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Andreas Knapp


                                 1964 geboren in Duisburg-Rheinhausen 1988–1994 Architekturstudium
                                 in Düsseldorf 1994–2000 Gründung mehrerer Start-ups 2000 Verkauf
                                 eines Start-ups 2003–heute Küssdenfrosch, Düsseldorf





















                                                                                                                                      Fotos: Küssdenfrosch, Düsseldorf







             Letzte Ruhestätte: Das Kolumbarium entstand in der zum Verkauf ... • The Kolumbarium was created in …   ... stehenden alten Rheinkirche in Duisburg-Homberg. • …. the old Rheinkirche in Duisburg-Homberg.



            H   err Knapp, wann haben Sie gemerkt, dass in Ihnen ein Macher steckt, und wie   Immobilien entwickeln, sondern manchmal auch eigene Betreiberkonzepte aufbauen.
                kam es zur Allianz von Architektur und Unternehmertum?
                                                                          Wenn wir keinen passenden Partner für eine Immobilie finden, gründen wir kurzerhand
             Das wurde mir schon sehr früh bewusst. Ich erinnere mich, dass ich bereits mit 16 Jah-  selbst eine Gesellschaft, stellen ein Team zusammen und betreiben das Unternehmen
             ren meine ersten kleinen Unternehmen gründete, um mir als Schüler etwas dazu zu   eigenständig. Diese unternehmerische Flexibilität gibt uns die Möglichkeit, selbst heraus-
             verdienen. Ich liebe es, Geschäftsideen zu entwickeln und diese in die Tat umzusetzen.   fordernde Gebäude langfristig erfolgreich zu revitalisieren.
             In meinem Kopf sprudeln so viele Ideen, die ich in einem einzigen Leben gar nicht alle
             realisieren kann. Täglich kommen neue hinzu. Die erfolgreiche Umsetzung einiger Projek-  r Was muss ein Gebäude „mitbringen“, um interessant für Sie zu sein?
             te verschaffte mir das Kapital, um eigene Immobilienprojekte anzugehen. Meine Leiden-  Ein Gebäude muss Charakter haben, eine besondere Geschichte erzählen oder zumindest
             schaft für Architektur entwickelte sich ebenfalls früh. Ich habe Ende der 1980er-/Anfang   das Potenzial dazu besitzen. Entscheidend ist, dass es eine spannende Architektur, unge-
             der 1990er-Jahre in Düsseldorf Architektur studiert. Nach dem Verkauf eines meiner   wöhnliche Proportionen oder eine außergewöhnliche Atmosphäre hat. Das Baujahr ist
             Unternehmen kam ich erstmals mit alten, denkmalgeschützten Gebäuden in Berührung   zweitrangig. Ob es sich um ein altes Kino, ein Theater, ein Kaufhaus oder einen Bunker
             und habe sie sofort lieben gelernt. Diese Kombination aus Architektur und Unterneh-  handelt, spielt keine Rolle. Viele Gebäude sind über Jahrzehnte verändert und verbaut
             mertum führte letztlich zu dem, was ich heute mache: Ich entdecke eine erhaltenswerte,   worden, sodass ihre Ursprungsqualität kaum noch erkennbar ist. Unsere Stärke liegt
             spannende Immobilie, entwickle eine wirtschaftlich sinnvolle Nutzungsidee und setze   darin, diese versteckten Potenziale zu entdecken und behutsam freizulegen. Neben der
             das Projekt um. Ist das Projekt abgeschlossen, wird es meist verkauft – und ich freue mich  Bausubstanz spielt auch die emotionale Ausstrahlung eines Gebäudes eine wichtige Rolle.
             auf das nächste. Natürlich mache ich das heute nicht mehr allein und arbeite auch nicht   Es gibt wunderschöne Immobilien, bei denen wir aber intuitiv spüren, dass „etwas nicht
             nur an einem Projekt nach dem anderen. Mein Team und ich betreuen zeitgleich bis zu   stimmt“. Dann lassen wir die Finger davon. Alte Gebäude haben eine Seele und erzählen
             25 Projekte in unterschiedlichsten Entwicklungsphasen. Einige besonders herausragende   Geschichten, die wir bewahren und weiterführen wollen. Uns reizt die Herausforderung,
             Objekte behalten wir und betreiben diese langfristig selbst.  mit dem Vorhandenen zu arbeiten und daraus etwas völlig Neues zu erschaffen.

             r Was machen Sie anders als andere Akteure am Immobilienmarkt?  r Das Freie Kolumbarium Rheinkirche in Duisburg-Homberg ist ein faszinierender,
             Küssdenfrosch ist weit mehr als ein klassischer Projektentwickler – wir sind Architekten,   poetischer Raum. Wie kam es zu diesem Projekt?
             Bauherren, Investoren und Betreiber zugleich. Diese Kombination gibt uns die Freiheit,  Ein Freund machte mich auf den geplanten Verkauf der denkmalgeschützten Rheinkirche
             Entscheidungen immer im Sinne des Projekts zu treffen, anstatt uns nach externen Inves-  aufmerksam, woraufhin wir schnell mit der Kirchengemeinde ins Gespräch kamen. Die
             toren oder kurzfristigen Renditezielen zu richten. Viele Architekten kennen das Dilemma:   Gemeinde war erleichtert, einen Käufer zu finden, der das Gebäude nicht abreißen, son-
             Man hat eine großartige Idee, doch der Bauherr setzt andere Prioritäten. Bei uns fällt die-  dern eine respektvolle Nachnutzung entwickeln will. Uns reizte die Herausforderung, für
             ser Zwiespalt weg, weil wir selbst entscheiden, was wir investieren und welche Qualität   eine so besondere Immobilie ein passendes Konzept zu finden, das die hohen, offenen
             wir umsetzen. Wenn wir uns bewusst für höhere Kosten zugunsten des Projekts entschei-  Proportionen der Kirche erhält. Relativ schnell entstand die Idee eines Kolumbariums
             den, dann tun wir das, weil wir an den langfristigen Wert glauben – nicht, weil wir Rendi-  – ohne dass wir wussten, was das für uns bedeuten würde. Wir hatten vorher keiner-
             ten maximieren müssen. Ein klassischer Investor würde solche Ausgaben streichen, um   lei Berührungspunkte mit Bestattungs- und Trauerkultur, fanden es aber spannend, das
             die Gewinnspanne zu erhöhen, doch das geht oft zulasten der Qualität und Einzigartigkeit  Thema aus einer neuen Perspektive zu denken. Unser Ziel war es, einen Ort zu schaffen,
             eines Gebäudes. Unsere Erfahrung zeigt, dass wertige, individuelle Immobilien am Ende   der den Hinterbliebenen guttut und an dem sie ihre Lieben gut aufgehoben wissen. Ein
             einen höheren Preis erzielen als austauschbarer Standard. Manche unserer Projekte sind   Zuhause für die, die nicht mehr da, aber auch nicht wirklich weg sind – eine Art „WG der
             erst mit einer innovativen Geschäftsidee wirtschaftlich tragfähig, weshalb wir nicht nur   Toten“. Das Kolumbarium ist frei von religiösen Vorgaben, sodass jede Familie die Trau-

                                                                                                                         AIT 7/8.2025  •  035
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