Page 118 - AIT0425_E-Paper
P. 118
BÜRO UND VERWALTUNG • OFFICE BUILDINGS THEORIE • THEORY
Technologien, gepaart mit der Experimentierfreude talentierter Kollegen, neue Herangehensweisen
zur Formfindung entwickeln konnten. So können Algorithmen beispielsweise dabei helfen, architek-
tonische Strukturen an biologische Prinzipien anzupassen: Wenn man das Eigengewicht einer Gebäu-
dedecke um 70 Prozent reduziert, erinnert ihre Form an die Unterseite eines Blattes. Wenn KI Büroflä-
chen optimiert, entstehen natürlich anmutende Strukturen, die auf den realen Bewegungsmustern
der Nutzer basieren. Auch in der Lehre spielt KI eine zunehmende Rolle: Studierende trainieren Algo-
rithmen durch gezielte Bilderauswahl oder optimieren sie durch „Reinforcement Learning“, bei dem
maschinelles Lernen durch Belohnungssysteme gesteuert wird – ein Prozess, der dem menschlichen
Lernen nicht unähnlich ist. Blum rechnet damit, dass es mithilfe von KI zu einer Kreativitätsexplosion
kommen wird, was seiner Meinung nach in der derzeitigen gesichtslosen Monotonie von Neubauten
Abbildung: Courtesy of Zaha Hadid Architects de, wenn wir einen besseren Beitrag zum Klimaschutz leisten wollen“, meint er.
eine willkommene Entwicklung sein wird. „Theoretisch brauchen wir nur 50 Prozent der Bürogebäu-
Die Herausforderung: Weiche Faktoren messbar machen
Die verbliebene Hälfte der Büroflächen stellt Architekten jedoch vor neue Herausforderungen, die
kreative Lösungen erfordern. In einer zunehmend datengetriebenen Welt gewinnen faktenbasierte
Entscheidungen in der Architekturplanung immer mehr an Bedeutung. Die Herausforderung liegt
darin, weiche Faktoren wie Wohlbefinden, soziale Interaktion und Nutzerverhalten ebenso messbar
zu machen wie klassische Kennzahlen zur Flächeneffizienz. Welche Faktoren beeinflussen die Rau-
makustik und wie lassen sich Störgeräusche minimieren, ohne die Offenheit moderner Bürokonzepte
zu beeinträchtigen? Welche Arbeitsplatzanordnungen begünstigen soziale Interaktion, Wissensaus-
tausch und zugleich konzentriertes Arbeiten? Zwischenmenschliche Einflussfaktoren wie Abstände,
Sichtbarkeit und Nähe lassen sich zunehmend datenbasiert analysieren und gezielt in die Planung
einfließen. Durch eine intelligente Koppelung dieser Parameter können aus rein quantitativen Kenn-
zahlen qualitative Mehrwerte entstehen – ein Ansatz, der nicht nur das Nutzungserlebnis verbessert,
sondern auch wirtschaftlich messbare Vorteile bietet. Planungskriterien, die bisher allein der Flä-
cheneffizienz oder dem Immobilienwert geschuldet waren, erhalten durch neue Technologien ein
Gegengewicht: Nutzerdaten, psychologische Erkenntnisse und adaptive Architektursysteme könnten
es ermöglichen, Büros aus einer Innenperspektive heraus zu gestalten – mit Fokus auf menschliche
Interaktion, Flexibilität und Nachhaltigkeit. Wenn wir Büros als soziale und kreative Hubs begreifen,
Abbildung: Courtesy of Zaha Hadid Architects sondern warum sie es wollen.
die mehr sind als Arbeitsorte, dann stellt sich nicht mehr die Frage, ob Menschen zurückkehren –
T
he office real estate and furnishing industries have yet to offer a compelling solution that would
entice employees to return to offices of their own accord. Perhaps this is because planning
parameters remain primarily focused on the efficiency and flexibility of buildings rather than on the
Gesteuert von digitalen Karten (unten), die beispielsweise die Lichtqualität, Zugänglichkeit needs of users? While this one-sided optimisation according to outdated formulas could be made
oder Raumübersicht für jeden Punkt im Raum quantifizieren, berechnet ein Algorithmus even more efficient through artificial intelligence, it would ultimately leave us with the same com-
optimale Grundrisskonfigurationen (oben). • Controlled by digital maps (bottom), which promise-laden solutions. The question is therefore: do we merely want to plan offices more quickly
quantify, for example, the quality of light, accessibility or room overview for each point in the and in compliance with standards, or do we want to rethink them fundamentally? The planning of
room, an algorithm calculates optimal floor plan configurations (top). a people-centred office must begin with the end user. Instead of static floor plans with standardised
desk-sharing models, we need an architecture that actively supports the cognitive, social and emotio-
nal needs of employees. Early approaches from data-driven design illustrate how these qualities can
be translated into spatial layouts. Insights from environmental psychology play a crucial role in this:
studies show that factors such as natural light exposure, room acoustics, ergonomic diversity and the
possibility to individually adapt the work environment have a significant impact on concentration,
well-being and performance. In this context, biophilic design, which integrates natural elements such
Abbildung: Courtesy of Zaha Hadid Architects and productivity-boosting environment, is also gaining in importance. The classic calculation formu-
as vertical gardens, wooden surfaces or water features into architecture to create a stress-reducing
la of the office world does not work anymore: floor space divided by headcount plus a desk-sharing
ratio no longer ensures balanced occupancy.
The average usage of the office property has dropped to just three days per week, which even nega-
Basierend auf der Planung der Möblierung kann ein Algorithmus das Wegegeflecht der The transformation of the office world
zukünftigen NutzerInnen prognostizieren. Die Möbelinseln (links) führen zu intensiver tively impacts operational efficiency and the sustainability balance. This is because an underutilised
Vernetzung, die traditionellen Tischkonfigurationen (rechts) erzeugen rigide lineare building not only means vacancy but also inefficient use of resources – from energy consumption to
Korridore. • eBased on the planned furniture layout, an algorithm can predict the movement urban planning impacts on mobility and infrastructure. Many companies have already attempted
patterns of future users. The furniture islands (left) encourage intensive networking, whereas to increase office attendance through imposing mandatory in-office days, yet often without lasting
traditional desk configurations (right) create rigid linear corridors. success. The reason: employees no longer view the office as their sole workplace but instead com-
118 • AIT 4.2025