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ÖFFENTLICHE BAUTEN  •  PUBLIC BUILDINGS

































           CAMPUS KINDERGARTEN

           IN MERSEBURG


           Entwurf • Design Aline Hielscher Architektur, Leipzig



           Ertüchtigung und Umnutzung statt Abbruch – so lautete die Devi-
           se der Leipziger Architektin Aline Hielscher bei der Sanierung eines
           wenig attraktiven DDR-Baus auf dem Hochschulcampus Merseburg.
           Mit entsprechendem Blick für das bauliche Potenzial entstand dort,
           wo früher eine Telefonzentrale untergebracht war, ein behaglicher
           Hort für Kinder. Jetzt wird dort gespielt, geklettert und getobt.



           von • by Susanne Lieber, CH-Zürich
           E   s wäre ein Leichtes gewesen, den uncharmanten DDR-Bau einfach abzureißen. Unter
               Denkmalschutz stand er nämlich nicht. Dennoch wurde zugunsten der alten Bausub-
           stanz eine Sanierung ins Auge gefasst, um dem Gebäude ein zweites Leben zu schenken.
           Die Tragstruktur des Mauerwerks im Raster von drei Metern gab eine entsprechende Neu-
           organisation der Räume problemlos her. Und so entstand aus dem zweigeschossigen Bau,
           auf dessen unterer Ebene sich früher der Hauptraum einer Telefonzentrale befand, ein
           Hort für rund 40 Kinder im Säuglings- bis Kleinkindalter, deren Eltern an der Hochschule
           studieren oder arbeiten. Als langer und schmaler Flachdachanbau dockt das sanierte und
           umgenutzte Gebäude direkt an ein Wohnheim an. Auf der Erdgeschossebene befinden
           sich das Büro der Kita-Leitung, Gruppenräume mit angrenzenden Garderoben, Nasszel-
           len sowie ein Speiseraum und die Küche. Wer von den Kleinen will (und schon kann),
           darf beim Zubereiten des Essens natürlich helfen. Im Sockelgeschoss sitzt abgesehen
           von den Personalzimmern und dem nordseitigen Schlafraum das nach Süden orientierte
           Herzstück der Kita – der Bewegungsraum. Aufgrund der großzügigen Raumhöhe konnte
           in diesem Raum zum Toben, Spielen und Klettern ein hölzernes Zwischenpodest einge-
           fügt werden, von dem die Kinder auch in den Außenbereich gelangen. Das Podest aus
           unbehandeltem Fichtenholz ist eine Art bespielbares Riesenmöbel, das über Stufen und
           zwei Rampen erobert werden kann. Eine dieser Rampen ist mit farbigen Klettergriffen
           versehen. Ebenfalls aus unbehandeltem Fichtenholz gefertigt ist das offene Regal für
           Spiel- und Bastelsachen, das gleichzeitig als Raumtrenner fungiert. Wobei sich generell
           über die Möblierung sagen lässt: Sie ist schlicht und funktional, ohne kindlich-kitschigen
           Firlefanz. Auch in Sachen Farbgestaltung gibt sich die Kita zurückhaltend – lediglich ein
           helles Englisch-Rot findet sich an der Fassade sowie in Form von Wandanstrichen und
           Fliesen in den Innenräumen wieder. Gerade diese Schlichtheit ist es, die das Gebäude so
           bemerkenswert macht: Die gestalterische „Überarbeitung“ ist zwar als moderne Interven-
           tion wahrnehmbar, doch die Grundcharakteristik des DDR-Baus ging dabei nicht verloren.

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