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Entwurf • Design Buchner Bründler Architekten, CH-Basel
Bauherr • Client privat
Standort • Location CH-Mosogno Sotto/Tessin
Nutzfläche • Floor space 24 + 71 m 2
Foto: Basile Bornand
Fotos • Photos Georg Aerni, CH-Zürich
Mehr Infos auf Seite • More infos on page 142
Erdgeschoss der Winterstube – Pufferzone mit WC • Ground floor of the winter room - buffer zone with toilet Beheizbarer, lasierter Wohnkubus – die Winterstube. • A dark-varnished living cube, the heated winter space.
300 Jahre lang trotzte ein Ensemble aus bäuerlichen Steinhäusern For 300 years, an ensemble of rustic stone house has braved the
Wind und Wetter im Schweizer Tessin. In den letzten Jahrzehnten wind and the weather in the Swiss canton of Ticino. During the last
standen Wohnhaus und Nebengebäude leer und verfielen. Buchner decades, the residential building and the annexes had been vacant
Bründler Architekten nahmen die Herausforderung an und sanierten and decayed. Buchner Bründler Architekten took up the challenge
die verbliebene Substanz mit wenigen und gezielten Eingriffen. Nun and refurbished the remaining fabric with minimal and skilful inter-
dient der Bauherrenfamilie in der warmen Jahreszeit ein zweige- ventions. During the warm season, a two-level summer home now
schossiges Sommerhaus als Feriendomizil, in den kalten Monaten serves the client family as a holiday residence; during the cold
zieht sie sich in die beheizbare, gemütliche Winterstube zurück. months, they retreat into the cosy winter living space with heating.
von • by Buchner Bründler Architekten
I m tiefen Tessiner Onsernonetal steht an einem steilen Hang ein Ensemble aus Stein- einem Dach aus Wellblech überspannt, das auf einer stählernen Fachwerk-Konstruk-
tion aufliegt und vor der Witterung schützt: Luft, Geräusche und die atmosphärischen
häusern, das über Generationen hinweg baulich angewachsen ist und jahrelang leer
stand. Auf die Bergkante gesetzt, schirmt sich das Ensemble zum höher gelegenen Dorf Veränderungen der Umgebung sind so im Inneren spürbar.
Mosogno di Sotto hin ab, zum grünen Tal öffnet es sich mit einer Terrasse. Die Bauherr-
schaft, die mit der Tessiner Lebensart vertraut ist, wünschte sich ein Wohnhaus, das Würdevoller Umgang mit historischer Substanz
mit einfachen Mitteln aus dem Ensemble entwickelt werden sollte. Vor allem der Zu-
stand des Haupthauses war schlecht, alle Holzelemente wie Balkenlagen oder Zwi- Das sich auf der Talseite aufspannende Vordach, das sich vom Schutzdach absetzt, ist
schenböden waren baufällig. So wurde der Hauptbau zum Sommerhaus und der bes- eine Reminiszenz an die alte, morsche Laube. Daran schließt seitlich das Badezimmer
ser erhaltene Annex zur Winterstube. Je länger die Auseinandersetzung mit den Stein- in einem kleinen Nebenbau der Sommerhalle an: Da auch hier das Holz nicht be-
häusern andauerte, desto klarer wurde, dass insbesondere die Geschichte des Haupt- wahrt werden konnte, wurde der Bau mit einer Betonkuppel neu gefasst. Die Terrasse
baus essenziell für das Ensemble war. Sie sollte nicht hinter einem weißen Putz ver- zum Tal ruht auf einer Trockensteinmauer und wurde erweitert. Im Westen folgt der
schwinden, die baulichen Spuren der Vergangenheit blieben vielmehr sichtbar. Auf- Annex, bei dem die Balkenlagen bis unters Dach intakt waren. Hier wurde ein innen
grund des schlechten Zustandes wurde die klassisch kleinteilige Kammerstruktur des dunkel lasierter Wohnkubus auf Nocken eingestellt. Er ist klimatisch und energetisch
Hauptbaus zugunsten einer großen, zwei Geschosse umfassenden Sommerhalle rück- kontrolliert und dient als Stube, in der gekocht, gegessen, geschlafen und überwintert
gebaut, doch an den Wänden lassen sich die ursprünglichen Nutzungen und Lebens- wird. Beim Umbau setzte man auf lokale Handwerker, die den Zugang zum traditio-
orte ablesen: Oben der Putz und die Strukturen der Wohnräume, unten der bloße Stein nellen Handwerk der Steinhäuser nicht verloren haben. Wichtig war ein würdevoller
des Weinkellers, in der Mitte ein Wandfragment mit einem Kamin, das nun ein Metall- Umgang mit der historischen Substanz. Der Umbau war eine Gratwanderung zwi-
rahmen umgibt, der es trägt und der die Hauswände aussteift. Da auch die alte höl- schen Authentizität und dem Pittoresken, dabei wurde versucht die Stimmung und
zerne Dachkonstruktion nicht erhalten werden konnte, wird die Sommerhalle nun von Identität des Ortes durch pointierte Eingriffe zu erhalten.
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