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Franziska Kocks
2018 B.A. Raumgestaltung/Farb-/Oberflächentechnik und Druck- und Me-
dientechnik, BUW, Wuppertal Februar 2023 M.A. Raumstrategien, Muthe-
sius Kunsthochschule Kiel 2020-2023 Mitarbeit bei urbanista, Hamburg
von • by Franziska Kocks, Kiel
I m Rahmen meiner Bachelorarbeit an der Bergischen Universität Wuppertal im Stu-
diengang Farbtechnik, Raumgestaltung und Oberflächentechnik setzte ich mich mit
farbgestalterischen Potenzialen und deren raumbildenden Möglichkeiten im Kontext
urbaner Fragestellungen auseinander. Betreut wurde ich dabei von Professor Dr. Johan-
nes Busmann und Ulrich Seiss. Um Heterogenität und Vielfalt im gestalterischen Ar-
beiten aufzuzeigen, entwickelte ich eine Methode, die auf Ansätze aus Kunst, Architek-
tur und Stadtplanung zurückgreift. Diese „situative Farbraumanalyse“ führte ich am
Wuppertaler Gebäude Bergstraße 50 durch und arbeitete sie in Form von Modellen,
Zeichnungen und Grafiken künstlerisch-gestalterisch aus. Eine der wichtigsten Schnitt-
stellen zwischen Innen und Außen stellen die Eingänge am Gebäude dar – an ihnen
werden sowohl räumliche, farb- und materialtechnische als auch typologische Grenzen
spürbar. Die Analyse richtet ihren Fokus auf die Außenwirkung dieser Schwellenberei-
che in den Stadtraum. Um die Wahrnehmung der RaumnutzerInnen besser abbilden
zu können, werden für die Analyse drei Standorte in den umliegenden Straßen einge-
nommen. Durch einen Rundgang durch das Quartier zu Beginn meines Analyseprozes-
ses wurden diese Positionen – jeweils auf Augenhöhe – festgesetzt. Diese Herangehens-
weise holt die NutzerInnen im Raum ab und ermöglicht es, konkret auf die menschli-
che Perspektive und Wahrnehmung beim Erreichen der Eingänge einzugehen. Ich ent- Entstanden ist eine ausführliche Raumanalyse. • The result is a detailed spatial analysis.
wickelte ein Gestaltungswerkzeug aus bedruckten Folien, welches über die grafisch
aufgearbeiteten Ergebnisse der Analyse gelegt werden kann. Durch eine abstrahierte,
interaktive Darstellung lässt sich somit die Architektursprache besser lesen. Die se-
quenzielle Untergliederung der Schwellenräume von „Erkennen“ bis „Ankommen“,
dient als Leitfaden, um ganz konkrete Ziele an die Konzeption der Farbgestaltung stel-
len und demzufolge Farbtöne und -flächen definieren zu können. Die situative Farb-
raumanalyse erlaubt es, Zugänge zum Raum zu finden, sich diesen anzueignen und
anschließend verantwortungsvoll zu gestalten.
Die Farbraumanalyse bildete die Grundlage eines Gestaltungstools
Mithilfe des Gestaltungswerkzeuges entstand ein fließender Übergang von der Analyse
bis hin zur Gestaltungspraxis. So stellte sich im Prozess der Arbeit heraus, dass der
Boden vor dem Gebäude ebenfalls als potenziell einfärbbare Oberfläche genutzt wer-
den könnte. Bisherige irritierende Begrenzungen der Eingangsbereiche ließen sich
somit aufheben und Zugehörigkeiten von Fläche, Raum und Architektur neu definie-
ren. Für eine bessere Orientierung im Straßenraum und eine erhöhte Signal- und Klam-
merwirkung liegt der Fokus der Farbgestaltung unter anderem darauf, die Kontraste Mithilfe von Farbfächern wurde das Konzept erarbeitet. • Established with the help of colour fans.
der Schwellenräume zu erhöhen; zusätzlich wird durch das Verändern dieses Kriteri-
ums die Sichtbarkeit der Eingänge aus der Entfernung verbessert. Das Farbkonzept in Ein Modell kennzeichnet die verschiedenen Farbflächen. • A model indicates the different colour spaces.
ein ganzheitliches städtisches Farbbild einzufügen, stellte eine allgemeine Herausfor-
derung dar. Meine Arbeit bietet daher einen Ausblick auf ein Neudenken des Themas
Farbe im urbanen Raum, denn darin werden die Komplexität und Verschränkung mit
raumgestalteten Disziplinen verdeutlicht. Darauf aufbauend bildete sich die Erkenntnis
heraus, dass der Einsatz von Farbe niemals separat untersucht werden sollte. Er steht
immer im engen Zusammenhang aller Untersuchungsparameter, wie hier zum Beispiel
der Orientierung und Öffnung im urbanen Raum, der Identifikation der AnwohnerIn-
nen mit dem Raum, der Lesbarkeit der Architektur und natürlich der Raumnutzung.
Die entstandenen Entwurfsansätze für die Tages- und Nachtsituation der Schwellen-
räume thematisieren unter anderem, wie der gezielte Einsatz von Farbflächen, die In-
szenierung von Oberflächenstrukturen oder der achtsame Umgang mit dem Bestand
zu einer identitätsstiftenden und klärenden Architektur beitragen können. Die Ergeb-
nisse meiner Arbeit können als Sprachrohr gesehen werden, welches das Bewusstsein
der RezipientInnen für Gestaltbarkeit des öffentlichen Raums schärfen und zum Wei-
terdenken anregen soll. Ein Wunsch und Ziel ist es, dass Farbgestaltung frühzeitig in
architektonische und stadtplanerische Planungsprozesse einfließt, wodurch sich das
raumbildende Potenzial noch weiter ausschöpfen ließe.
AIT 3.2023 • 041