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ÖFFENTLICHE BAUTEN •  PUBLIC BUILDINGS


































               KIRCHE UND GEMEINDEHAUS

               IN KEHL


               Entwurf • Design Von M, Stuttgart



               Die Sanierung der Kehler Christuskirche und der Neubau des benach-
               barten Gemeindehauses gelangen vorbildlich! Das Stuttgarter Archi-
               tekturbüro Von M begegnete den vielfältigen Nutzungsanforderungen
               der Kirchengemeinde mit einem bestechend klaren und umfassenden
               Entwurf. So überzeugt das Ensemble nicht nur auf städtebaulicher
               und räumlich-funktionaler sondern auch auf gestalterischer Ebene.



               von • by Dr. Uwe Bresan
               S  o widersprüchlich es auf den ersten Blick erscheinen mag, auch das aktuelle Kir -
                  chen sterben kann sich für Architekten und Innenarchitekten „lohnen“. Denn durch
               die Zusammenlegung von Pfarrgemeinden entsteht am neuen zentralen Gemeindeort oft
               ein erhöhter Raumbedarf, der durch die Bestandsbauten in der Regel nicht gedeckt ist.
               Dazu kommt, dass die vorhandenen Bauten in vielen Fällen sanierungsbedürftig sind
               oder den neuen Anforderungen angepasst werden müssen. Kurz umrissen, waren das
               auch die Gegebenheiten, mit denen sich das Stuttgarter Architekturbüro Von M in der
               baden-württembergischen Stadt Kehl konfrontiert sah. Die zusammengelegten Gemein-
               den hatten beschlossen, die zentral in der Stadt verortete, klassizistische Christuskirche
               des Weinbrenner-Schülers Hans Voss aus dem Jahr 1822 zum neuen multifunktionalen
               Gemeindezentrum auszubauen. Was die Architekten vorschlugen und schlussendlich
               auch realisieren durften, kann als kleines Meisterwerk gelten. Zunächst gaben sie dafür
               der Kirche innen wie außen ihre ursprüngliche Gestalt zurück, und es ist bezaubernd zu
               sehen, wie gut der strenge, süddeutsche Klassizismus der Zeit um 1800 mit heutigen mi-
               nimalistischen Architekturauffassungen korrespondiert. Im Innenraum ersetzten die Ar-
               chitekten das feste Gestühl allerdings durch eine flexible Bestuhlung. Zudem entwickel-
               ten sie eine auf Schienen gelagerte und in der Kirchenlängsachse verschiebbare Para-
               ventwand, die es durch große Klappelemente erlaubt, den Kirchenraum in kleinere
               Raumeinheiten zu unterteilen. Altar, Ambo und Taufbecken sind entsprechend beweg-
               lich gestaltet. Das gesamte Mobiliar wurde aus natürlich belassenem Eichenholz gefer-
               tigt. Das neue Gemeindehaus wiederum entstand im Anschluss an den ursprünglichen
               Altarbereich der Kirche. Städtebaulich besetzt es die Grundstücksgrenzen und bildet im
               Wes ten zusammen mit der Kirche und dem his torischen Pfarrhaus einen dreiseitig um-
               schlossenen, neuen Platz. Im Inneren ist das Gemeindehaus wie ein Kreuzgang konzi-
               piert, dessen Zentrum der von seitlichen Oberlichtern erhellte Gemeindesaal besetzt,
               während die übrigen Funktionsräume entlang der Gebäudeperipherie organisiert sind.


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