses Grün kann in den Büros auf so vielfältige
der Pflanzen wirksam sein. Sie sind lebensbejahende, den Menschen mit der Natur verbindende Ele-
Ein Pflanzenbecken schützt den Aufenthaltsbereich – geplant von Studio Alexander Fehre Weise seinen Platz finden. Die Vielfalt kann nicht nur in der Meng, auch in der thematischen Auswahl
mente – Pflanzen sind ein lebendiger Baustein der Gestaltung. Über ihre positive Wirkung auf den
Duftet wie ein Regenwald: der Meetingraum von Vector Informatik GmbH Menschen, die sich auch in der Liebe des Menschen zur Natur im Begriff der Biophilie zeigt, sind
Pflanzen aus meiner Sicht Raumkünstler. Sie ersetzen leere Aktenschränke, indem sie als Raumtren-
ner in Systemen oder in schlichten Gefäßen Sichtschutz und Geborgenheit bieten. Klug kombiniert
mit akustisch wirksamen Materialien, die als Gefäß dienen, verbinden sie Natürlichkeit und Funktio-
nalität. Sie ermöglichen es, Orte der Zusammenkunft zu lebendigen und beliebten Treffpunkten zu
machen oder einfach als natürlicher Bildschirmhintergrund in digitalen Meetings, um Fake-Blumens-
creens zu ersetzten. Sicher geht das auch mit Grafiken oder farbigen Kacheln, aber die Lebendigkeit
ist subtil und die positive Wirkung für den Menschen sensuell erfahrbar. Pflanzen werden gerne als
dekorative Lückenfüller im Grundriss platziert. In diesem Fall wäre es jedoch besser, ganz puristisch
auf das Grün im Raum zu verzichten oder es konzentriert an einer Stelle zu platzieren – das ist in sol-
chen Fällen mein liebevoller Rat!
Im Jetzt beginnen, um in die Zukunft zu wachsen
Wenn ich durch die Tür eines Gewächshauses trete, um in die Welt der Pflanzen einzutauchen, er-
kenne ich mit etwas Ruhe und Neugier, wie viele Welten sich dort im Detail auftun. Dabei geht es
nicht nur um die Frage, ob eine Pflanze viel oder wenig Licht braucht, sondern auch darum, ob eine
Pflanze allein oder in einem Arrangement – zum Beispiel einem Jungle-Mix – die bessere Wirkung
Foto: Pia Schweisser, Stuttgart, Innenarchitektur: Heller Designstudio, Stuttgart gerüst eine bewachsene Pflanzenskulptur. Da es für viele Mitarbeitenden in Büros bisher üblich war,
entfalten kann. So gibt es beispielsweise Pflanzen, die sich über ihren hellen Grünton fast schon ins
Neongrüne neigen und einen leuchtenden Akzent setzen, und Kletterpflanzen, die sich an fast allem
festhalten können und deren Rankhilfen gestaltet werden können. Mit der Zeit wird aus dem Rank-
ihre eigenen Pflanzen am Arbeitsplatz zu hegen und zu pflegen, stellt sich bei Desk Sharing und Re-
mote Work die Frage: Was ist in Zukunft der passende Umgang? Ich empfehle zentrale Orte für Pflan-
zen. Orte, die allen Mitarbeitenden gleichermaßen zugänglich sind, in denen sich die geballte Pflan-
zenkraft entfaltet, wie zum Beispiel in Kantinen, Besprechungsräumen, Kaffeeküchen und Lounges …
Dazu braucht es noch genügend Licht, genügend Platz und regelmäßige Pflege. So können Pflanzen
dabei helfen, ansprechende Raumaufteilungen und veränderte Arbeitsplatzsituationen zu schaffen.
Das Besondere an biophilen Raumelementen: Sie sind im Jetzt schon lebendig und wachsen in die
das Wachstum arrangiert werden. Das als aktives Gestaltungselement zu nutzen, schlage ich vor!
146 • AIT 10.2022 Zukunft. Sie offenbaren die Zeit, indem sie sich verändern. Räume können bewusst im Hinblick auf