Page 16 - AIT0621_E-Paper
P. 16
Ana Vollenbroich
2005–2011 Studium der Rechtswissenschaften an der Humboldt Universität Berlin 2011–2015 Rechtsanwältin und
Wissenschaftliche Mitarbeit bei Jones Day Düsseldorf und Freshfields Bruckhaus Deringer Düsseldorf 2015–2016
Leitung Rechts- und Immobilienabteilung eines mittelständisches Unternehmens 2016–2017 Berufsbegleitendes
Studium der Immobilienökonomie 2016/2019 Gründung Nidus & Nidus Studio GmbH
Annelen Schmidt-Vollenbroich
2005–2011 Studium der Architektur an der TH Karlsruhe und ETH Zürich 2008–2016 Mitarbeit in Architekturbüros
in Frankfurt, Zürich und Köln 2016–2017 Berufsbegleitendes Studium der Immobilienökonomie 2016/2019 Grün-
dung Nidus & Nidus Studio GmbH seit 2017 Wissenschaftliche Mitarbeit und Lehrauftrag, Universität Siegen
Studio Nidus aus Düsseldorf
Studio Nidus – das sind Ana Vollenbroich und Annelen Schmidt-Vollenbroich. Ana ist Das Feld der Architektur und erst Recht das Feld der Immobilienentwicklung gelten
Rechtsanwältin; Annelen studierte Architektin. Sie verbinden also zwei Professionen, als Männerdomänen. Wie begegnet man Euch als Frauen in der Branche?
die nur oberflächlich betrachtet nichts miteinander zu tun haben. Fragt man Ana und Der Anfang war schwer. Aber das ist der Einstieg ins Architektur- und Immobilienge-
Annelen danach, sehen sie eine große Gemeinsamkeit: Architektur und Rechtspre- schäft wohl immer, auch für männliche Kollegen. Man hat ja noch nichts realisiert,
chung seien jeweils „dienende Wissenschaften“, die auf die eine oder andere Art hat nur Visionen, kann noch nichts vorweisen. Vor allem bei Banken- und Behörden-
und Weise das menschliche Zusammenleben regeln. Kennengelernt haben sich die Terminen haben wir zu Beginn in den Gesichtern gelesen: „Meinen die das ernst?“
beiden im Aufbaustudiengang Immobilienökonomie. Die Gründung von Studio Nidus Als Frauen wurden wir in die „Dekoecke“ gestellt. Viele dachten, es geht uns nur um
in Düsseldorf folgte 2016. Seitdem machen sie gemeinsam Architektur – und das ein „Produkt“, das wir hübsch verpackt verkaufen wollen. Dass wir ernsthafte Ambi-
gern in doppelter Funktion als Planerinnen und Entwicklerinnen. tionen haben – sowohl gestalterisch, gesellschaftlich als auch geschäftlich –, das Be-
wusstsein hat sich erst mit der Zeit durchgesetzt.
Ana und Annelen, Ihr führt ein Architekturbüro, seid als Immobilienentwickler un-
terwegs, habt einen Lehrauftrag an der Universität und betreibt in Düsseldorf eine Wenn Ihr über den Umgang mit Bestands- und Denkmalsimmobilien sprecht, fällt
eigene kleine Architekturgalerie. Wie bekommt Ihr das alles unter einen Hut? Haben oft der Begriff „Rebirth“. Was versteht Ihr darunter?
