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Margarete Schütte-Lihotzky
1897 geboren in Wien 1915–1919 Studium kaiserlich-königliche Kunstgewerbeschule, Wien 1921 Zusammenarbeit
mit Adolf Loos 1926 Tätigkeit in Frankfurt/Main 1927 Heirat mit Wilhelm Schütte I Entwurf Frankfurter Küche 1930
mit Ernst May in die Sowjetunion 1939 Istanbul 1947 Wien bis 1969 selbstständige Architektin 2000 gestorben
Sie arbeitete mit Adolf Loos, Ernst May und Mart Stam – in Wien, in
Frankfurt, in Moskau, Istanbul, Sofia und Ostberlin. Sie entwarf
Kinder gärten, Kinderkrippen, Schulen und Kindermöbel; sie realisier-
te Typenbauten, Wohnhäuser und Bürogebäude. Aufgrund kommunis-
tischer Untergrund-Tätigkeiten wurde Margarete Schütte-Lihotzky
vier Jahre inhaftiert, und als sie kurz vor ihrem 103. Geburts tag starb,
war ihr bekanntestes Werk immer noch die „Frankfurter Küche“.
Tanja Scheffler skizziert das Leben einer ungewöhnlichen Architektin.
She worked with Adolf Loos, Ernst May and Mart Stam – in Vienna,
in Frankfurt, in Moscow, Istanbul, Sofia and East Berlin. She desig- Kunstsammlung und Archiv der Universität für angewandte Kunst Wien
ned kindergartens, nurseries, schools and children’s furniture; she
realized projects for standardized constructions, residences and
office buildings. Due to her activities in the communist underground, Foto. Nini Hess und Carry Hess
Margarete Schütte-Lihotzky was imprisoned for four years and
when she died, her most famous work was still the “Frankfurt
Kitchen”. Tanja Scheffler outlines the life of an unusual architect. Schütte-Lihotzky 1927 und mit Kollegen vom Hochbauamt, 1928 • ... with collegues of the building Department
von • by Tanja Scheffler
M argarete („Grete“) Lihotzky wurde am 23. Januar 1897 in Wien in eine gut situierte, bauamt tätig war. Als Leiterin der Bauberatungsstelle für hauswirtschaftliche Woh nungs -
bildungsbürgerlich-liberale Familie hineingeboren. Sie war die erste Frau, die an
angelegenheiten entwarf sie – neben der konzeptionellen, gestalterischen und kon struk -
der damaligen kaiserlich-königlichen Kunstgewerbeschule, der heutigen Universität für tiven Entwicklung von Küchen und Wäschereien – auch Kleinbauten für Schre ber garten -
angewandte Kunst Wien, Architektur studierte (1915-19): Entwurf beim Architekten Oskar kolonien, Wohnungen für alleinstehende berufstätige Frauen, diverse Einbau möbel sowie
Strnad, Baukonstruktion bei Heinrich Tessenow. Bei der Recherche für einen Studenten - Kindergärten und -krippen. Für einen (nicht realisierten) Kindergarten in Praun heim ent-
wett bewerb zum Thema der „Arbeiterwohnungen“ kam sie mit der großen Wohnungs - wickelte sie dabei ein innovatives Pavillonsystem, das sie später immer wieder aufgriff.
not der damaligen Zeit in Berührung. Später engagierte sie sich als Architektin für ver- Seit ihrer Wiener Zeit war Grete Lihotzky schwer beeindruckt von Christine Fredericks
schiedene neue Formen des Wohnungsbaus, um auch finanzschwachen Gesellschafts - wegweisendem Buch „Die rationelle Haushaltsführung“ und deren Untersuchungen zur
gruppen akzeptable Lebensverhältnisse zu ermöglichen. Nach dem Studium arbeitete besseren Organisation und Vereinfachung der Hausarbeit durch den Einsatz von neuen
Lihotzky im Baubüro der Siedlung Friedensstadt mit Adolf Loos zusammen (1921) und Haushaltsgeräten. Denn Lihotzky sah die weitgehende Befreiung der Frau von der zeit-
lernte dort den damals noch in Breslau tätigen Architekten Ernst May kennen, der für eine aufwendigen Hausarbeit als einen wichtigen Aspekt der weiblichen Emanzipation an.
Besichtigungstour durch die Wiener Genossenschaftsbauten nach Wien gekommen war.
