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Entwurf • Design Šépka architekti, CZ-Prag
Bauherr • Client Privat
Standort • Location Osvobození 442/22, CZ-Prag
Nutzfläche • Floor space 188 m 2
Fotos • Photos Aleš Jungmann, CZ-Prag
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Raumhohe Türen und tiefe Fensterlaibungen ... • Floor-to-ceiling doors and deep window reveals ... ... in natürlichem Birkensperrholz rahmen die Aussicht. • ... in natural birch plywood frame the view.
von • by Katharina Diemair
O b es ohne seine neue Hülle noch stünde, ist fraglich. Schon viele Veränderungen zur Begrünung. Über eine zwischen Bestandsbau und Tragstruktur eingeschobene
und Umbaumaßnahmen waren über das eingeschossige Haus mit Mansard-
Außentreppe gelangen Schwindelfreie zudem auf die fünfte Fassade, das Dach. Die
dach aus den 1930er-Jahren hinweggegangen. Sie alle hatten zum Ziel, das ursprüng- leichte, unverkleidete Stahlkonstruktion zieht sich als Kranz rings um die 165 Qua-
lich als Wochenenddomizil errichtete Gebäude im heutigen Prager Stadtteil Suchdol dratmeter große Terrasse in die Höhe und bietet, ohne Attika oder feste Umrandung,
komfortabler und dauerhaft bewohnbar zu machen. Linksseitig der Moldau, am eine unverstellte Aussicht in alle Himmelsrichtungen.
nordwestlichen Rand der Hauptstadt gelegen, wurde Suchdol erst 1968 eingemein-
det und war bis dahin ländlich geprägt: ein Ort der Ruhe und Erholung. Eine sechs- Flexible Innenräume passen sich den Bedürfnissen an
köpfige Familie verliebte sich in die Gegend und beschloss, hier ihren Familien-
wohnsitz aufzuschlagen. Doch die Substanz ihres Wunschobjektes war marode. Den Bestand ablesbar zu ergänzen war auch Ziel bei der Innenraumgestaltung. Mit na-
Dach und Hülle entsprachen in keiner Weise den heutigen energetischen Standards, turbelassenen, rohen Materialien und haptischen Oberflächen setzen sich die neu über-
und die Grundrissaufteilung schränkte die Nutzungsmöglichkeiten stark ein. Erhalt arbeiteten Bereiche deutlich vom Altbau ab. Wände aus unverfugten, großformatigen
oder Neubau, Rekonstruktion oder Modernisierung – Jan Šépka, ehemals Partner von Betonsteinen, Sichtbetondecken und Sichtestrichböden nehmen die industrielle Anmu-
HŠH architekti, seit 2009 Inhaber des eigenen Büros Šépka architekti, nahm die Her- tung der äußeren Hülle auf. Möbel und Innenausbau – Treppen, Türen und Fensterni-
ausforderung, dem Gebäude neues Leben einzuhauchen, an. Bekannt für seine ex- schen – sind aus unbehandeltem Birkensperrholz gefertigt und sorgen für eine wohnli-
pressiven, eigenwilligen Entwürfe wie das Pilz-ähnliche „House in an Orchard“ che Atmosphäre. Sparsam verteilte Einzelmöbel, wie die Bettboxen in den Kinderzim-
(2016) oder das rosafarbene Monolithen-„House on a Slope in Černín“ (2009, HŠH mern schaffen individuelle Nischen in den freien Gemeinschaftszonen. Auf starre Ein-
architekti) fand der Prager Architekt auch hier eine ungewöhnliche Lösung, die aus bauten wurde gänzlich verzichtet. Stattdessen sollen sich die Räume über eine mobile
der Nachbarbebauung erfrischend heraussticht. Ausstattung in ihrer Nutzung ganz den wechselnden Bedürfnissen der Bewohner anpas-
sen. Den dafür nötigen Freiraum verschafften sich Planer und Bauherren, indem sie sich
Umlaufende Träger stützen das alte Gebäude aus den Zwängen der kleinteiligen 1930er-Jahre-Aufteilung dank eines Kunstgriffes lö-
sten. Sie befreiten den Altbau von seiner statischen Funktion und fügten ein zusätzliches
Zwei Vollgeschosse mit bodentiefen Verglasungen statt Lochfenstern, eine begehbare stützendes Element ein. Sein neues Gewand verhalf dem instabilen Gebäude nicht nur
Dachterrasse anstelle des Mansarddachs und eine allumfassende Hülle aus Stahl- zu größerer Belastbarkeit. Dank einer differenzierten Schichtung der vertikalen Ebenen –
profilen, wo sonst Putzfassaden in zarten Farben leuchten – der Kontrast zu den um- das Stahlkorsett umhüllt die Fassade in unterschiedlichen Abständen – entstanden vor
gebenden Häusern könnte kaum größer sein. Und doch integriert sich der glänzende allem vielgestaltige, neue räumliche Qualitäten. Eine ungerichtete Aussicht über raum-
Kubus nach vierjähriger Bauzeit in seine Nachbarschaft, ohne wie ein Fremdkörper hohe Vollverglasungen wechselt mit Blicken, die von tiefen Holzlaibungen gefasst wer-
zu wirken. Das mag daran liegen, dass sich Jan Šépka gegen ein „Entweder-oder“ den. Innenräume, die fließend in den Außenraum übergehen, werden ergänzt von vor-
und für ein „Sowohl-als auch“ entschied: den Altbau abzutragen, wo notwendig, zu gelagerten Treppen- und Balkonzonen. Licht- und Schattenspiele auf glatten, glänzenden
stützen, wo möglich und darüber hinaus zeitgemäß zu ergänzen. Dieser Ansatz be- Oberflächen überlagern sich mit natürlich bewegtem Fassadengrün. Alle Bereiche sind
schert den Bewohnern im Inneren lichte, großzügige Räume und einen freien Blick. wandelbar und in ihrer Erscheinungsform nicht festgelegt. Šépka architekti gelang es,
Äußerlich soll der Körper bald mit dem Garten verschmelzen. Das Metallkorsett eine lebendige Struktur zu schaffen, die Alterung und Veränderung eines Bauwerks als
übernimmt nicht nur eine stützende Funktion, sondern dient auch als Rankgerüst natürlichen Prozess mit einbezieht – charakteristisch und ausdrucksstark.
AIT 3.2020 • 121