Eure Tage mehr Stunden als üblich? Wir arbeiten gern mit dem Kontext, mit dem konkreten Bestand und der lokalen Bauge-
Das wäre schön! Aber auch unsere Tage haben leider nur 24 Stunden. Zugleich können schichte, aus der wir Typen, Zitate und Referenzen entnehmen. Wir versuchen die Ge-
wir es einfach nicht lassen. Wir beschäftigen uns gern mit Architektur – zu jeder Tages- schichte eines Ortes zu verstehen und diese Geschichte weiterzuschreiben. Das bedeutet
und Nachtzeit und eigentlich in jeder Situation. Bei der Umsetzung unterstützt uns na- auch, verschüttet gegangene Qualitäten wieder ans Tageslicht zu befördern und eine
türlich ein engagiertes Team. Aktuell arbeiten acht Mitarbeiter für Studio Nidus, jeweils neue Perspektive darauf zu gewinnen. Hierbei geht es nicht darum, lediglich zu rekon-
etwa zur Hälfte in den Bereichen Architektur und Immobilienentwicklungen. Dazu gibt struieren, sondern die Brücke zu einer zeitgemäßen Formensprache zu schlagen.
es natürlich noch ein gemeinsames Sekretariat und hin und wieder eine Praktikantin
oder einen Praktikanten. Gemeinsam arbeiten wir in den Räumen einer historischen Ar- Das Einfache besitzt noch eine andere Qualität: Offenheit. Eure Architekturen sind
maturenfabrik, die wir für unsere Zwecke ausgebaut haben. offen für unterschiedlichste Formen der Aneignung. Sie lassen Raum für alternative
Lebensmodelle. Ihr selbst führt eine Beziehung jenseits des traditionellen Familien-
Euer Arbeitspensum ist trotzdem enorm. Und was Ihr anfasst, macht Ihr sichtbar mit bildes. Wie sehr prägt das auch Eure Arbeiten?
großer Leidenschaft. Hilft es, dass Ihr privat keine Kinder zu versorgen habt? Auch über unsere eigenen Erfahrungen hinaus spüren wir natürlich, dass sich in der Ge-
Auch mit Kindern hätten wir sicherlich die gleiche Leidenschaft für Architektur, wir emp- sellschaft Lebensstile diversifizieren. Selbst die klassische Familie – Vater, Mutter, Kind –
finden keine so harte Trennung zwischen Arbeit und Freizeit. Auch am Abend diskutieren sucht heute nach anderen Grundrissen und flexibleren Räumen als noch in der letzten
wir noch über Architektur und die Themen, die uns tagsüber beschäftigt haben. Generation. Mit unserer Architektur wollen wir ein Angebot an alle machen.
Bei Studio Nidus verbinden sich allerdings nicht nur Arbeits- und Freizeit, sondern Die Fragen stellte Dr. Uwe Bresan, Architekturjournalist, Stuttgart
auch Architekturplanung und Immobilienentwicklung. Das Bündeln beider Kompe- Ungekürztes Interview auf ait-xia-dialog.de
tenzen gilt als lukrativ, wird aber auch kritisch gesehen. Immerhin stecken hinter
dem Modell zwei widerstreitende Interessen – einerseits eine möglichst hohe Ren-
dite-Erwartung, andererseits eine möglichst hohe Architektur-Qualität. Wie geht Ihr
mit diesem Spagat um? Braucht es dazu nicht eine gewisse Schizophrenie?
Wir sehen die beiden Felder gar nicht im Gegensatz. Für uns gehen Planung und Ent-
wicklung eher Hand in Hand. Auch bei der klassischen Aufteilung in Architekturbüro
und Projektentwickler ist das fertige Produkt ein Ergebnis der Zusammenarbeit von bei-
den. Unser Vorteil ist, dass wir die Kompetenzen bündeln. So geht zwischen den Diszi-
plinen weniger verloren und wir haben die Freiheit, die Stellschrauben in einem Projekt
selbst zu justieren. Darüber hinaus sind wir der Meinung, dass es eines neuen Verständ-
nisses von Rendite bedarf. Es gibt nicht mehr nur eine finanzielle Rendite. Vielmehr
muss auch der soziale und baukulturelle Mehrwert mitgedacht und bewertet werden. Fotos: Henrik Schipper
Eine Investition in eine Kombination aus den oben genannten Faktoren führt langfristig
sicher zu einem besseren Ergebnis für alle Beteiligten.
016 • AIT 6.2021