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BÜRO UND VERWALTUNG • OFFICE BUILDINGS
ANWALTSKANZLEI
IN TURIN
Entwurf • Design Marcante Testa, IT-Turin
von • by Petra Stephan
D as Statement „I believe in the magic and authority of words“ begrüßt die Klienten
der Rechtsanwaltskanzlei in Turin bereits als dreidimensionale Wandgestaltung
neben dem Empfangstresen. Dem Leitspruch folgend soll das Interieur der neu gestal-
teten Rechtsanwaltskanzlei den oft verunsicherten und Rat suchenden Klienten Mut
machen und die Distanz zwischen Rechtssystem und dem Menschen abbauen. Dazu
hatte die Turiner Rechtsanwältin die ortsansässigen Architekten Adelaide Testa und
Andrea Marcante beauftragt, die seit 2004 unter dem Label UdA und seit 2014 als
Marcante Testa zusammenarbeiten und sich als Innenraum-Spezialisten für elegante
Gastronomie- und Wohnprojekte einen Namen gemacht haben. Die unbekümmerte
Extravaganz, das sensible Zusammenfügen unterschiedlichster Muster und Mate ria -
lien sowie das Aufgreifen historischer Bezüge lassen ihre Räume Geschichten erzäh-
len und fordern Bewohner wie Besucher zum Dialog. Genau das ist Marcante Testa
auch auf den 200 Quadratmetern eines innerstädtischen Wohn- und Geschäftshauses
aus dem 19. Jahrhundert gelungen. Was sich dem Klienten auf den ersten Blick als
fröhlich-wohnlicher Material- und Mustermix darstellt, der durchaus geeignet ist,
Berüh rungs ängste mit der Gesetzesmacht zu vertreiben, erweist sich auf den zweiten
Blick als Hommage an den historischen Bestand und die Turiner Architektur -
geschichte. Das aufwändig aufgearbeitete Parkett, das in nahezu allen Bereichen
erhalten werden konnte, diente mit seiner Geometrie als Gestaltungsvorlage für den
verspiegelten Empfangstresen mit Siebdruckornamentik, für die Tapeten mit Rauten -
grafik und die Neuinterpretation der Täfelungen im großen Konferenzraum. Letztere
sollen einen ruhigen Rahmen bieten für die von Marcante Testa entworfenen Möbel –
der Regal wand aus lackiertem MDF und Metallprofilen und dem Tisch mit der Platte
aus Metall-Laminat. Die spannungsreiche Mischung aus glänzendem Metall, spiegeln-
dem Glas und gedämpften, warmen Holztönen wird durch Zitate bereichert, die an
bekannte Turiner Architekten der jüngeren Vergangenheit erinnern. So bezieht sich
die Verwendung von Siebdruckbildern an den Türen der Wandschränke und dem
Bücherregal im Konferenzraum auf Carlo Mollino (1905–1973), und an Toni Cordero
(1937–2001) erinnert die Neuinterpretation von klassischen Elementen wie die, an die
Wand gestellten Gipsrahmen, die die Tapete „strukturieren“, und die Deckenrosetten,
die mit zeitgemäßen Geometrien die Wirkung der neuen Beleuchtungs körper unter-
stützen. Der Einsatz von gepolsterten Sitzmöbeln in weichen Formen und hellen
Farben bricht die – für Marcante Testa typische - eher maskuline Gesamtstimmung der
Räume ebenso wie die üppige Dekoration mit zahlreichen Zimmerpflanzen, die aller-
dings eher der Passion der Rechtsanwältin und Bauherrin geschuldet zu sein scheint.
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