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BÜRO UND VERWALTUNG • OFFICE BUILDINGS

































            KÜNSTLERATELIER

            IN LISSABON



            Entwurf • Design MMV Arquitectos / Miguel Marques Venâncio, PT-Lousa


            Einen Industriebau im Innenhof einer großen Blockrandbebauung im
            Stadtzentrum von Lissabon hat der Architekt Miguel Marques Ven-
            âncio für einen befreundeten Künstler zum Atelier ausgebaut. Mit
            kleinem Budget, aber dafür mit viel Kreativität, Fantasie und Ehrgeiz
            entstand ein markantes Arbeitsloft zum Fotografieren, Malen und
            Modellieren. Venâncios wichtigster „Baustoff“ war dabei: das Licht.



            von • by Dr. Uwe Bresan
            E  ine schmale Durchfahrt führt von der Travessa da Pereira, einer unscheinbaren Ne-
               benstraße, in den großen Werkstatthof. Wir sind in Graça, einem zentral gelegenen
            Lissaboner Stadtteil nordöstlich der markanten Festungsanlage des Castelo de São Jorge.
            Das Viertel ist bis heute kaum touristisch erschlossen; alles wirkt noch sehr ursprünglich
            und authentisch. Seit jeher sind hier Wohnen und Arbeiten eng miteinander verknüpft.
            Der große Innenhof, der sich hinter der geschlossenen Blockrandbebauung verbirgt, zeugt
            mit seinen drei langgestreckten Werks hallen von der kleinindustriellen Vergangenheit
            und Gegenwart des Viertels. Die Bauten stammen aus der zweiten Hälfte des letzten Jahr-
            hunderts und haben damals sicherlich ältere Vorgängerbauten ersetzt. Unser Ziel ist der
            zweigeschossige Werkstatt- und Verwaltungsbau vor Kopf, dessen oberes Geschoss über
            eine seitliche Außentreppe erschlossen ist. Für einen befreundeten Künstler hat Miguel
            Marques Venân cio hier ein modernes Atelier eingerichtet. Es dient als Foto-, Keramik-
            und Malstudio, Bibliothek und Büro. Letzteres ist als gläserner Kubus auf einem Podest
            in der Raummitte angeordnet. Die Gläser sind wiederum in ein schwarzes Stahlgerüst
            gefasst, was der Konstruktion einen industriellen Charakter verleiht. Eine breite Schiebe-
            tür schließt den Raum bei Bedarf akustisch von der Umgebung ab. Um den Bürokubus
            herum verteilen sich – im Uhrzeigersinn – Garderobe, Küche, WC, Archiv und Keramik-
            werkstatt, Fotostudio, Maske und Umkleide sowie Bibliothek und Malatelier als frei in
            den Großraum eingestellte Räume beziehungsweise als offene Raumbereiche. Besondere
            optische Highlights im Raum bilden der weiße Rundhorizont des Fotostudios sowie die
            mit Wänden aus Glasbausteinen abgetrennten Räume von WC und Büroküche. Über eine
            Schattenfuge sind beide Kabinette vom Boden abgesetzt. Licht, das von unten und oben
            direkt in die Glasbausteinwände einstrahlt, bringt die Raumkuben förmlich zum Leuch-
            ten. Seinen Höhepunkt findet das Spiel des Architekten mit dem „Baustoff“ Licht in der
            Gestaltung eines Oberlichts im Empfangsbereich. Sanft gewellte Metallgewebe verleihen
            hier dem von oben einfallenden Sonnenlicht eine ungeahnte Körperlichkeit.

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