Beim Österreichischen Verband für Siedlungs- und Kleingartenwesen (1922-24) setzte sie In Anlehnung an die kompakte Speisewagenküche der Mitropa
sich anschließend mit dem Konzept des „Kernhauses“ auseinander, bei dem die Siedler
einfache traditionelle Typenbauten in Eigenarbeit oder aber mit Nachbarschafts hilfe Daher entwarf sie bereits für die ersten Typenbauten des Neuen Frankfurt („Ich hatte mit
errichten und dann sukzessive durch Anbauten ergänzen konnten. Dabei entwarf sie Küche und Kochen nichts am Hut. Aber die Männer um mich herum haben mich halt zu
bereits erste für eine industrielle Produktion geeignete „Einheitsmöbel“ sowie eine aufse- dieser Aufgabe gedrängt.“) in Anlehnung an die kompakte Speisewagenküche der
henerregende, auf dem Taylor-System basierende Kochnischen- und Spülküchenein - Mitropa eine funktionale, nur rund 1,90 Meter breite und 3,40 Meter lange Arbeitsküche.
richtung. Als Ernst May im Zuge des sozialdemokratischen Stadtentwicklungsprogramms Diese zielte im Gegensatz zur althergebrachten Wohnküche oder der auf Hauspersonal
Neues Frankfurt zum Stadtbaurat berufen wurde, engagierte er eine größere Gruppe ausgelegten gutbürgerlichen Küche vor allem auf ein möglichst effizientes Hauswirt schaf -
talentierter Architekten, Künstler und Designer für dieses Prestigeprojekt. 1926 wechselte ten ab, sollte jedoch über eine breite, meist offen stehende Schiebetür mit dem angren-
auch Grete Lihotzky an den Main: als Mitarbeiterin der von Eugen Kaufmann geleiteten zenden Wohnzimmer verbunden sein, um so kurze Wege zum Essplatz sowie die Beauf -
Abteilung „T“, die für die Typisierung, Standardisierung und Normierung von Bauelemen - sichtigung der Kinder zu ermöglichen. Aufgrund der geringen Raummaße konnten keine
ten zuständig war. Um die Wohnungen auch für Geringverdiener erschwinglich zu ma - handelsüblichen Möbel verwendet werden. Daher entwarf Lihotzky eine besonders ratio-
chen, wurden sie – zur Verringerung der Baukosten – von der Größe her radikal minimiert. nelle, später industriell hergestellte Küchenmöblierung, bei der viele praktische Details
Dabei entwickelte Lihotzky zusammen mit Kaufmann und May die ersten Grund riss typen die Arbeit erleichtern und die Hygiene verbessern sollten: von den Metallschütten für
in rationalisierter Bauweise für die als Experimentierfeld fungierende Siedlung Praunheim trockene Lebensmittel und der Eichenholzschublade für die Mehlvorräte (bei der die
und entwarf in diesem Zusammenhang 1926 die darin fest eingebaute, platzsparende Gerbsäure des Holzes Mehlwürmer abschrecken sollte) über das ausklappbare Bügel -
Inneneinrichtung der „Frankfurter Küche“, um diese kleinen Wohnungen optimal nutzen brett bis hin zur strahlendblauen, angeblich fliegenabweisenden Farbgestaltung. Mehrere
zu können. Unter ihrer Mitarbeit entstanden in dieser Siedlung neben zwei verschiedenen ihrer Küchentypen wurden 1927 auf der vom Frankfurter Hochbauamt veranstalteten Aus -
Haustypen aber auch die ersten zehn Versuchsbauten in Plattenbauweise sowie eine stellung „Die neue Wohnung“ und ihr Innenausbau als 1:1-Modelle präsentiert, um die
Zentralwäscherei. Als sie ein Jahr später ihren deutschen Kollegen Wilhelm Schütte (1900- potenziellen Nutzerinnen davon zu überzeugen, sich bei der eigenen Bewertung dieser
1968) heiratete, war ihre weitere Anstellung aufgrund der damaligen Rege lungen gegen Küchen – statt vom persönlichen ästhetischen Geschmack – von der Zweck mäßig keit und
eine „Doppelbeschäftigung“ von Ehepaaren nicht mehr zulässig, sodass sie anschließend technischen Raffinesse leiten zu lassen. Die für eine Feierabend-Hauswirtschaft gedachte
auf freiberuflicher Basis oder aber mit projektbezogenen Zeitverträgen für das Hoch - „Küche für einen Haushalt ohne Haushaltshilfe“ für eine Kleinwohnung mit Schiebetür
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